Donnerstag, Dezember 27, 2007

Mein 2007

Wenn mich Freunde und Bekannte fragen, wie es mir so geht, sage ich eigentlich immer das Gleiche: "Ganz gut." Wenn ich merke, dass sie das nicht zufrieden stellt, kommt noch ein: "Es hat sich viel getan, und doch ist irgendwie alles gleich geblieben." Das ist natürlich auch nur eine Phrase, aber immerhin kommt es mir wirklich so vor. Vermutlich stimmt das auch wirklich. Ich bin einfach nicht gut darin, Protokolle zu erstellen. Es passieren so viele Dinge, dass ich völlig verloren wäre, spontan eine repräsentative Auswahl zu treffen und unterhaltsam davon zu erzählen. Dazu kommt, dass ich bei vielen nicht wirklich weiß, welche Dinge sie schon mitbekommen haben.

Deshalb kommt jetzt mein Bericht von 2007, damit niemand sagen kann, er wüsste von nix.

Auch in 2007 hat sich viel getan. Schmerz und Freude hatten ihre Plätze darin, mir sind ein paar Erkenntnisse gekommen, für die ich sehr dankbar bin, und auch dieses Jahr hat eine Reihe neuer Bekannter und Freunde gebracht.

Das Jahr begann mit der schlimmsten Silvesterfeier meines Lebens. Mein damaliger Partner Uwe und ich waren bei einem seiner Bekannten in Berlin, und der und zwei andere taten alles, um die neun Stunden bis 3:30 Uhr zur schlimmsten Zeit neben meinen Marburg-Jahren werden zu lassen. Eine derart schreckliche Atmosphäre habe ich kein zweites Mal in Erinnerung; das waren Stunden, die mich um mindestens ein Jahrzehnt altern ließen. Zukünftig, das verspreche ich, werde ich gehen, wenn's mir reicht. Damals hatte ich das nicht getan, weil ich meinem Partner einen Gefallen tun wollte. Zu allem Überfluss erfuhr ich später, ich hätte nur was sagen sollen; dann wäre er mit mir gegangen. Kommt zukünftig, verlasst euch drauf.

Schon ein paar Tage vor 2007 hatte ich Arcor geschrieben, dass ich meinen DSL-Vertrag mit ihnen kündigen wollte, und hatte vertragsgemäß als Kündigungszeitpunkt Ende März angegeben. Drei Monate Vorlaufzeit sollten reichen, um den Übergang reibungslos zu gestalten, dachte ich. Ich irrte mich gewaltig, wie ich später herausfinden sollte.

Am 3. Januar besuchte ich mit Dirk die in Neuss stattfindende Show von Cirque du Soleil. Die war wie erwartet wunderschön, auch wenn mich die "Alegría"-Show, die ich im Herbst 2004 in Toronto gesehen hatte, deutlich mehr bewegt hatte. So ist das wohl mit dem ersten Mal. Aber diese Mischung aus Musik, Tanz, Farben und Formen war atemberaubend; das kann ich nicht anders sagen.

Damals besuchten Uwe und ich einander fast jedes Wochenende, mal er mich, mal ich ihn, und meine Zugfahrten nach Berlin zu Uwe und zurück dauerten ja immer etwa vier Stunden. Ich sah mir damals viele amerikanische Fernsehserien an und überlegte immer wieder, auf welchem Gerät ich die wohl am besten im Zug sehen könnte, dessen Akku lang genug hält. Ende Januar entschied ich mich dann auf Pauls Tipp hin für die Playstation Portable, und die war nicht nur wunderbar klein und passte in jede Tasche, sondern brachte mich entgegen meiner Erwartung sogar wieder zum Spielen. Ein tolles Gerät, an dem ich noch immer Spaß habe.

Anfang Februar stand dann wieder einmal das Tapas-Essen in gemütlicher Freunderunde in Olsberg im Sauerland an. Dirk hatte mich vor ein paar Jahren dazu eingeladen, und seitdem machen wir das jedes Jahr, auch wenn es 2008 voraussichtlich das letzte Mal stattfinden wird. Das Tapas-Essen 2007 war eine der letzten gemeinsamen Unternehmungen mit Uwe.

Karneval entging mir in diesem Jahr vollkommen; dafür sorgten eine üble Erkältung und Bronchieninfektion mit 40° Fieber. Uwe kümmerte sich rührend um mich, und ich weiß nicht, was ich ohne ihn getan hätte. Auf Karneval hatte ich keine Lust gehabt, aber gegen diese Krankheit war Karneval nicht so verkehrt. Ich erinnere mich noch an einen objektiv kurzen aber extrem unangenehmen Weg zur Apotheke um die Ecke, auf dem ich überlegte, meine Bronchien wegen der kalten Atemluft auf den Bordstein zu kotzen. Im ersten Halbjahr 2007 war ich für meine Verhältnisse extrem oft krank. Allein bis Mai hatte ich vier respektable Erkältungen gehabt, drei davon mit Antibiotika bekämpft. Dazu kamen zwei oder drei Anfälle von Brechdurchfall übers ganze Jahr verteilt. Im zweiten Halbjahr war's glücklicherweise nicht mehr so derb.

