Mittwoch, Januar 02, 2008

Silvester in Wien

Es ist vollbracht: Silvester in Wien!

Wegen Amalias Bestürztheit, dass ich von Roman aus München das Angebot bekommen hatte, Silvester mit und bei ihm in Wien zu verbringen, sagte ich zu und buchte einen Flug über billigerflieger.de für unter 100 Euro. Erst später fand ich heraus, dass ich mir die 10 Euro Gebühr an ebookers auch hätte sparen können, wenn ich einfach selbst bei Austrian Airlines gebucht hätte. Gut, nächstes Mal dann.


Samstag, 29.12.


Ich flog also vormittags nach Wien. Flug unspektakulär, Wetter in Wien (übrigens die ganze Zeit) doof. Wolkig und vor allem zu Anfang arschkalt. Roman holte mich mit seinem Afghanenhund Tibor am Flughafen ab. Ein Heliumballon mit der Aufschrift "Welcome" war an Tibors Halsband befestigt, sehr süß.

Wir fuhren zum Naschmarkt, um uns dort erst das Elend auf dem Flohmarkt und dann den eigentlichen Markt anzusehen. Wen und was man auf diesem erstgenannten Flohmarkt sieht, lässt sich kaum in Worte fassen. Nicht genug damit, dass dort unendlich viel Nippes und Gerümpel verkauft wird, das ich nicht einmal mit bloßen Händen anfassen würde, sondern besonders traurig sind die Gestalten, die in der Kälte um ihre Haufen von lieblos zusammengeworfenem Plunder herumstehen und einem Zeug andrehen wollen. So viel Ostblock und (augenscheinliche) Armut sehe ich sonst sehr selten. Aber ich frage mich auch, wer zum Geier diese Berge von uraltem und wenig pfleglich behandelten Elektroschrott, fast bis zur Unkenntlichkeit zerlatschte Klamotten oder sterbenshässliche Einrichtungsgegenstände auch nur geschenkt haben wollte, geschweige denn Geld dafür zahlt.

Es herrschte eine furchtbare feuchte Kälte, die in jede Ritze fuhr, die die Kleidung ihr ließ. Meine sonst wenig empfindlichen Beine meldeten Eisalarm.

Wir gingen weiter zum Naschmarkt, auf dem Delikatessen in einer noch nie erlebten Schönheit und Vielfalt hergerichtet waren. Nussspezialitäten, Halloumi und andere Käsesorten, schon von weitem furchtbar lecker aussehendes Brot in den wildesten Sorten, Kaffee und Tee bis unter die Hutkrempe, Süßigkeiten in nie für möglich gehaltenen Formen und Farben, in der Kälte dampfende Frischspeisen, Suppen, Dönerspieße und und und. Ich schämte mich etwas für die Düsseldorfer Carlsplatz-Markt, der sich ansonsten kaum verstecken muss.

Zu Mittag aßen wir in einem japanischen Imbissrestaurant. Ich nahm eine große Schale Currysuppe mit Reisnudeln. Am Nebentisch versuchte ein in den Niederlanden wohnender Indonesier gerade, eine Nordamerikanerin aufzugabeln, die er gerade getroffen hatte. Zu seinem Leidwesen verabschiedete sie sich nach dem gemeinsamen Essen. Aber sie war auch nicht so der Kracher.

Wir hielten als nächstes im Café Savoy, einem Schwulenetablissement, das weniger durch den allseits in Wien hoch angepriesenen Kaffee herausstach, sondern vor allem durch seine überladenen Goldornamente, riesigen Spiegel und die etwas puffige Atmosphäre. Der Kaffee war nämlich sehr mittelmäßig, allerdings immer noch recht gut im Vergleich zu der Suppe, die es bei uns im Büro gibt. Wir blieben an der Theke stehen, weil auch hier alles knallvoll war. Neben uns ein Zeitung lesender Typ auf einem Hocker. Irgendwann war der Hocker frei, und es lagen keine persönlichen Dinge mehr dort, sodass ich annahm, er sei gegangen, setzte ich mich auf den freien Hocker, als er mir auf die Schulter klopfte. Er war nur gegangen, um eine Zeitung zu holen. Ähä, peinlich.

