Montag, September 26, 2005

Verticken Sie was?

Zugegeben: Mit abnehmender Einwohnerzahl werden mir Orte immer suspekter. Als hätten Orte selbst eine Art Bewusstsein (und einen ziemlich bizarren Sinn für Humor, oft mit Slapstick-Einschlag), ist die Wahrscheinlichkeit, auf Dorftrottel und drittelstarke Blondischönheiten zu treffen, in kleineren Häuseransammlungen offenbar deutlich höher.

Marburg hatte mir in den Jahren 1997-1999 ja eine gehörige Portion dieser Lektion gelehrt. Deutlich gebrandmarkt gipfelte das Ganze aber wohl Ende 2003 in Versmold, wo ich vier bittere Monate (von Anfang August bis Ende Dezember) im Raum 120 ("Schulungsraum") des Rathauses in der "Stadtmitte" richtiggehend eingesperrt war. Es war die sich schon im Vorfeld durch zahlreiche Gerüchte unter Mitreferendaren ankündigende Verwaltungsstation, die mir dieses leidvolle Schicksal aufzwang.

Vier Monate erwartete man von mir das friedvolle Absitzen im Schulungsraum, in dem außer zwei Schreibtischen, Tischen, Stühlen und Computern, von denen jeweils einer nicht genutzt wurde, und einer Wand voller Schrank, in der sich diverser Computerschrott aus dem Jahre 1 befand, nichts vorzufinden war. Der Computer war vermutlich schon zur Anschaffungszeit im späten Mittelalter, als noch Orakel zur Bestimmung von Hexen, deren Verbrennung man zur öffentlichen Belustigung ohnehin fest eingeplant hatte, herangezogen wurden, eine Antiquität gewesen, und dass er bei Betrieb tatsächlich leiser als ein beladener Sattelschlepper bei 60 km/h auf der Autobahn war, vermag ich heute nicht mehr so sicher zu beschwören.

Der Computer war nicht nur zum Sterben alt, sondern auch entsprechend langsam. Zudem schien es mir, als wollte man mir auch das letzte bisschen Glück -- ICQ -- versagen, indem man mit einer Rathaus-Firwall alle Ports versiegelt hatte.
Glücklicherweise verriet mir irgendein Online-Portscan, dass Port 119 nicht blockiert war, und Miranda ließ sich mit einfachen Mitteln entsprechend konfigurieren, sodass mir neben meiner zugegebenermaßen eintönigen Repetitoriumslernerei doch ein wenig Chatten vergönnt war.
Dass angesichts meiner misslichen Lage Chatsitzungen außer Elendsbekundungen nicht viel aufwiesen, muss meinen Freunden und Bekannten gar merkwürdig vorgekommen sein, aber Hilfe hat keiner von ihnen angeboten.

Alles das ist aber nicht der Grund, warum ich diesen Blog-Eintrag mache. Der Grund ist viel banaler, aber hätte ich diese Sau ohne diese Vorgeschichte den Perlen zum Fraß vorgeworfen, hätten alle meine Blog-Seite kommentarlos weggeklickt, und ohne die Anerkennung meiner fleißigen Blog-Leser verkümmere ich wie Guildo Horn in der Köln-Arena.

Aber nun zur Sache:
Gerade war ich in Lintorf (Stadtteilchen von Ratingen, an das prinzipiell auch schon das "-chen-"Suffix gehören sollte), um eine Besorgung zu tätigen. Da ich das während meiner Bürozeit tat, hatte ich meinen Anzug an, und ich käme auch im Nachhinein nie auf die Idee, mich für solche niederen Botengänge umzuziehen, nur damt keiner guckt.
Man sollte ja auch nicht davon ausgehen, dass Endzwanziger in Anzügen heutzutage in Orten mit über 10.000 Einwohnern noch überhaupt irgendeinen Kommentar hervorrufen.

Dem war allerdings doch so, womit wir auch direkt bei der Kernfrage wären, die sich mir stellte. Ich begegnete auf meinem Weg zu einer Bäckerei, in der ich ausnahmsweise etwas nicht-Süßes vorzufinden betete, drei jungen Personen, vermutlich alle Anfang zwanzig. Zwei Jungs im Anzug, ein Mädchen, adrett gekleidet, nichts Besonderes. Als wir gerade aneinander vorbeiliefen, sprach mich einer der beiden Jungs, ein dunkel wirkender Mann, vermutlich mit Migrationshintergrund, an: "Verkaufen Sie was?"
Ich verstand nicht und wies ihn darauf hin. Ob ich dabei "Bitte?", "Entschuldigung?" oder "Was?" gesagt habe, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls antwortete er umgehend: "Verticken Sie was?" Wahrheitsgemäß entgegnete ich ihm wenig schlagfertig: "Ämm...nein?", woraufhin die Dreiergruppe augenscheinlich vergnügt weiterzog.

Es mag völlig falsch sein, das Ansprechen auf meinen Anzug zurückzuführen, und vor allem passen die beiden Sachen offenbar auch gar nicht zueinander. Ein anderer Grund mag mir nur beim besten Wellen nicht einfallen, der diese mir unbegreifliche Frage ausgelöst haben mochte.

