Donnerstag, Dezember 27, 2007

Mein 2007

Wenn mich Freunde und Bekannte fragen, wie es mir so geht, sage ich eigentlich immer das Gleiche: "Ganz gut." Wenn ich merke, dass sie das nicht zufrieden stellt, kommt noch ein: "Es hat sich viel getan, und doch ist irgendwie alles gleich geblieben." Das ist natürlich auch nur eine Phrase, aber immerhin kommt es mir wirklich so vor. Vermutlich stimmt das auch wirklich. Ich bin einfach nicht gut darin, Protokolle zu erstellen. Es passieren so viele Dinge, dass ich völlig verloren wäre, spontan eine repräsentative Auswahl zu treffen und unterhaltsam davon zu erzählen. Dazu kommt, dass ich bei vielen nicht wirklich weiß, welche Dinge sie schon mitbekommen haben.

Deshalb kommt jetzt mein Bericht von 2007, damit niemand sagen kann, er wüsste von nix.

Auch in 2007 hat sich viel getan. Schmerz und Freude hatten ihre Plätze darin, mir sind ein paar Erkenntnisse gekommen, für die ich sehr dankbar bin, und auch dieses Jahr hat eine Reihe neuer Bekannter und Freunde gebracht.

Das Jahr begann mit der schlimmsten Silvesterfeier meines Lebens. Mein damaliger Partner Uwe und ich waren bei einem seiner Bekannten in Berlin, und der und zwei andere taten alles, um die neun Stunden bis 3:30 Uhr zur schlimmsten Zeit neben meinen Marburg-Jahren werden zu lassen. Eine derart schreckliche Atmosphäre habe ich kein zweites Mal in Erinnerung; das waren Stunden, die mich um mindestens ein Jahrzehnt altern ließen. Zukünftig, das verspreche ich, werde ich gehen, wenn's mir reicht. Damals hatte ich das nicht getan, weil ich meinem Partner einen Gefallen tun wollte. Zu allem Überfluss erfuhr ich später, ich hätte nur was sagen sollen; dann wäre er mit mir gegangen. Kommt zukünftig, verlasst euch drauf.

Schon ein paar Tage vor 2007 hatte ich Arcor geschrieben, dass ich meinen DSL-Vertrag mit ihnen kündigen wollte, und hatte vertragsgemäß als Kündigungszeitpunkt Ende März angegeben. Drei Monate Vorlaufzeit sollten reichen, um den Übergang reibungslos zu gestalten, dachte ich. Ich irrte mich gewaltig, wie ich später herausfinden sollte.

Am 3. Januar besuchte ich mit Dirk die in Neuss stattfindende Show von Cirque du Soleil. Die war wie erwartet wunderschön, auch wenn mich die "Alegría"-Show, die ich im Herbst 2004 in Toronto gesehen hatte, deutlich mehr bewegt hatte. So ist das wohl mit dem ersten Mal. Aber diese Mischung aus Musik, Tanz, Farben und Formen war atemberaubend; das kann ich nicht anders sagen.

Damals besuchten Uwe und ich einander fast jedes Wochenende, mal er mich, mal ich ihn, und meine Zugfahrten nach Berlin zu Uwe und zurück dauerten ja immer etwa vier Stunden. Ich sah mir damals viele amerikanische Fernsehserien an und überlegte immer wieder, auf welchem Gerät ich die wohl am besten im Zug sehen könnte, dessen Akku lang genug hält. Ende Januar entschied ich mich dann auf Pauls Tipp hin für die Playstation Portable, und die war nicht nur wunderbar klein und passte in jede Tasche, sondern brachte mich entgegen meiner Erwartung sogar wieder zum Spielen. Ein tolles Gerät, an dem ich noch immer Spaß habe.