Bevor wir gingen, flakte ich jedenfalls noch kraftvoll einen Fladen Dünnes in die Sitzkeramik. Den Durchfall hatte ich wahrscheinlich von der Suppe bekommen. Ich hoffte (zutreffend), dass der Durchfall damit ausgestanden war und ich nicht krank wurde.

Roman nahm mich anschließend mit auf einen Blitzausflug Wiener Innenstadt. In der Eiseskälte liefen wir warm eingepackt an allerlei wunderschön beleuchteten Gebäuden vorbei, und er erzählte mir von ihnen, ihrer Funktion, ihrer Geschichte und gab allerlei Zusatzinformationen, aber ich habe das meiste davon wieder vergessen, weil ich keine Karte von Wien im Kopf hatte, auf der ich die Informationen hätte vermerken können. Meine Bemühungen, einen Stadtplan zu bekommen, fruchteten auch wenig, sodass der düstere Nachmittag (es wurde schon dunkel, als wir losgingen) eine Aneinanderreihung von Beleuchtungs- und Architekturkunstbeispielen war.

Der für mich bedeutendste Stopp des Tages war ein Besuch bei dem Kaffee- und Feinkostladen Julius Meinl. Der Laden sah aus wie das Wunschkind von Nespresso und der Metro: Ein sehr stilvoll eingerichtetes Geschäft voller Käffchen, Tee, Biskuits, Kekse, Süßkram, Lutschpastillen, Brot, Pasteten und und und. Ich war augenblicklich im Himmel und blind vor Gier nach Kaffeebohnen. Ich griff mir ein Pfund "Espresso Spezial" aus dem Regal, nachdem ich eine (gefühlte) halbe Stunde angestanden hatte, und zahlte. 15 Euro. Stolz, aber verhältnismäßig billig im Vergleich mit Nespresso. Und der Kaffee duftete schon durch die Packung hervorragend. Da würde Amalia Augen machen, wenn der Kaffee auf ihren Geschmacksnerven Samba tanzt.

An der Kasse unterhielten wir uns mit einer feinen Dame, die Tibor bewunderte. Also sie ihn, nicht er sie. Sie war sehr nett, und da ich vom Kaffee noch total deliriös war, sagte ich, ein kleiner Hund hätte ja durchaus auch seine Vorzüge. Roman fügte hinzu: "Besonders bei einsamen Damen." Sie guckte etwas überrascht drein, aber da sie vorher schon gesagt hatte, dass sie nicht auf kleine Hunde steht, war die Gefahr gebannt, dass sie dachte, wir spielten auf sie an. Und von mir aus kann sich ja jeder liebend gern die Möse vom Hund lecken lassen. Tibor hat auch eine sehr lange Zunge, und wer weiß, was die in langen Winternächten mit Roman anstellt.

Wir wühlten uns übrigens nicht nur bei Meinl, sonden in der ganzen Stadt durch Menschenmassen. Es war zum Abkotzen. Wien mit seinen rund 1.670.000 Einwohnern beheimatete in diesen Tagen nach Angaben der Radiosender rund 600.000 Besucher, die meisten davon Japaner und Italiener, wie es schien. Egal, wo wir waren, wir warteten, ü-ber-all. An jedem Kaffeehaus standen Schlangen von Verrückten in der Kälte und warteten auf Einlass, sodass wir schlussendlich zu Starbucks gingen, was Roman erst grundsätzlich ablehnte, ich aber großartig fand. Und auch er musste zugeben, dass es gemütlich und der Kaffee lecker war. Ich glaube, er fand aber vor allem den Glatzkopf geil, der mit einer Frau auch in der Runde saß und dessen ohne Schuhe auf dem Sessel ruhende Füße Roman geil fand. Ganz sicher bin ich mir da aber nicht. Wir unterhielten uns jedenfalls gut mit ihm und seiner Begleitung.