Anfang des Jahres machte ich mit Michael, einem Freund von mir, den ich 2006 an Karneval im Nähkörbchen kennen gelernt hatte, eine Reihe von Job-Coaching-Sessions, weil klar war, dass sich beruflich etwas verändern wollte, ich nur nicht wusste was und in welche Richtung. So formten wir in drei Sitzungen nach und nach einen Plan, und zum ersten Mal in meinem Leben wurde mir bewusst, was ich wirklich gern machen würde. Mir war nur nicht klar, wie ich den Wechsel angehen sollte, und die Ideen formten sich erst über die folgenden Monate.

Nun aber zum Thema "Wechsel Internetprovider". Mein schon lang schwelender Hass gegen meinen Bislang-Provider Arcor staute sich Ende März zu einem neuen Höhepunkt auf; denn außer dass Arcor den Anschluss zwei Tage zu früh abschaltete, passierte gar nichts. O2 hatte immer wieder mit seinen DSL-Anschlüssen geworben, und ich war mit dem Mobilanschluss sehr zufrieden, sodass ich die schon zum Jahreswechsel wegen DSL angeschrieben hatte. Passiert war rein gar nichts, und man zeigte sich auch wenig kooperativ auf meine dauernden Beschwerden, sodass ich O2 kurzerhand auch wieder kündigte und auf Pauls Tipp hin zu Alice ging. Die brauchten aber wegen der bockigen Haltung von T-Com und des zufällig genau in diese Wochen fallenden Streiks bei der Telekom natürlich auch wieder über vier Wochen. Mein Blog wurde damals von Hassberichten überflutet.

Am Osterwochenende stand wieder die Demoparty "Breakpoint" an, und bei der Moderation der scene.org awards, die diesmal deutlich lockerer und runder liefen als im Jahr davor, sollte ich meiner eigenen Blauäugigkeit auf den Leim gehen. Ich betonte nämlich noch großmäulig, wie toll mein damaliger Partner Uwe sei, mit dem ich schliefe. Das war eine Woche, bevor Uwe mit mir Schluss machte.

Er kam mich wie üblich mit dem Zug zum Wochenende besuchen. Es war Freitag, der 13. April, und ich musste noch arbeiten, war als Letzter in der Kanzlei, als er dort ankam. Ich öffnete ihm die Tür und wollte ihn in den Arm nehmen; da sah ich schon in seinen Augen, dass etwas nicht stimmte. Der Schock kam plötzlich und kraftvoll; die Trennung stand unverrückbar im Raum. Etwa 20 Minuten lang saßen wir einander gegenüber, er auf der Kante meines Schreibtisches, ich auf meinem Stuhl, und ich bekam kaum Luft. Wir redeten wieder einmal nicht wirklich miteinander. Eigentlich redete nur ich, obwohl es eigentlich nicht viel zu reden gab. Er machte Schluss, und ich konnte mir überlegen, wie ich damit umging.

Nach dem Gespräch fuhr ich ihn zu Georg, wo er übernachten wollte. Fast noch mehr als die Trennung schockierte mich, dass er nicht einmal das Wochenende mit mir verbringen wollte. Am gleichen Abend traf ich mich mit Jürgen und Markus bei Meckenstock in Haus der Freude, nachdem die beiden dort eine Vorstellung besucht hatten. Wir saßen da in größerer Runde, und ich war wegen der Trennung nicht besonders gesprächig. Aber als wir so dasaßen, erzählte ich, dass ich noch immer keinen Ort für meine Geburtstagsfeier hätte, und Michael Samm bot seine Panasonic Wellness Lounge in der Bastionstraße an. Eine tolle Idee, mit all den Massagesesseln zu feiern! Ich sah mir die Lounge am nächsten Tag an, und besser hätte es kaum passen können.

Später versuchte ich einmal, den Kontakt zu Uwe wieder herzustellen, sagte ihm, ich wollte mit ihm und Berlin meinen Frieden schließen, weil es immer wieder schmerzte, wenn jemand "Berlin" oder "Uwe" sagte. Er lehnte den Kontakt ab und verwies auf einen Freund von ihm, den ich dazu befragen sollte, vermutlich weil er befürchtete, ich könnte wieder in Tränen ausbrechen. Damit kann er nämlich nicht umgehen. So wie damals Anfang November 2006, als ich ihn nach unserer zweiwöchigen Trennungszeit zu Hause besuchte, um meine Sachen zu holen, zu weinen begann und er sich dann aus Mitleid dazu entschloss, es noch einmal mit mir zu versuchen.

Es schmerzt übrigens noch immer ein bisschen, wenn jemand Uwe erwähnt.