Anfang Februar stand dann wieder einmal das Tapas-Essen in gemütlicher Freunderunde in Olsberg im Sauerland an. Dirk hatte mich vor ein paar Jahren dazu eingeladen, und seitdem machen wir das jedes Jahr, auch wenn es 2008 voraussichtlich das letzte Mal stattfinden wird. Das Tapas-Essen 2007 war eine der letzten gemeinsamen Unternehmungen mit Uwe.

Karneval entging mir in diesem Jahr vollkommen; dafür sorgten eine üble Erkältung und Bronchieninfektion mit 40° Fieber. Uwe kümmerte sich rührend um mich, und ich weiß nicht, was ich ohne ihn getan hätte. Auf Karneval hatte ich keine Lust gehabt, aber gegen diese Krankheit war Karneval nicht so verkehrt. Ich erinnere mich noch an einen objektiv kurzen aber extrem unangenehmen Weg zur Apotheke um die Ecke, auf dem ich überlegte, meine Bronchien wegen der kalten Atemluft auf den Bordstein zu kotzen. Im ersten Halbjahr 2007 war ich für meine Verhältnisse extrem oft krank. Allein bis Mai hatte ich vier respektable Erkältungen gehabt, drei davon mit Antibiotika bekämpft. Dazu kamen zwei oder drei Anfälle von Brechdurchfall übers ganze Jahr verteilt. Im zweiten Halbjahr war's glücklicherweise nicht mehr so derb.

Anfang des Jahres machte ich mit Michael, einem Freund von mir, den ich 2006 an Karneval im Nähkörbchen kennen gelernt hatte, eine Reihe von Job-Coaching-Sessions, weil klar war, dass sich beruflich etwas verändern wollte, ich nur nicht wusste was und in welche Richtung. So formten wir in drei Sitzungen nach und nach einen Plan, und zum ersten Mal in meinem Leben wurde mir bewusst, was ich wirklich gern machen würde. Mir war nur nicht klar, wie ich den Wechsel angehen sollte, und die Ideen formten sich erst über die folgenden Monate.

Nun aber zum Thema "Wechsel Internetprovider". Mein schon lang schwelender Hass gegen meinen Bislang-Provider Arcor staute sich Ende März zu einem neuen Höhepunkt auf; denn außer dass Arcor den Anschluss zwei Tage zu früh abschaltete, passierte gar nichts. O2 hatte immer wieder mit seinen DSL-Anschlüssen geworben, und ich war mit dem Mobilanschluss sehr zufrieden, sodass ich die schon zum Jahreswechsel wegen DSL angeschrieben hatte. Passiert war rein gar nichts, und man zeigte sich auch wenig kooperativ auf meine dauernden Beschwerden, sodass ich O2 kurzerhand auch wieder kündigte und auf Pauls Tipp hin zu Alice ging. Die brauchten aber wegen der bockigen Haltung von T-Com und des zufällig genau in diese Wochen fallenden Streiks bei der Telekom natürlich auch wieder über vier Wochen. Mein Blog wurde damals von Hassberichten überflutet.

Am Osterwochenende stand wieder die Demoparty "Breakpoint" an, und bei der Moderation der scene.org awards, die diesmal deutlich lockerer und runder liefen als im Jahr davor, sollte ich meiner eigenen Blauäugigkeit auf den Leim gehen. Ich betonte nämlich noch großmäulig, wie toll mein damaliger Partner Uwe sei, mit dem ich schliefe. Das war eine Woche, bevor Uwe mit mir Schluss machte.

Er kam mich wie üblich mit dem Zug zum Wochenende besuchen. Es war Freitag, der 13. April, und ich musste noch arbeiten, war als Letzter in der Kanzlei, als er dort ankam. Ich öffnete ihm die Tür und wollte ihn in den Arm nehmen; da sah ich schon in seinen Augen, dass etwas nicht stimmte. Der Schock kam plötzlich und kraftvoll; die Trennung stand unverrückbar im Raum. Etwa 20 Minuten lang saßen wir einander gegenüber, er auf der Kante meines Schreibtisches, ich auf meinem Stuhl, und ich bekam kaum Luft. Wir redeten wieder einmal nicht wirklich miteinander. Eigentlich redete nur ich, obwohl es eigentlich nicht viel zu reden gab. Er machte Schluss, und ich konnte mir überlegen, wie ich damit umging.