Alle lieben Tibor, alle. Von großen Männern bis zu kleinen Kindern, die ja sonst gern mal schreckhaft sind, vor allem bei einem so großen Hund. Tibor hat meiner Erinnerung nach in den ganzen Tagen, in denen ich bei Roman war, kein einziges Mal gebellt, und man sieht und hört ihn nie. Mit einer unbeschreiblichen Gemütsruhe lief er mit, wohin wir auch gingen, legte sich bereitwillig unter den Tisch oder in die Ecke, und nur selten, wenn eine Hündin in der Nähe war oder er spielen wollte, fiepte er fast unhörbar. Selbst in den Menschenmassen am Graben oder in anderen Einkaufsstraßen, die in diesen Tagen mit Menschen förmlich vollgestopft waren, lief er kommentarlos bei Fuß und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Ganz im Gegensatz zu so manchem Typen, an dessen herunterhängender Hand Tibor mit seiner Schnauze entlangfuhr, der dann seine Hand erschrocken wegzog.
Ich liebte diesen Hund, und er begann am dritten Tag, an mir hochzuspringen, wenn ich in Romans Wohnung kam. Wir wollen bald heiraten.

Der Dialekt der Wiener ist übrigens putzig. Ich kann ihn noch nicht so einfach nachplappern, weil mir die Lautverschiebungen so fremd vorkommen, aber ein paar kurze Sätze bekomm ich schon hin.

Nach diesem Rundgang durch die Wiener Innenstadt fuhren wir in Romans Range Rover zu ihm nach Hause, und in meiner Erinnerung versank ich sofort in der unfassbar bequemen Couch in seinem Wohnzimmer. Er hatte sie vor vielen Jahren beim Museum of Modern Art in Manhattan gekauft; sie muss damals ein Scheißgeld gekostet haben. Eine recht niedrige beige Eckcouch mit angedeuteten Sitzaushöhlungen, aus der man schlecht aufstehen, in der man aber unbeschreiblich bequem sitzen und liegen konnte. Nach dem langen Tag in der Kälte versank ich in dieser Couch und konnte mich später nur schwer aufraffen, noch die paar Schritte ins Bett hinter mich zu bringen.


Sonntag, 30.12.

Wir schliefen bis ca. 9 Uhr, unvertretbar lang für meine Verhältnisse. Normalerweise bin ich, wenn ich ausschlafen kann, eine Stunde nach Standardweckzeit wach. Das ist bei mir 7:45 Uhr, und meine innere Uhr geht ziemlich genau.

Vor einer Weile hatte ich über Gayromeo mit einem Österreicher namens Gernot geredet, der zufälligerweise Demoszener war, allerdings bislang, ohne davon zu wissen. Er beschäftigte sich in seiner Doktorarbeit mit Computergrafik und kannte auch Breakpoint und die ganzen Sachen, war aber nie Teil der Demoszene gewesen. Das galt es zu ändern, dachte ich mir, und es stellte sich heraus, dass er über Silvester auch in Wien sein würde. Wir hatten also Telefonnummern getauscht und verabredet, wir würden uns mal treffen.

Da dieses Treffen am Samstag nicht geklappt hatte, luden Roman und ich ihn zum Frühstück ein. Roman hätte mich vermutlich auch Satan persönlich einladen lassen, aber ein wirklich schlechtes Gewissen bekam ich, als Gernot auftauchte, wir uns auf Anhieb super verstanden und auf der Couch Demokrempel bekakelten, während Roman ein großspuriges Frühstück auftischte.