Ironischerweise habe ich trotz der Trennung von Uwe nach und nach Kontakt zu Georg und Benjamin aufgebaut. Georg war vor Jahren Uwes Nachbar in Ratingen gewesen. Die beiden leben nicht zusammen, sind aber schon etwa zwölf Jahre Partner, und eines warmen und sonnigen Sonntagnachmittags luden mich die beiden zu Georg zu einer Kaffee- und Kuchenrunde im Freundeskreis ein. Dort traf ich eine Reihe von Leuten, unter anderem auch Marcus, mit dem ich im folgenden halben Jahr ziemlich viel unternahm.

Wie es so meine Art ist, war ich nach der Trennung wieder viel unterwegs, so auch am Wochenende um den 1. Mai, wo ich Helmut und ein zwei Online-Bekannte (Olli und Eric) in München besuchte. Mit denen war ich in der Staatsoper, um mir Avantgarde-Ballett anzusehen, und in der Nacht zum 1. Mai gingen Olli und ich in den N.Y. Club, eine Schwulendisco. Wir gingen zu Beginn durch den Laden, um Stimmung und Leute zu prüfen, und als wir zur großen Tanzfläche kamen, tanzte gerade ein unglaublicher Mann oben ohne, bei dem mir der Mund offen stehen blieb. Das war Reinhold, wie ich noch am gleichen Abend herausfand.

Ich sprach ihn irgendwann unter großem Herzklopfen an. So ein Mann musste einen Partner haben, und Ansprechen kostet mich noch immer Überwindung, aber ich tat's trotzdem. Olli und ich waren uns nach einer Weile Beobachtung einig gewesen: Er war ohne Freund da. Aber wir hatten Unrecht; Reinhold hatte einen Freund, der auch im Club war, aber er suchte merkwürdigerweise dennoch die Nähe zu mir, lächelte unglaublich, und seine Augen verzauberten mich sofort. Olli und ich erlebten ein Kennenlernen wie im Märchen; Reinhold war unbeschreiblich. Er küsste mich irgendwann und verabschiedete sich am Ende fünfmal, am Ende sogar, als er schon die Jacke anhatte. Ich hätte für Reinhold glaube ich alles stehen und liegen lassen.

Es passierte rein gar nichts zwischen Reinhold und mir. Außer sehr intensiven Kurznachrichten noch am gleichen Morgen. Es kam nie zu einem Treffen. Er entschied sich dafür, seine Beziehung weiter zu führen, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass es ihm dort gut geht.

An diesem Wochenende traf ich außerdem Ken, einen Lederschneider, der in der Baader Straße seinen Laden hat. Er schneiderte mir Chaps, die ich mir schon in der Zeit mit Uwe holen wollte. Ken und ich verstanden einander sofort fantastisch. Wir sind in kurzer Zeit Freunde geworden, wenn man das über die Entfernung überhaupt kann.

Mit Reinhold im Kopf kehrte ich also nach Hause und zur Arbeit zurück. Zu allem Überfluss erteilte mir mein Chef wenige Tage später eine mündliche Abmahnung. Wie es dazu kam, ist weder wirklich begreiflich noch unterhaltsam, aber unterm Strich hatte er seine eigenen E-Mails nicht gelesen und war sauer, weil ich ihn wegen akuter Arbeitsbelastung nicht daran erinnert hatte. Das ist Grund für eine Abmahnung, in manchen Unternehmen.

Meine Ortspriorität für die anstehende Jobsuche hatte sich nach der Trennung von Uwe verständlicherweise von Berlin wegbewegt, und mit Reinhold im Hinterkopf war München damals eine großartige Wahl. Wie durch eine Schicksalsfügung erfuhr ich von einer offenen Stelle bei einem in München ansässigen IT-Beratungsunternehmen, und fast wäre ich für die Stelle ausgewählt worden. Dann entschied man sich aber für einen Diplominformatiker, obwohl ich ziemlich sicher bin, dass tiefgreifende IT-Fähigkeiten nicht so wichtig waren für eine Tätigkeit, die primär darauf gerichtet ist, Mitarbeiter eines Unternehmens für eine neue Internetplattform zur Durchführung medizinischer Studien zu begeistern und Workshops und Seminare zu halten.

Als klar war, dass ich den Job nicht bekommen wurde, fiel ich von einem etwa einwöchigen Adrenalintrip in ein Tief von Gleichgültigkeit. So verliefen die Wochen, und meine Arbeit machte mir großen Spaß.

Ende Mai nahm mich Kermit, mein Fitnessstudio-Trainingspartner, zu einem Abendessen zu Irith mit, die das Buffet für meinen 30. Geburtstag machen würde. Dort trafen wir dann auf Gregor, ihren neuen Untermieter. Erst unsicher, ob er überhaupt schwul war, fand ich ihn von Anfang an reizvoll, und Gregor und ich intensivierten auch eine Weile den Kontakt, gingen Rollerbladen, sahen Fernsehserien zusammen und sowas.