Nach dem Gespräch fuhr ich ihn zu Georg, wo er übernachten wollte. Fast noch mehr als die Trennung schockierte mich, dass er nicht einmal das Wochenende mit mir verbringen wollte. Am gleichen Abend traf ich mich mit Jürgen und Markus bei Meckenstock in Haus der Freude, nachdem die beiden dort eine Vorstellung besucht hatten. Wir saßen da in größerer Runde, und ich war wegen der Trennung nicht besonders gesprächig. Aber als wir so dasaßen, erzählte ich, dass ich noch immer keinen Ort für meine Geburtstagsfeier hätte, und Michael Samm bot seine Panasonic Wellness Lounge in der Bastionstraße an. Eine tolle Idee, mit all den Massagesesseln zu feiern! Ich sah mir die Lounge am nächsten Tag an, und besser hätte es kaum passen können.

Später versuchte ich einmal, den Kontakt zu Uwe wieder herzustellen, sagte ihm, ich wollte mit ihm und Berlin meinen Frieden schließen, weil es immer wieder schmerzte, wenn jemand "Berlin" oder "Uwe" sagte. Er lehnte den Kontakt ab und verwies auf einen Freund von ihm, den ich dazu befragen sollte, vermutlich weil er befürchtete, ich könnte wieder in Tränen ausbrechen. Damit kann er nämlich nicht umgehen. So wie damals Anfang November 2006, als ich ihn nach unserer zweiwöchigen Trennungszeit zu Hause besuchte, um meine Sachen zu holen, zu weinen begann und er sich dann aus Mitleid dazu entschloss, es noch einmal mit mir zu versuchen.

Es schmerzt übrigens noch immer ein bisschen, wenn jemand Uwe erwähnt.

Ironischerweise habe ich trotz der Trennung von Uwe nach und nach Kontakt zu Georg und Benjamin aufgebaut. Georg war vor Jahren Uwes Nachbar in Ratingen gewesen. Die beiden leben nicht zusammen, sind aber schon etwa zwölf Jahre Partner, und eines warmen und sonnigen Sonntagnachmittags luden mich die beiden zu Georg zu einer Kaffee- und Kuchenrunde im Freundeskreis ein. Dort traf ich eine Reihe von Leuten, unter anderem auch Marcus, mit dem ich im folgenden halben Jahr ziemlich viel unternahm.

Wie es so meine Art ist, war ich nach der Trennung wieder viel unterwegs, so auch am Wochenende um den 1. Mai, wo ich Helmut und ein zwei Online-Bekannte (Olli und Eric) in München besuchte. Mit denen war ich in der Staatsoper, um mir Avantgarde-Ballett anzusehen, und in der Nacht zum 1. Mai gingen Olli und ich in den N.Y. Club, eine Schwulendisco. Wir gingen zu Beginn durch den Laden, um Stimmung und Leute zu prüfen, und als wir zur großen Tanzfläche kamen, tanzte gerade ein unglaublicher Mann oben ohne, bei dem mir der Mund offen stehen blieb. Das war Reinhold, wie ich noch am gleichen Abend herausfand.

Ich sprach ihn irgendwann unter großem Herzklopfen an. So ein Mann musste einen Partner haben, und Ansprechen kostet mich noch immer Überwindung, aber ich tat's trotzdem. Olli und ich waren uns nach einer Weile Beobachtung einig gewesen: Er war ohne Freund da. Aber wir hatten Unrecht; Reinhold hatte einen Freund, der auch im Club war, aber er suchte merkwürdigerweise dennoch die Nähe zu mir, lächelte unglaublich, und seine Augen verzauberten mich sofort. Olli und ich erlebten ein Kennenlernen wie im Märchen; Reinhold war unbeschreiblich. Er küsste mich irgendwann und verabschiedete sich am Ende fünfmal, am Ende sogar, als er schon die Jacke anhatte. Ich hätte für Reinhold glaube ich alles stehen und liegen lassen.