Wir unterhielten uns super bis in den Nachmittag hinein, und als klar war, dass man mich nicht einfach in der Wohnung versauern lassen dürfte, luden wir Gernot und Tibor ins Auto und fuhren zum Spazieren. Gernot und ich spazierten eine Stunde lang mit und begaben uns dann wieder in die Innenstadt, während Roman zwei weitere Stunden mit Tibor spazieren ging. Geplant war eigentlich, dass wir uns dann in Ruhe hinsetzen und über Computerkrempel quatschen könnten, ohne damit Roman auf die Nerven zu gehen, aber dazu kam es nicht. Gernot wird behaupten, es war meine Schuld, aber in Wahrheit hat er alles verbockt. Als ich ihm nämlich in der Straßenbahn sagte, ich könnte in absehbarer Zeit mal wieder was essen, meinte er, viel zu früh an einem Flakturm aussteigen und den Rest der Strecke laufen zu müssen, in der Dreckskälte bei leichtem Schneefall. Und als wäre das noch nicht schlimm genug, wollte er mich in eine düstere, kleine, fast leere Pizzeria zerren, als spielte ich beim Hören von Laith Al-Deen nicht sowieso hin und wieder mit dem Gedanken mich umzubringen.

Diese Österreicher, ehrlich. :)

Ich bot allerlei Kulinarisches an, und Gernot ließ sich zu guter Letzt von meinen steten Bitten nach einer Bratwurst erweichen. Es war gar nicht so leicht, einen offenen Stand zu finden. Wir gingen schlussendlich am Schwedenplatz zu einer Bude, die wohl auch von irgendeiner Ostblockminderheit betrieben wurde. Immer witzig, wenn die dann Lokaldialekt sprechen. Dort empfahl mir Gernot einen Käsekrainer, und als Tourist folgte seiner Empfehlung. Er selbst entschied sich für einen Käsleberkäs. Glaube ich jedenfalls. Ich kann mir nie merken, ob das Ding so hieß oder "Leberkäsleber". Ich hab vergessen, wie das Wort losgeht. Dabei ist es einfach Leberkäse, in den man zusätzlich Käse gepackt hat. Käsleberkäs halt.

Besonders geil fand ich am Käsekrainer, den ich als "Hotdog" nahm, dass man als Brötchen nicht einfach ein zu weiches Baguettebrötchen genommen und das aufgeschnitten hatte. Nein nein, das Ding hatte eine Höhle für die Wurst, die man mit einer Art Brötchendildo reingelötet hatte. Ich nahm das Gerät mit Senf, und der Typ spritzte ordentlich davon rein und ließ den Käsekrainer dann einfach hineingleiten. Ich war begeistert: keine versauten Hände mehr, einfach reinbeißen und gut.

Ich bestaunte die Brötchen-Wurst-Kombination also eine Weile, biss dann in den Käsekrainer und erlangte augenblicklich die Erleuchtung. Meine Zähne durchbrachen den widerspenstigen Mantel aus Kunstdarm, und Wurst und Käsestückchen wurden wahllos auf meine Geschmacksnerven geschossen, platzten beim Aufprall und tapezierten meinen Mund mit Geil. Der Geschmack von heißem Käse rundete das würzige Fleisch zu einem vollkommenen Erlebnis ab. Die Palmen säumten den weißen feinen Sandstrand und bogen sich leicht im lauen Karibikwind hin und her. Das kristallklare hellblaue Wasser schwappte hauchzart auf den Sand und zog sich vorsichtig wieder zurück. Freundliche Bratwürste mit Baströckchen tanzten ausgelassen zwischen den Sanddünen. Ich musste gestorben und im Himmel angelangt sein.

Als ich das Bewusstsein zurückerlangt hatte, spazierten wir weiter in Richtung Stephansdom, und als wir endlich im Café Prückel ankamen, wohin wir von Anfang an wollten, weil's dort kostenlos WLAN gibt, war Roman schon dort, sichtlich überrascht, dass wir so lang gebraucht hatten. Lang?!? Ich hätte schwören können, zwei Wochen in der Karibik Urlaub gemacht zu haben! Jedenfalls blieben nicht lang im Café, weil mal wieder kein Platz frei war. Selbst in diesem riesigen Café war kein freier Tisch zu bekommen, und in Wien ziemt es sich wohl nicht, sich zu Leuten an den Tisch zu setzen, auch wenn Platz ist. Eine Unart, wie ich meine, aber wenn es die Wiener Kaffeehauskultur so gebietet, beuge ich mich dem Edikt.