Dieses Jahr also mein 30. Geburtstag. Es hat mich nie gestört, dass ich jetzt die 3 vorn stehen habe. Ganz im Gegenteil; mich hatten so viele schon auf über 30 geschätzt, dass es höchste Zeit gewesen war, dass ich nicht mehr unter 30 war. Dann wirkt man auch nicht mehr ganz so jung neben einem 15 Jahre älteren Partner.

Am Tag vor meinem Geburtstag schob ich eine Welle von Melancholie und Depression vor mir her. Marcus spazierte am Sonntag, dem 3. Juni mit mir am Rhein entlang, und wir aßen in einem der kleinen Bootrestaurants, die dort dauerhaft angelegt hatten. Da saß ich und beobachtete den Sonnenuntergang auf dem Rhein. Mir ging Vieles durch den Kopf. Wie unwohl ich mich in meinem Job fühlte, dass ich wieder Single war, dass ich mit meiner Zeit nichts angefangen, dass ich es zu nichts gebracht hatte, dass sich niemand wirklich dafür interessierte, ob ich lebte. Mir liefen Tränen die Wangen hinunter, und Marcus saß völlig hilflos da.

Meine Eltern hatten mich zum Geburtstag zum Essen eingeladen, aber ich konnte darauf verzichten, mir die üblichen auswändig gelernten Weisheiten anzuhören, die vor allem von meiner Mutter immer kommen, auch wenn sie mit der konkreten Situation nichts zu tun haben und niemandem helfen. Ganz sicher wollte ich meine Phase der Selbstzweifel nicht mit meinen Eltern feiern. So sagte ich das Essen kurzfristig ab, schrieb in der E-Mail, es gäbe für mich nichts zu feiern, und ich wolle allein sein.

Am 16. Juni kam dann meine Geburtstagsparty. Das Tief hatte ich überwunden, und es war toll, nach der ganzen Anstrengung alle Freunde wieder zu sehen. Als Motto wählte ich "Zu geil für diese Welt". Ich hätte gern die beste Party meines Lebens wiederholt, eine Klamottentauschparty. Davon sah ich aber ab, weil Jürgen, Markus und die beiden Wuppertaler sich zierten und sagten, sie fänden so eine Party nicht gut und kämen bei diesem Motto nicht.

So feierten wir also in der Panasonic Wellness Lounge. Es war eine schöne Feier, und neben den vielen anderen schönen Geschenken hatte eine Gruppe Geld zusammen gelegt und mir eine Wii besorgt. Ich hatte den Spaß am Spielen wiederentdeckt; da kam mir das gerade recht.

Um das aber deutlich zu sagen: Im nächsten Jahr kommt wieder eine Klamottentauschparty, weil es das spaßigste Motto ist, das ich je erlebt habe. Und wer wegen des Mottos nicht kommen möchte, darf sich eine andere Beschäftigung suchen.

Ende Juni war es auch wieder an der Zeit, einen HIV-Test zu machen. Der letzte lag schon etwa eineinhalb Jahre zurück, und nach einer solchen Zeit mache ich mir gern auch dann Gedanken darüber, wenn im Grunde nichts Kritisches passiert ist. Glücklicherweise war das Ergebnis negativ, und es ist gut zu wissen, dass die medizinischen Laboratorien auf der Nordstraße in Düsseldorf Tests anonym und sehr kurzfristig (am einen Tag den Test gemacht, am nächsten das Ergebnis) durchführen. Der Test war sogar so anonym, dass es Gregor auf meine Bitte hin gelang, das Ergebnis abzuholen. Die Rezeptionsdamen guckten wohl etwas doof, weil sie mich anders in Erinnerung hatten, nannten ihm aber das Ergebnis, sogar ohne dass er das Kennwort sagte. Mein Pseudonym "Wilhelm Bucks" zu nennen, war ihnen offenbar genug. Ich kam auf diesen Namen, weil ich bei Starbucks als Vornamen immer "Wilhelm" angebe, wenn man mich fragt. Es musste schnell gehen beim Aussuchen des Pseudonyms; da hab ich halt diese Brücke geschlagen.

Am Ende Juni zog Mahalia bei mir ein. Völlig überraschend und sehr kurzfristig hatte sie die Zusage für einen Fachanwaltslehrgang in Düsseldorf bekommen, und als sie mich anrief, um mir das mitzuteilen, sagte ich ungefragt, natürlich könnte sie bei mir wohnen. Ich hatte nicht den geringsten Zweifel, dass wir miteinander klar kommen würden, war aber gleichzeitig nicht sicher, ob ich überhaupt WG-fähig war. Über zehn Jahre Alleinwohnen hätten mich gut versauen können, und Petra hatte mir früher schon oft gesagt, ich sei genauso rücksichtslos, wie ich es ihr damals vorwarf. Damals waren Wörter wie "egoistisches Arschloch" gefallen, aber so war das wohl nicht gemeint gewesen. Jedenfalls war ich unsicher, ob ich mir beknackte Marotten angewöhnt hatte.