Es passierte rein gar nichts zwischen Reinhold und mir. Außer sehr intensiven Kurznachrichten noch am gleichen Morgen. Es kam nie zu einem Treffen. Er entschied sich dafür, seine Beziehung weiter zu führen, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass es ihm dort gut geht.

An diesem Wochenende traf ich außerdem Ken, einen Lederschneider, der in der Baader Straße seinen Laden hat. Er schneiderte mir Chaps, die ich mir schon in der Zeit mit Uwe holen wollte. Ken und ich verstanden einander sofort fantastisch. Wir sind in kurzer Zeit Freunde geworden, wenn man das über die Entfernung überhaupt kann.

Mit Reinhold im Kopf kehrte ich also nach Hause und zur Arbeit zurück. Zu allem Überfluss erteilte mir mein Chef wenige Tage später eine mündliche Abmahnung. Wie es dazu kam, ist weder wirklich begreiflich noch unterhaltsam, aber unterm Strich hatte er seine eigenen E-Mails nicht gelesen und war sauer, weil ich ihn wegen akuter Arbeitsbelastung nicht daran erinnert hatte. Das ist Grund für eine Abmahnung, in manchen Unternehmen.

Meine Ortspriorität für die anstehende Jobsuche hatte sich nach der Trennung von Uwe verständlicherweise von Berlin wegbewegt, und mit Reinhold im Hinterkopf war München damals eine großartige Wahl. Wie durch eine Schicksalsfügung erfuhr ich von einer offenen Stelle bei einem in München ansässigen IT-Beratungsunternehmen, und fast wäre ich für die Stelle ausgewählt worden. Dann entschied man sich aber für einen Diplominformatiker, obwohl ich ziemlich sicher bin, dass tiefgreifende IT-Fähigkeiten nicht so wichtig waren für eine Tätigkeit, die primär darauf gerichtet ist, Mitarbeiter eines Unternehmens für eine neue Internetplattform zur Durchführung medizinischer Studien zu begeistern und Workshops und Seminare zu halten.

Als klar war, dass ich den Job nicht bekommen wurde, fiel ich von einem etwa einwöchigen Adrenalintrip in ein Tief von Gleichgültigkeit. So verliefen die Wochen, und meine Arbeit machte mir großen Spaß.

Ende Mai nahm mich Kermit, mein Fitnessstudio-Trainingspartner, zu einem Abendessen zu Irith mit, die das Buffet für meinen 30. Geburtstag machen würde. Dort trafen wir dann auf Gregor, ihren neuen Untermieter. Erst unsicher, ob er überhaupt schwul war, fand ich ihn von Anfang an reizvoll, und Gregor und ich intensivierten auch eine Weile den Kontakt, gingen Rollerbladen, sahen Fernsehserien zusammen und sowas.

Dieses Jahr also mein 30. Geburtstag. Es hat mich nie gestört, dass ich jetzt die 3 vorn stehen habe. Ganz im Gegenteil; mich hatten so viele schon auf über 30 geschätzt, dass es höchste Zeit gewesen war, dass ich nicht mehr unter 30 war. Dann wirkt man auch nicht mehr ganz so jung neben einem 15 Jahre älteren Partner.