Zusammen liefen wir also woanders hin zum Käffchentrinken, und zwar zum Café Heiner, um dort Romans Großcousine Michaela zu treffen, die er als Nichte bezeichnet, was sie aber nicht ist. Aber "Nichte" sagt sich leichter als "Großcousine", und am Schluss ist auch völlig wurscht, wie die rechtliche Beziehung zueinander ist. Michaela kam mit ihrem Mann Jürgen und einem Freund Andreas im Gepäck, und später kam noch ein Tommy dazu. Ich glaube, ich unterhielt an diesem Nachmittag die ganze Runde, aber ich weiß nicht, ob sie meine Geschichten interessant fanden oder fasziniert waren, wie viel Stuss ein einziger Deutscher in dieser kurzen Zeit schwafeln kann. Roman war jedenfalls begeistert, das Käffchen dort war sehr gut, und ich hatte richtig Spaß. Ich glaube außerdem, den anderen ging das auch so.

In Wien darf man übrigens nicht den Fehler machen, einfach Kaffee zu bestellen. Die Stadt rühmt sich ja mit ihrem Kaffee, aber man findet nirgendwo einfach "Kaffee" auf der Karte. Einspänner, Zweispääner, Kaffee Verkehrt, Fiaker, Melange, Café Latte, Häferl etc. Gibt's alles, und man kann sich offenbar auch nicht auf Namen einigen. Im einen Laden eine große Melange (Kaffee mit Milch), im anderen ein Häferl (bayrisch: "Haferl"), woanders wieder ein Café Latte, und natürlich lachen Eingeborene auch ständig, wenn man das falsche gewählt oder es falsch ausgesprochen hat. Mit "Käffchen" hab ich's gar nicht erst versucht.

Der nächste Programmpunkt, auf den ich mich besonders freute, war ein Wiener Schnitzel im "Goldenen Spiegel". Das ist eine schwule Stricherkneipe am Naschmarkt. Roman und die ganze Bande hatten gesagt, man könne da gut essen, und meine Neugier treibt mich ja sowieso in solche Buden. Entgegen meiner Erwartung war die Kneipe überhaupt nicht schmierig oder dreckig, sondern sehr atmosphärisch. Als Tapete ein Grauschwarzdruck nackter Kerle in Endlosreihe, golden umrahmte Bilder von Kaisern, Sissi und allerlei bärtigen Großherzogen an den Wänden, urige Tische und Stühle, schummriges gemütliches Licht und überall Dekokrempel.

Wir setzten uns an einen Tisch, und bald kamen Gernots Schwester Barbara mit Freund Markus und noch zwei Freundinnen (Vera und Isy) dazu. Ein spaßiger Abend verging in diesem Stricherlokal, und zu guter Letzt tauschten Gernot und ich dann doch noch die paar Daten, die wir uns den ganzen Tag hatten vornehmen wollen. Tibor lag die ganze Zeit beim Tisch und war wie unsichtbar.

Das Schnitzel war wirklich großartig, aber entgegen Romans Ankündigung, es sei deutlich besser als das in Andy[Apostoph]s Krablergarten in München, konnte ich genau das nicht feststellen. Es war aber so oder so sehr lecker, und ich staunte nicht schlecht, als im gemischten Salat auch Kartoffeln waren. Bei sowas würde man in Deutschland ziemlich doof dreinglotzen.


Montag, 31.12.