Aber Mahalia und ich verstanden uns prächtig, von Anfang an. Auf den 35 m² haben wir uns nie auf die Füße getreten, im Grunde nie Engpässe im Badezimmer oder in der Küche gehabt, haben immer viel miteinander gelacht und noch nie gestritten oder wirkliche Meinungsverschiedenheiten gehabt. Sie scheint die Gemeinsamkeit genauso zu genießen wie ich, und ich bin seit ihrem Einzug ausgeglichener als jemals zuvor. Mir wurde irgendwann klar, wie schlecht ich als Alleinwohner aufgehoben bin.

Ende Juli erkundigte ich mich wegen der anstehenden Demoparty "Buenzli" in Winterthur nach Flügen und schaute mich online nach Leuten in Zürich um, bei denen ich übernachten könnte, wenn ich hinflöge. Ich hatte Andry schon jahrelang erzählt, ich wolle zur Buenzli kommen, hatte es dann aber nie gemacht. Dieses Jahr sollte es anders werden. So traf ich auf Gayromeo über meine Zürich-Suche Philippe, mit dem ich in der Folgezeit viel Kontakt hatte und den ich zweimal in Zürich besuchte. Die Stadt gefiel mir auch gut, sodass damals (wie vorhersehbar) auch meine Jobsuche dorthin ging. Aber auch unabhängig von Philippe war ich fast nie an Wochenenden zu Hause, sodass Mahalia und ich voneinander kaum etwas hatten.

Ende Juli ereignete sich noch eine Kleinigkeit, die ich erst nicht so richtig glauben wollte. Als ich mir einen halben Tag frei nehmen wollte, weil Poti und Kerstin in Köln heirateten und ich Fotos machen wollte, konfrontierte mich mein Chef mit einem weiteren Spruch aus seiner "Lieben einen guten Freund verlieren als eine gute Pointe"-Repertoire: "Sie sind ja freier Mitarbeiter, aber wir haben wohl etwas unterschiedliche Ansichten von freier Mitarbeit. Ich lege den Schwerpunkt eher auf Mitarbeit, Sie eher auf frei."

So wie München in Sachen Jobsuche nichts ergeben hatte, entwickelte sich dann auch Zürich, und es kam eine Phase, in der ich völlig lust- und kraftlos vor mich hin arbeitete, montags bis freitags ins Büro fuhr und meine Freizeit so gut wie möglich nutzte, um mir das Gefühl zu nehmen, dass ich mein Leben nutzlos in der Kanzlei absaß.

Kurz nach Evoke hatte ich dann meinen ersten Fernsehauftritt: Bei "GIGA Games" war ich Interviewpartner in der "Maxx"-Ecke und erzählte von der Demoszene, Digitale Kultur e.V. und der Evoke. Das machte einen unglaublichen Spaß, und ich machte für meinen ersten Fernsehauftritt eine ziemlich gute Figur, fand ich. Ich würde so etwas gern öfter machen.

Mahalia hatte schon fast von Anfang an neben dem Austauschkühlschrank geschlafen, der als Austauschgerät für meinen defekten Kühlschrank in der Küche dankenswerterweise unsere Lebensmittel kühlte, aber auch nachts einen erheblichen Krach machte. Als wäre die Gewöhnung an diesen Krach nicht schon genug gewesen, wurde meine Küche sehr bald komplett renoviert. Das bedeutete eine Woche Chaos, in der das gesamte Zeug aus der Küche in der ohnehin kleinen Wohnung verteilt wurde. Wir kamen aber mit dem Chaos erstaunlich gut klar.

Einer der großen Lichtblicke in diesem Jahr war mein Sommerurlaub. Ich könnte eigentlich auch einfach "Urlaub" sagen, weil ich in diesem Jahr -– jedenfalls zusammen hängend –- nur den einen gemacht habe. Andererseits war es in den USA, in die ich flog, so warm und sommerlich, und der Sommer in Deutschland war nach dem Knallsonneapril so bescheiden gewesen, dass ich gern betone, dass ich tatsächlich Sommer hatte. Sommerurlaub also.

Ich flog Tim und Gary wieder besuchen. Die Planung hatten wir in Angriff genommen, nachdem Uwe von der Bühne verschwunden war. Allein zu reisen, war eine Superidee, und ich erinnerte mich noch daran, wie nervig es vor vier Jahren gewesen war, den ewig quengelnden Ha-Jo dabei zu haben.

Und die fast drei Wochen Urlaub waren tatsächlich unbeschreiblich. Tim und Gary waren wie immer wundervolle Gastgeber, und ich erlebte so viele tolle Dinge. Das mit Abstand eindrücklichste Erlebnis war Terry, den ich in meinem Urlaubsbericht ausführlich beschrieben habe. Den vermisse ich noch immer, würde sofort auswandern, wenn mir jemand einen guten Job in Kalifornien anböte. Ich würde den Sprung ins kalte Wasser machen, weil ich fühle, dass das etwas ist, das ich irgendwann tun muss.