Am Tag vor meinem Geburtstag schob ich eine Welle von Melancholie und Depression vor mir her. Marcus spazierte am Sonntag, dem 3. Juni mit mir am Rhein entlang, und wir aßen in einem der kleinen Bootrestaurants, die dort dauerhaft angelegt hatten. Da saß ich und beobachtete den Sonnenuntergang auf dem Rhein. Mir ging Vieles durch den Kopf. Wie unwohl ich mich in meinem Job fühlte, dass ich wieder Single war, dass ich mit meiner Zeit nichts angefangen, dass ich es zu nichts gebracht hatte, dass sich niemand wirklich dafür interessierte, ob ich lebte. Mir liefen Tränen die Wangen hinunter, und Marcus saß völlig hilflos da.

Meine Eltern hatten mich zum Geburtstag zum Essen eingeladen, aber ich konnte darauf verzichten, mir die üblichen auswändig gelernten Weisheiten anzuhören, die vor allem von meiner Mutter immer kommen, auch wenn sie mit der konkreten Situation nichts zu tun haben und niemandem helfen. Ganz sicher wollte ich meine Phase der Selbstzweifel nicht mit meinen Eltern feiern. So sagte ich das Essen kurzfristig ab, schrieb in der E-Mail, es gäbe für mich nichts zu feiern, und ich wolle allein sein.

Am 16. Juni kam dann meine Geburtstagsparty. Das Tief hatte ich überwunden, und es war toll, nach der ganzen Anstrengung alle Freunde wieder zu sehen. Als Motto wählte ich "Zu geil für diese Welt". Ich hätte gern die beste Party meines Lebens wiederholt, eine Klamottentauschparty. Davon sah ich aber ab, weil Jürgen, Markus und die beiden Wuppertaler sich zierten und sagten, sie fänden so eine Party nicht gut und kämen bei diesem Motto nicht.

So feierten wir also in der Panasonic Wellness Lounge. Es war eine schöne Feier, und neben den vielen anderen schönen Geschenken hatte eine Gruppe Geld zusammen gelegt und mir eine Wii besorgt. Ich hatte den Spaß am Spielen wiederentdeckt; da kam mir das gerade recht.

Um das aber deutlich zu sagen: Im nächsten Jahr kommt wieder eine Klamottentauschparty, weil es das spaßigste Motto ist, das ich je erlebt habe. Und wer wegen des Mottos nicht kommen möchte, darf sich eine andere Beschäftigung suchen.

Ende Juni war es auch wieder an der Zeit, einen HIV-Test zu machen. Der letzte lag schon etwa eineinhalb Jahre zurück, und nach einer solchen Zeit mache ich mir gern auch dann Gedanken darüber, wenn im Grunde nichts Kritisches passiert ist. Glücklicherweise war das Ergebnis negativ, und es ist gut zu wissen, dass die medizinischen Laboratorien auf der Nordstraße in Düsseldorf Tests anonym und sehr kurzfristig (am einen Tag den Test gemacht, am nächsten das Ergebnis) durchführen. Der Test war sogar so anonym, dass es Gregor auf meine Bitte hin gelang, das Ergebnis abzuholen. Die Rezeptionsdamen guckten wohl etwas doof, weil sie mich anders in Erinnerung hatten, nannten ihm aber das Ergebnis, sogar ohne dass er das Kennwort sagte. Mein Pseudonym "Wilhelm Bucks" zu nennen, war ihnen offenbar genug. Ich kam auf diesen Namen, weil ich bei Starbucks als Vornamen immer "Wilhelm" angebe, wenn man mich fragt. Es musste schnell gehen beim Aussuchen des Pseudonyms; da hab ich halt diese Brücke geschlagen.