Brunch im Café Prückel. Dieses Mal endlich Platz bekommen. Wiener Frühstück für 6,90 Euro: mittelgroßer Milchkaffee, ein Ei, ein winziges Töpfchen Marillenmarmelade, zwei Kaisersemmeln, ein Päckchen Butter. Ich staunte nicht schlecht ob dieser unverschämt teuren Überschaubarkeit. Glücklicherweise hatte Roman dieses Phänomen vorausgesagt und ein "erweitertes" Wiener Frühstück bestellt: 8,50 Euro oder so, und dazu gab's dann zwei Scheiben Mortadella und zwei Scheiben Käse. Man überschlug sich also in der Küche. Das machte man aber auch im ganzen Laden. Die Kellner trugen alle schwarze Anzüge, die meist schlecht saßen und sie ziemlich debil aussehen ließen. Es verzog auch kaum einer eine Miene, und wir mussten erst einen in ein Gespräch über die Chefin des Lokals verwickeln, dass sie nicht so streng mit sich und allen anderen umgehen, sondern sich auch mal zu uns an den Tisch setzen sollte, damit er einmal lächelte. [Achtung: Jetzt kommt die Hitlerstimme] Zucht und Ordnung in Wien, jawohl, ich will schließlich das totale Frühstück. Der Laden wirkte übrigens mit seinen goldbraunen Sitzmöbeln mit den grünen Webbezügen ziemlich ommig. Stilvoll und gediegen, aber halt etwas altmodisch.

Gernot kam dazu, und wir schlappten wieder los. Noch einmal zu Meinl, weil ich noch mehr Kaffee brauchte. Das Pfund Espresso Spezial reichte mir noch nicht. Was, wenn der Kaffee wirklich so gut wäre und ich dann zu Hause eine andere der zwanzig Sorten trinken müsste, die dort schon jetzt lagen und die mich auch schon alle feucht im Schritt gemacht hatten?!? Undenkbar! Ich brauchte noch drei andere Sorten, kaufte von denen aber jeweils nur ein halbes Pfund für je 7,50 Euro. Die Welt lachte wieder.

Wieder Café gesucht, wieder überall angestanden, und einen Tisch im Café Central bekamen wir auch nur, weil Roman zwei Italiener verjagte, die plötzlich am Tisch standen und meinten, sie dürften sich setzen. Aber wir hatten die Bedienung gefragt, ob wir uns dort setzen dürften, und die hatte das bejaht. Und außerdem sah sie aus wie eine der Jakob Sisters. Das ist keine Übertreibung. Wir hatten also glasklar das bessere Argument.

Nach diesem Intermezzo trennten wir uns wieder. Roman brachte Kaffee und Tibor nach Hause, um noch zu arbeiten, und Gernot und ich nahmen die U-Bahn zum Gasometer, wo er derzeit bei einem Freund wohnte, damit wir uns wieder in einem Café hinsetzen und unterhalten konnten.
Aber auch aus dieser Unterhaltung wurde nur begrenzt etwas, weil Gernots Vater überraschend vorbeikam. Sehr netter Mann, und es war ein angenehmes Beisammensein, aber über Demos war da einfach schlecht zu sprechen. Zum Schluss taten wir aber auch das noch. Ich hatte tierisch Bock, mal wieder Musik für ein Demo zu machen.

Ich fuhr später zu Romans Wohnung zurück, und nachdem er und ich ein kleines Missverständnis geklärt hatten, das mit Gernots und meiner aufdringlichen Computerafferei zu tun hatte, machten er und ich uns zum Silvesterabendessen im "Entler" auf. Dort trafen wir drei Freunde: ein Pärchen namens Hannes und Werner und Hannes' langjährige Freundin Renate. Der Laden war pikfein und sehr modern, hatte cremeweiße Wände und Gewölbedecken. Es war sehr stilvoll aber schlicht dekoriert mit Birkenästen und roten Lampions, silbernen Christbaumkugeln und dezenter Beleuchtung. Ein Sechs-Gänge-Menü wartete auf uns, das ich euch nicht vorenthalten möchte. Ich hatte das Rindviech, und jeder Gang davon war eine Offenbarung. Wirklich jeder, auch das Champagnercremesorbet. Hier ist also das

Silvestermenü

Zur Begrüßung ein Glas Prosecco

Trilogie vom Thunfisch


Leichte Schwarzwurzelschaumsuppe mit Flan von der Entenleber und schwarzen Nüssen