Nach dem Urlaub gewöhnte ich mich recht einfach und schnell wieder an den Arbeitsalltag und die niedrigen Temperaturen. Ich hatte den Sommer noch immer im Herzen, und obwohl mein Körper sich sofort an die Zeitverschiebung gewöhnt hatte, schien er darunter zu leiden, weil mich direkt am zweiten Arbeitstag eine Brechdurchfallattacke heimsuchte. Am direkt anschließenden Wochenende erholte ich mich aber wieder, sodass glücklicherweise keine Arbeitszeit darunter leiden musste.
Mahalia war damals noch im Fachanwaltslehrgang und auf Jobsuche und brachte mir irgendwann ein Stellenangebot einer Datenschutzrechtsbude in Düsseldorf mit, die einen IT- und Datenschutzrechtler suchte. Ich bewarb mich sofort und wurde auch zum Vorstellungsgespräch geladen. Man sicherte mir später zu, man wolle mit mir zusammen arbeiten, auch nachdem ich meine Gehaltsvorstellungen genannt hatte. Im Moment ist an dieser Front jedoch Funkstille, und ich weiß diese Stille nicht so recht zu deuten.

Ich besuchte ab September Benjamin dreimal in Amsterdam. Die Stadt hatte ich noch nie gesehen, was schon fast peinlich ist, weil sie so schnell erreichbar ist. Uwe hatte vor knapp einem Jahr von Georg mal einen Duschschaum von Rituals aus Amsterdam geschenkt bekommen, und der "Hammam Delight"-Duft war für mich schon damals purer olfaktorischer Porno gewesen. So nutzte ich die Besuche bei Benjamin auch, um mir für Freunde und mich Porno zu besorgen.

Mitte Oktober ließ ich nach Jahren des Haderns Aktfotos bei einem Profi machen. Den Fotografen hatte ich über Romeo getroffen und hatte großartige Fotos von ihm gesehen. Und ich hätte es nicht gedacht, aber die Fotos von mir waren so gut, dass ich selbst sie großartig fand. Seitdem bekomme ich deutlich mehr Nachrichten über die Onlineforen, dummerweise auch viele belanglose, die ich sofort wegklicke.

Schon bei meinem Maibesuch bei Helmut hatte ich Kontakt zu einem Hans aus Bayern übers Internet aufgenommen, und nach längerem Hin- und Hergeschreibe und -telefonieren besuchte ich Hans Ende Oktober für ein Wochenende zu Hause. Er war Landwirt und hatte einen Hof im im tiefsten Bayern. Hans war ein sexy Kerl, sehr einfühlsam, humorvoll und kreativ. Dummerweise aber auch an einer Beziehung nicht interessiert. Ob er ein guter Partner für mich gewesen wäre, lassen wir mal dahin gestellt, aber ich hatte durchaus Interesse.

An Hans' mangelndem Interesse änderte sich auch nichts bei meinem Besuch bei ihm Ende November, anlässlich dessen ich auch während eines München-Besuchs am Samstagnachmittag, als Hans andere Termine hatte, Roman traf. Roman ist eigentlich Wiener, Steuerberater, hatte Wohnungen in Wien und München, und er und ich hatten uns am Telefon hervorragend unterhalten. Er war eine sehr angenehme Mischung aus engagiert und realistisch, und es machte Spaß, mit ihm zu telefonieren. Das Treffen mit ihm war angenehm, und ihm schien ich jedenfalls gut genug gefallen zu haben, dass er mir seine Wohnung in Wien über Silvester und sich als Fremdenführer anbot.

Das ganze Jahr über hatte ich mir immer wieder Gedanken darüber gemacht, was ich wohl an Weihnachten und Silvester tun würde, ob ich bis dahin wieder einen Partner haben oder wo ich sein würde. Das Angebot, Silvester in Wien zu verbringen, fand ich großartig, und als ich online einen Flug für unter 100 Euro fand, buchte ich ihn sofort.

Und für den Fall, dass du noch immer nicht den Überblick über die Namen verloren hast, habe ich noch ein Bonbon. Marcus, mit dem der Kontakt über die Monate abgenommen hatte, meldete sich Anfang November abends einmal über Romeo und sagte, ein Typ habe sich auf sein Profil verirrt, obwohl der doch viel eher was für mich wäre. Er nannte den Profilnamen, und ich sah nach. Volltreffer. Tatsächlich hatte Marcus ins Schwarze getroffen. Ich schrieb den Typen an.

Gunnar hieß er, war zusammen mit Stephan, und die beiden wohnten in Bonn. Bei denen saß ich während eines Teils der Arbeiten an diesem Bericht. Wenige Tage später traf ich die beiden, und wir verstanden uns sofort hervorragend, oben- wie untenrum. Seitdem besuche ich sie im normalerweise zweimal die Woche, übernachte dort auch und fahre je nach Wochentag morgens von ihnen zur Arbeit.