Am Ende Juni zog Mahalia bei mir ein. Völlig überraschend und sehr kurzfristig hatte sie die Zusage für einen Fachanwaltslehrgang in Düsseldorf bekommen, und als sie mich anrief, um mir das mitzuteilen, sagte ich ungefragt, natürlich könnte sie bei mir wohnen. Ich hatte nicht den geringsten Zweifel, dass wir miteinander klar kommen würden, war aber gleichzeitig nicht sicher, ob ich überhaupt WG-fähig war. Über zehn Jahre Alleinwohnen hätten mich gut versauen können, und Petra hatte mir früher schon oft gesagt, ich sei genauso rücksichtslos, wie ich es ihr damals vorwarf. Damals waren Wörter wie "egoistisches Arschloch" gefallen, aber so war das wohl nicht gemeint gewesen. Jedenfalls war ich unsicher, ob ich mir beknackte Marotten angewöhnt hatte.

Aber Mahalia und ich verstanden uns prächtig, von Anfang an. Auf den 35 m² haben wir uns nie auf die Füße getreten, im Grunde nie Engpässe im Badezimmer oder in der Küche gehabt, haben immer viel miteinander gelacht und noch nie gestritten oder wirkliche Meinungsverschiedenheiten gehabt. Sie scheint die Gemeinsamkeit genauso zu genießen wie ich, und ich bin seit ihrem Einzug ausgeglichener als jemals zuvor. Mir wurde irgendwann klar, wie schlecht ich als Alleinwohner aufgehoben bin.

Ende Juli erkundigte ich mich wegen der anstehenden Demoparty "Buenzli" in Winterthur nach Flügen und schaute mich online nach Leuten in Zürich um, bei denen ich übernachten könnte, wenn ich hinflöge. Ich hatte Andry schon jahrelang erzählt, ich wolle zur Buenzli kommen, hatte es dann aber nie gemacht. Dieses Jahr sollte es anders werden. So traf ich auf Gayromeo über meine Zürich-Suche Philippe, mit dem ich in der Folgezeit viel Kontakt hatte und den ich zweimal in Zürich besuchte. Die Stadt gefiel mir auch gut, sodass damals (wie vorhersehbar) auch meine Jobsuche dorthin ging. Aber auch unabhängig von Philippe war ich fast nie an Wochenenden zu Hause, sodass Mahalia und ich voneinander kaum etwas hatten.

Ende Juli ereignete sich noch eine Kleinigkeit, die ich erst nicht so richtig glauben wollte. Als ich mir einen halben Tag frei nehmen wollte, weil Poti und Kerstin in Köln heirateten und ich Fotos machen wollte, konfrontierte mich mein Chef mit einem weiteren Spruch aus seiner "Lieben einen guten Freund verlieren als eine gute Pointe"-Repertoire: "Sie sind ja freier Mitarbeiter, aber wir haben wohl etwas unterschiedliche Ansichten von freier Mitarbeit. Ich lege den Schwerpunkt eher auf Mitarbeit, Sie eher auf frei."

So wie München in Sachen Jobsuche nichts ergeben hatte, entwickelte sich dann auch Zürich, und es kam eine Phase, in der ich völlig lust- und kraftlos vor mich hin arbeitete, montags bis freitags ins Büro fuhr und meine Freizeit so gut wie möglich nutzte, um mir das Gefühl zu nehmen, dass ich mein Leben nutzlos in der Kanzlei absaß.

Kurz nach Evoke hatte ich dann meinen ersten Fernsehauftritt: Bei "GIGA Games" war ich Interviewpartner in der "Maxx"-Ecke und erzählte von der Demoszene, Digitale Kultur e.V. und der Evoke. Das machte einen unglaublichen Spaß, und ich machte für meinen ersten Fernsehauftritt eine ziemlich gute Figur, fand ich. Ich würde so etwas gern öfter machen.

Mahalia hatte schon fast von Anfang an neben dem Austauschkühlschrank geschlafen, der als Austauschgerät für meinen defekten Kühlschrank in der Küche dankenswerterweise unsere Lebensmittel kühlte, aber auch nachts einen erheblichen Krach machte. Als wäre die Gewöhnung an diesen Krach nicht schon genug gewesen, wurde meine Küche sehr bald komplett renoviert. Das bedeutete eine Woche Chaos, in der das gesamte Zeug aus der Küche in der ohnehin kleinen Wohnung verteilt wurde. Wir kamen aber mit dem Chaos erstaunlich gut klar.