Wachtelbrüstchen im Karottenmantel mit Gänseleberfülle und Keule mit Dattel-Limonenkonfit auf cremiger Polenta

Champagnercremesorbet

Wolfsbarschfilet an Seeigel-Beurre-Blanc mit grünen Bohnen, Trüffeln und Koriander
oder
Crêpinette vom Angusrinderfilet mit Barolo-Pfeffersauce, jungen Lauchzwiebeln und gebratenem Semmel-Trüffelknödel

Schokoladenmousse mit Cashewnüssen auf Ananascarpaccio, Schokoladen-Chilieis und Rumschaum

Die Jungs hatten für mich als Überraschung einen Hubschrauberrundflug um Mitternacht über Wien gebucht, aber wir kamen nicht dazu, weil das Dessert zu lang auf sich warten ließ und mir keiner was sagte, sodass ich nicht aufs Gas drückte. Ich hätte das noch locker zurechtgeschoben, auch wenn das bedeutet hätte, dass wir zwischendurch gehen und fürs Dessert zurückkommen. So saßen wir aber einfach da und aßen weiter, als alle anderen zum Walzertanzen aufsprangen.

Roman und ich verabschiedeten uns nach Abschluss von den dreien und fuhren zum "Flex", einer Disco mit mehreren externen Bars direkt am Donaukanal. Dort wollten wir dann Gernot und seine Bande wieder treffen, die dort wegen der Elektromusik hinwollten. Roman war erst unsicher gewesen, ob er mitwollte, kam dann aber doch mit. Schon vor den Treppen zum Donaukanalufer stießen wir auf etwas, das ich so krass noch nie gesehen hatte. Es standen dort viele Schwarze, die Drogen verkauften. Und ich meine nicht einfach "verkaufen". Sie drängten sie uns förmlich auf. Einer lief uns auf dem Rückweg bis zum Straßenrand nach, trotz mehrerer "Nein"s. Ich fand unglaublich, dass die Wiener Polizei bei jeder Geschwindigkeitsübertretung und bei jedem Falschparken hart durchgreift, dass es aber so einen krassen Drogenumschlagplatz geben kann, von dem auch jeder weiß.

Roman und ich fanden den Eingang zum Flex-Club erst nicht. Wir standen erst in einer total heruntergekommenen "Flex Spelunke", einer Hardrockkneipe mit entsprechendem Publikum. Dann gingen wir rüber in die Flex-Bar, was aber -- wie wir später herausfanden -- auch nicht der Club war. Ich wunderte mich schon, dass wir keinen Eintritt zahlen mussten, wie Gernot gesagt hatte. Aber dort lief ziemlich coole minimale Housemusik, und Bier ist Bier, auch dort.

Als Gernot schließlich auftauchte, war die Schlange vor dem richtigen Club so lang (Überraschung), dass wir uns entschlossen, statt dessen ins "Planetarium" zu fahren, das zufälligerweise wenige Minuten Fußweg von Romans Wohnung entfernt lag. 15 Euro Eintritt, und das war schon der von Isy heruntergehandelte Preis. Standardpreis: 18 Euro. Der Laden war tatsächlich ein Planetarium, und dort lief im Hauptbereich wieder die Sorte Minimalhouse, die wir schon in der Flex-Bar gehabt hatten. Nur teurer. Und auch wieder knallvoll, und natürlich standen wir auch dort eine Weile an.

Alle fanden's geil, bis auf mich. Ich stand eine Weile doof daneben und hatte nicht so richtig Bock zu tanzen, weil mir die Musik nicht wirklich zusagte. Es kamen alle der Reihe nach immer wieder und forderten mich auf mitzutanzen, und irgendwann war ich kurz davor, einfach zu gehen, weil's mir auf den Zeiger ging. Aber ich gesellte mich irgendwann doch noch dazu und gab ein paar Arschwackler zum Besten.

Schließlich waren Roman und ich dann um 6 Uhr im Bett, geschafft von Tag und Nacht. Keine schlechte Bilanz, wenn man bedenkt, dass wir erst nicht wussten, ob wir noch ins Flex wollten.