Im Geschäft meiner Besorgung erzählte ich der Dame hinter der Theke von dieser Begebenheit und fragte, ob der mir entgegengeschleuderte Satz eine Bedeutung habe, die mir als Nicht-Lintorfer nur verborgen sei. Abgesehen von dem Hinweis darauf, dass "verticken" mit Drogenverkauf im Zusammenhang zu stehen scheine, förderte das Gespräch keine Fährten zu Tage, und da ich mir nicht auszurechnen vermochte, wie um alles in der Welt man mich mit Drogenverkauf in Verbindung bringen mochte, zahlte ich und fuhr, im Auto noch eine Weile Unverständnis bekundende Sätze auswerfend, zurück ins Büro.

Donnerstag, September 22, 2005

SO geile Pastagerichte im "Les Halles"!

Nachdem mich Jan-David, ein langjähriger Freund aus meiner Kindheit, in Düsseldorf zu einem Bar-Kneipe-Restaurant "Les Halles" in Düsseldorf mitgenommen hat, ist für mich klar: SO GEILE Pastagerichte sind extrem schwer zu kriegen. Ich bin höchstbegeistert!

Donnerstag, September 15, 2005

Supersparpaket: Wahrnehmung und der eigens angebotene unehrliche Kompromiss, ORDER TODAY!

Es überrascht mich zugegebenermaßen immer wieder, welch breite Kluften sich zwischen Wahrnehmungen unterschiedlicher Personen auftun können.

Anlass zu dieser mit fast beunruhigender Regelmäßigkeit wiederkehrenden Beobachtung gaben mir neulich der Besuch bei einem Freund und die darauf nach ein paar Tagen anschließenden Unterhaltungen. Es war um die Frage gegangen, was am derzeitigen Samstag gemeinsam unternommen werden sollte. Während ich stillschweigend davon ausgegangen war, dass man zusammen die Stadt erkunden würde, weil ich sie bislang nicht gesehen hatte, hatte mein Gegenüber sich auf einen Ausflug in die Berge gefreut.

Als mir klar wurde, dass man unterschiedliche Vorstellungen vom Tag hatte, erklärte ich, wie ich darauf käme, in die Stadt zu gehen. Zum einen natürlich, weil ich Städte -- insbesondere Großstädte -- sehr mag, aber zum anderen schlicht und ergreifend, weil ich die Stadt noch nicht gesehen hatte. Erstes Missverständnis: Man war sich nicht bewusst gewesen, dass ich sie bislang nie gesehen hatte.

So ließ ich mir in einer ruhigen Minute durch den Kopf gehen, dass die Stadt mir nicht wegliefe und ich durchaus von meinen sonstigen Gewohnheiten abweichen könnte. So erklärte ich, ich wollte sehr gern mit ihm in die Berge fahren.

Das zählte aber augenscheinlich nicht mehr. Man nahm offenbar an, ich hätte es vorgeschlagen, obwohl ich das nicht so meinte, und man bestand plötzlich darauf, in die Stadt zu gehen. Man fuhr übrigens im weiteren Verlauf des Tages noch in die Berge, was auch so geplant war. Die Stadt sollte es also demnach nun doch schon vorher sein; denn aus einem mir nicht begreiflichen Grund wurde davon ausgegangen, mein Vorschlag, ohne Stadtbesuch in die Berge zu fahren, sei nicht ehrlich gemeint.

Abgesehen davon, dass mir schwer begreiflich ist, wie man mich für jemanden halten kann (selbst wenn man will), der seine Meinung nicht offen sagt, sah ich mich später -- dann mit einer Reihe anderer Punkte geschmückt, deren Aufzählung vermutlich diesen Rahmen sprengen würde -- mit dem Vorwurf konfrontiert, ich würde mich nicht für ihn interessieren, ich würde stets alles an ihm abfällig bewerten, und meine ironische und zynische Art habe das nur noch unterstrichen. Natürlich wurde MIR von alledem während des gesamten Wochenendes, das nur von Freitag gegen Mitternacht bis Sonntag gegen 14:30 dauerte, weil ich hin- und zurückfahren musste, nichts gesagt, und ich muss am Telefon ziemlich abwesend ausgesehen haben, als man mir davon berichtete.

Wahrnehmung ist etwas ganz Feines. Jeder von uns hat eine auf Lager, und vermutlich wir alle halten unsere eigene für einen ganz besonders guten Jahrgang. Mitunter kuriose Ergebnisse können erzielt werden, wenn zwei unterschiedliche aufeinandertreffen und einander nicht von der unterschiedlichen Farbgebung berichten.

So kommt auch mal ein Kompromiss zu Stande, den ein Teil vorschlägt, weil er davon ausgeht, dass der vom anderen Teil angebotene Kompromiss nicht ehrlich gemeint sei, und vermutlich denkt, ein eigens unehrlich gemeinter Kompromiss sei die bessere Alternative.
Für besonders bemerkenswert halte ich hierbei auch die Beobachtung, an welcher Stelle der Gedanke der Existenz eines unehrlichen Kompromisses zum ersten Mal ins Spiel kommt.

Allerdings fühle ich mich erneut in meiner Wahrnehmung bestärkt, dass voneinander nur gelernt werden kann, wenn man miteinander kommuniziert. Wie genau das geschieht, spielt vermutlich keine wesentliche Rolle, solange die gewählte Sprache sowohl Absender wie Empfänger verstehen.