Einer der großen Lichtblicke in diesem Jahr war mein Sommerurlaub. Ich könnte eigentlich auch einfach "Urlaub" sagen, weil ich in diesem Jahr -– jedenfalls zusammen hängend –- nur den einen gemacht habe. Andererseits war es in den USA, in die ich flog, so warm und sommerlich, und der Sommer in Deutschland war nach dem Knallsonneapril so bescheiden gewesen, dass ich gern betone, dass ich tatsächlich Sommer hatte. Sommerurlaub also.

Ich flog Tim und Gary wieder besuchen. Die Planung hatten wir in Angriff genommen, nachdem Uwe von der Bühne verschwunden war. Allein zu reisen, war eine Superidee, und ich erinnerte mich noch daran, wie nervig es vor vier Jahren gewesen war, den ewig quengelnden Ha-Jo dabei zu haben.

Und die fast drei Wochen Urlaub waren tatsächlich unbeschreiblich. Tim und Gary waren wie immer wundervolle Gastgeber, und ich erlebte so viele tolle Dinge. Das mit Abstand eindrücklichste Erlebnis war Terry, den ich in meinem Urlaubsbericht ausführlich beschrieben habe. Den vermisse ich noch immer, würde sofort auswandern, wenn mir jemand einen guten Job in Kalifornien anböte. Ich würde den Sprung ins kalte Wasser machen, weil ich fühle, dass das etwas ist, das ich irgendwann tun muss.

Nach dem Urlaub gewöhnte ich mich recht einfach und schnell wieder an den Arbeitsalltag und die niedrigen Temperaturen. Ich hatte den Sommer noch immer im Herzen, und obwohl mein Körper sich sofort an die Zeitverschiebung gewöhnt hatte, schien er darunter zu leiden, weil mich direkt am zweiten Arbeitstag eine Brechdurchfallattacke heimsuchte. Am direkt anschließenden Wochenende erholte ich mich aber wieder, sodass glücklicherweise keine Arbeitszeit darunter leiden musste.
Mahalia war damals noch im Fachanwaltslehrgang und auf Jobsuche und brachte mir irgendwann ein Stellenangebot einer Datenschutzrechtsbude in Düsseldorf mit, die einen IT- und Datenschutzrechtler suchte. Ich bewarb mich sofort und wurde auch zum Vorstellungsgespräch geladen. Man sicherte mir später zu, man wolle mit mir zusammen arbeiten, auch nachdem ich meine Gehaltsvorstellungen genannt hatte. Im Moment ist an dieser Front jedoch Funkstille, und ich weiß diese Stille nicht so recht zu deuten.

Ich besuchte ab September Benjamin dreimal in Amsterdam. Die Stadt hatte ich noch nie gesehen, was schon fast peinlich ist, weil sie so schnell erreichbar ist. Uwe hatte vor knapp einem Jahr von Georg mal einen Duschschaum von Rituals aus Amsterdam geschenkt bekommen, und der "Hammam Delight"-Duft war für mich schon damals purer olfaktorischer Porno gewesen. So nutzte ich die Besuche bei Benjamin auch, um mir für Freunde und mich Porno zu besorgen.

Mitte Oktober ließ ich nach Jahren des Haderns Aktfotos bei einem Profi machen. Den Fotografen hatte ich über Romeo getroffen und hatte großartige Fotos von ihm gesehen. Und ich hätte es nicht gedacht, aber die Fotos von mir waren so gut, dass ich selbst sie großartig fand. Seitdem bekomme ich deutlich mehr Nachrichten über die Onlineforen, dummerweise auch viele belanglose, die ich sofort wegklicke.