Bei Gunnar und Stephan verbrachte ich auch Heiligabend. Wir waren insgesamt zu sechst; ein Freund und ein Freundespaar waren zum Abendessen da. Wir unterhielten uns toll, und Gunnar und Stephan hatten großartiges Essen gezaubert. Die beiden Weihnachtsfeiertage verbrachte ich im Prinzip mit Nichtstun. Ich besuchte Fabrice, hing zu Hause ab, schlief viel, fuhr das gelegentliche Käffchen trinken und ging mit Petra am zweiten Feiertag abends zu Meckenstock in die Vorstellung.

Die verbleibenden zwei Arbeitstage im Büro sind ruhig, was für eine Überraschung. Am Samstag werde ich in den Flieger nach Wien steigen und mit Roman die Stadt erkunden. Mahalia ist natürlich neidisch, weil sie statt dessen in der Heide abhängt, aber sie hat gute Freunde um sich herum. Sie wird klarkommen, bin ich sicher.

Ich würde mir Vorsätze für 2008 fassen, wenn ich etwas hätte, das allein ich beeinflussen kann. Neuer Partner und neuer Job sind allerdings nur teilweise beeinflussbar. Aber schön wär's. Und alles Großartige geht ja mit einer Idee los.

Freitag, Dezember 21, 2007

Weihnachtsfeier, Hinweis in eigener Sache

Weihnachtsfeiern sind bekanntlich besinnliche Versammlungen.

Gestern Abend fand unser Kanzleiadventskaffeekränzchen statt, und unsere Telefondame, die bedauerlicherweise zum Ende des Jahres aufhört, fragte in die Runde, wie viele Anwälte denn zwischen Weihnachten und Neujahr im Büro wären. "Zwei, oder", fragte sie. Sie hatte mich aber vergessen. Ich sagte also, ich wäre auch da.

Sie darauf: "Also zweieinhalb."

Allgemeines Gelächter. Ich lächelte, sagte aber nichts. "Das kann der ab", fügte sie hinzu. Damit war ihr Verhalten entschuldigt.

Im weiteren Verlauf des Abends stieß ich dann in der Küche auf einen früheren Kollegen, der auch noch zu solchen Veranstaltungen eingeladen wird. Als ich vermutete, von der (sehr guten) Suppe sei nicht genug da, dass ich mir nachnehmen könnte, sagte er: "Ach nehmen Sie, damit was aus Ihnen wird."

Nun gut.

Tadaaaaaaaa!

Für Anregungen bin ich dankbar.

Donnerstag, Dezember 20, 2007

Musikerlebnisse 2007

Das Jahr 2007 ist nun rum, und auch mein Jahresrückblick ist ja schon zu lesen gewesen, aber einen Aspekt, der eigentlich auch dorthin gehört, habe ich erst einmal weggelassen, um ihm die besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die ihm gebürt. Ich spreche von der Musik.

So, wie es manchen mit Gerüchen geht, geht es mir oft mit Musik. Einzelne Stücke verbinden sich bei mir meist mit den Situationen, in denen ich sie das erste Mal gehört habe. Und weil du vielleicht auch gern Musik hörst, möchte ich dir die für mich eindrucksvollsten Stücke aus 2007 nicht vorenthalten.

- Bliss - Life on the rooftop
Bliss ist nicht nur die Profigruppe, sondern auch ein Demoszenemusiker. Das Lied hatte ich vor einiger Zeit schon einmal geil gefunden, dann aber aus den Augen verloren. Anfang des Jahres lag ich dann irgendwann mal bei meinem damaligen Partner Uwe auf dem hochflohrigen Wohnzimmerteppich und hörte eine CD, die ich damals gebrannt und nur zur Unterhaltung für die Autofahrt nach Berlin mitgenommen hatte. Da bohrte sich dieser Song in meinen Kopf, und ich hörte ihn immer und immer wieder. Einfach toll, wie die Harmonien und Beats zusammen diese Stimmung erzeugen!

- Mary J Blige - Be without you (Moto Blanco edit)
Diejenigen, die schon von Reinhold gehört oder hier im Blog gelesen haben, wissen schon, was da im N.Y. Club in München passiert ist, dass ich Reinhold da zum ersten Mal begegnet bin und so weiter. Jedenfalls lief da mehrmals am Abend dieses Lied, und während mir die meiste Musik da zu stupides Gewummer war, fand ich dieses Ding extrageil. Wenn das lief, bin ich rüber zur Tanzfläche und hab Arme und Popo geschwungen, als gäb's kein Morgen mehr. "Put you hands up!"