Dienstag, 01.01.

Wir standen erst nach Mittag auf, halb eins oder so. Und wir blieben zu Hause bis abends gegen 20 Uhr. Den ganzen Tag unterhielten wir uns sehr gut, tranken Kaffee und Tee, und erst abends gingen wir ein bisschen vor die Tür, um mit Tibor spazieren zu gehen. Noch ein Käsekrainer in der Innenstadt, der mich aber nicht so beeindruckte wie der erste, und am Ende ein Käffchen im Café Berg, in dem die Atmosphäre toll war und wir und Tibor ausgezeichnet bedient wurden. Ein toller Abschluss meines Wien-Aufenthaltes!


Mittwoch, 02.01.

Aufstehen um 5:00 Uhr, nach etwa drei Stunden schlechten Schlafes. Flug um 7:20 Uhr. So war's geplant. Roman brachte mich zum Flughafen, und ich stellte mich dann bei Austrian Airlines in die Schlange (Überraschung). Aber meine Flüge verspäten sich immer. Der Grund dieses Mal war, dass das Flugzeug vereist war und erst einmal vom Eis befreit werden musste. Das fiel den Heinis natürlich erst auf, als schon alle im Flugzeug saßen; und der ganze Prozess dauerte eine geschlagene Stunde. Ich hatte an diesem Tag noch frei, sodass es kein Problem war. Aber ich wundere mich manchmal, wie schlecht so manches geplant ist.

Und wie immer gab es auch dieses Mal die behämmerte Drängelei vor dem Aussteigen. Kaum ist man gelandet, reißen die meisten ja wie im Wahn die Sitzgurte auf, schnellen hoch und stellen sich möglichst schnell in Reihe, damit sie die ersten sind, die raus können. Dass die meisten am Ende dann doch wieder am Gepäckband stehen und auf ihren Mist warten, spielt dabei überhaupt keine Rolle.

Und natürlich gab es auch dieses Mal das behämmerte und besonders für Frauen typische Heranfahren mit der Gepäckkarre bis zum Gepäckband, sodass sie für andere und sich selbst den Weg versperren. Ich frage mich manchmal, ob nicht irgendwann der Punkt erreicht sein könnte, an dem auch der letzte Idiot begriffen hat, dass sowas asozial und vor allem auch noch für einen selbst kontraproduktiv ist, aber vermutlich ist die Angst, die vorbeirasenden Gepäckstücke nicht schnell genug vom Band wuchten zu können, so groß, dass Vernunft keine Rolle mehr spielt.

In Düsseldorf schien die Sonne; es war ein wunderschöner Tag. Nur architektonisch fuhr der Bus zufällig nur an Häusern vorbei, die sogar mir als für Architektur kaum Interessiertem die Tränen herunterfließen ließen. In so mancher deutscher Stadt haben sich Gestalter vergangen, sag ich euch.

Den Rest des Tages brachte ich mit Hausarbeit zu: Wäsche waschen, aufräumen, abwaschen, telefonieren und chatten. Was man halt so zu Hause macht.

Ein tolles Silvester war das. Ganz ganz großartig. Ehrlich, auch wenn das hier manchmal wie eine einzige Beschwerde klingt. Ich kann ja schlecht schreiben: "War alles toll." Dann ist der Artikel in wenigen Sätzen erledigt. Das geht ja nicht.

Und ich bin stolz, sagen zu können, dass mir Silvester toll gefallen hat, auch weil ich Roman, als er mir sagte, wir würden den Silvesterabend mit drei Freunden verbringen, davon erzählte, was für ein Kacksilvester ich vor einem Jahr erlebt hätte, und ankündigte, sofort zu gehen, wenn "deine Freunde Arschlöcher" sind. :)

War alles toll. Hannes, Werner, Renate: Ihr wart sehr unterhaltsam! I love you all, I love you all! Und Roman: Hab vielen lieben Dank für alles!

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