Schon bei meinem Maibesuch bei Helmut hatte ich Kontakt zu einem Hans aus Bayern übers Internet aufgenommen, und nach längerem Hin- und Hergeschreibe und -telefonieren besuchte ich Hans Ende Oktober für ein Wochenende zu Hause. Er war Landwirt und hatte einen Hof im im tiefsten Bayern. Hans war ein sexy Kerl, sehr einfühlsam, humorvoll und kreativ. Dummerweise aber auch an einer Beziehung nicht interessiert. Ob er ein guter Partner für mich gewesen wäre, lassen wir mal dahin gestellt, aber ich hatte durchaus Interesse.

An Hans' mangelndem Interesse änderte sich auch nichts bei meinem Besuch bei ihm Ende November, anlässlich dessen ich auch während eines München-Besuchs am Samstagnachmittag, als Hans andere Termine hatte, Roman traf. Roman ist eigentlich Wiener, Steuerberater, hatte Wohnungen in Wien und München, und er und ich hatten uns am Telefon hervorragend unterhalten. Er war eine sehr angenehme Mischung aus engagiert und realistisch, und es machte Spaß, mit ihm zu telefonieren. Das Treffen mit ihm war angenehm, und ihm schien ich jedenfalls gut genug gefallen zu haben, dass er mir seine Wohnung in Wien über Silvester und sich als Fremdenführer anbot.

Das ganze Jahr über hatte ich mir immer wieder Gedanken darüber gemacht, was ich wohl an Weihnachten und Silvester tun würde, ob ich bis dahin wieder einen Partner haben oder wo ich sein würde. Das Angebot, Silvester in Wien zu verbringen, fand ich großartig, und als ich online einen Flug für unter 100 Euro fand, buchte ich ihn sofort.

Und für den Fall, dass du noch immer nicht den Überblick über die Namen verloren hast, habe ich noch ein Bonbon. Marcus, mit dem der Kontakt über die Monate abgenommen hatte, meldete sich Anfang November abends einmal über Romeo und sagte, ein Typ habe sich auf sein Profil verirrt, obwohl der doch viel eher was für mich wäre. Er nannte den Profilnamen, und ich sah nach. Volltreffer. Tatsächlich hatte Marcus ins Schwarze getroffen. Ich schrieb den Typen an.

Gunnar hieß er, war zusammen mit Stephan, und die beiden wohnten in Bonn. Bei denen saß ich während eines Teils der Arbeiten an diesem Bericht. Wenige Tage später traf ich die beiden, und wir verstanden uns sofort hervorragend, oben- wie untenrum. Seitdem besuche ich sie im normalerweise zweimal die Woche, übernachte dort auch und fahre je nach Wochentag morgens von ihnen zur Arbeit.

Bei Gunnar und Stephan verbrachte ich auch Heiligabend. Wir waren insgesamt zu sechst; ein Freund und ein Freundespaar waren zum Abendessen da. Wir unterhielten uns toll, und Gunnar und Stephan hatten großartiges Essen gezaubert. Die beiden Weihnachtsfeiertage verbrachte ich im Prinzip mit Nichtstun. Ich besuchte Fabrice, hing zu Hause ab, schlief viel, fuhr das gelegentliche Käffchen trinken und ging mit Petra am zweiten Feiertag abends zu Meckenstock in die Vorstellung.

Die verbleibenden zwei Arbeitstage im Büro sind ruhig, was für eine Überraschung. Am Samstag werde ich in den Flieger nach Wien steigen und mit Roman die Stadt erkunden. Mahalia ist natürlich neidisch, weil sie statt dessen in der Heide abhängt, aber sie hat gute Freunde um sich herum. Sie wird klarkommen, bin ich sicher.

Ich würde mir Vorsätze für 2008 fassen, wenn ich etwas hätte, das allein ich beeinflussen kann. Neuer Partner und neuer Job sind allerdings nur teilweise beeinflussbar. Aber schön wär's. Und alles Großartige geht ja mit einer Idee los.

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