- Roger Cicero - Wenn sie dich fragt
Es ist gar nicht seine normale Musikrichtung, aber kurz nach dem Grand Prix kaufte ich mir das Album von Roger Cicero ("Männersachen"), und Marcus und ich hörten es bei unseren Autofahrten in Shopping-Center und andere Örtlichkeiten und bei uns beiden zu Hause rauf und runter. Sehr schöne Texte, geile Musik, und da kann ich auch gut mit der Tatsache umgehen, dass er zwar gut singt, seine Stimme aber nicht so wirklich ausdrucksstark daherkommt. Dieses eine Lied mag ich vor allem auch, weil die darin genannten Sprüche sehr schön sind. Wenn man sie ehrlich meint. Das tut er darin natürlich nicht, aber es hat schon was, wenn man dem Partner sagen kann, man sieht einem anderen aus Mitleid nach, weil er nie an den Partner herankommt. Kitschig, klar, aber schön.

- Josh Rouse - Givin' it up
Zuerst gehört im Woyton auf dem Hohenzollernring in Köln, zusammen mit Matze am Evoke-Wochenende im August, als wir frühstücken wollten. Dass der Typ in dem Lied davon singt, dass er am Boden war und jetzt endlich vom Alkohol die Finger lassen will, fiel mir erst später auf. Ich tanzte jedenfalls an diesem Samstagmorgen vor der Woyton-Theke herum und machte die beiden Thekenmädels ganz wuschig. Sie forderten lautstark Kinder von mir, doch ich zahlte meine Zeche althergebracht in Euro.

- Justice - Genesis
Unsere französischen Freunde von Justice, meine Güte, die haben auch echt ne Meise. Brutal prügelt das Lied ein Intro in den Raum, um dann nur noch derber zu prügeln und böllern. Justice walzen die Seele platt. So in etwa beschrieb Ekki auf der Evoke die Gruppe und zeigte mir auf seinem Laptop den ersten Track "Genesis". Selbst (oder vielleicht gerade) auf seinen kleinen Laptopboxen krachte und knarzte das Lied nur so, und ich war direkt begeistert von dieser Brutalheit, mit der das Stück daherkommt. Direkt auf die 12, mit Vollgas ins Gesicht. Einfach geil. Nutzt sich natürlich auch bald ab, aber da war's spitze.

- Imogen Heap - Have you got it in you?
Dieses Lied ist auf einer W Hotels-Compilation, über die ich in einem Laden in Palm Springs gestolpert bin. Das war an dem Tag, als ich Terry getroffen habe. Noch am gleichen Abend haben wir dieses Stück zusammen gehört, als wir in meinem Hotelzimmer die Fotos von seinem Haus bearbeitet haben. Naja, jedenfalls hatten wir vorgehabt, das zu tun. Details dazu im Urlaubsbericht. Die Melancholie in diesem Lied hat sich bei mir immer wieder ausgebreitet, wenn ich es an einem der düsteren Herbstmorgen im Auto auf dem Weg zum Büro gehört habe. Wenn mir bei diesem Stück jemand in den Kopf kommt, dann Terry. Und manchmal muss ich etwas grinsen, wenn ich mir überlege, was die Alte wohl meint, wenn sie fragt, ob "du es in dir hast". Ich denke einfach zu viel an Ficken.

- Gaelle - Haiti
Auf welcher Autofahrt auf der A57 von Düsseldorf in Richtung Köln ich dieses Lied gehört habe, weiß ich nicht mehr, aber ich war sofort begeistert von dem synkopischen Rhythmus, der sich durch dieses Lied zieht. Zuckersüß und trotzdem funky kommen Gitarre, Bläser und Beats daher. Einfach geil. Leider ist das Stück nur ein Interlude, aber wofür kann ich mit Musikeditoren umgehen? Da mach ich mir einfach einen Loop draus.

- Kelly Sweet - Crush
Dieses Lied hörte ich mal irgendwann im Webradio auf so einem Chillout-Sender. Daraufhin hab ich mir das Album gekauft, und die Kelly-Frau singt allerlei sehr gefühlvolle Sachen darauf. Das "Crush" ist einer der Brillianten darauf. Süßer und gefühlvoller geht's kaum. Da sitzt sie und singt von ihrer Verknalltheit. Toll.

- Owusu & Hannibal - Le fox
Ich kann es auf deinem Gesicht sehen: "Owusu und wer?!?" Ich kenn die zwei auch nicht, aber ich habe deren "Le fox" bei Tim und Gary in deren Wohnzimmer in Houston gehört, als Tim schon ins Bett gegangen war und Gary und ich so dasaßen und den Abend ausklingen ließen. Toll funky und trotzdem ruhig und gemütlich kommt das Stück daher. Schöne Stimmen, tolle Instrumentierung und gefühlvolle Rhythmen kleckern so daher, als gäbe es nichts Selbstverständlicheres. Großartiges Lied.

- Blamstrain - Untitled (Mosaik remix)
Wann es genau war, weiß ich nicht mehr, aber vor einer Weile habe ich Tobi mal wieder zu Hause besucht, und wie das immer so ist, wenn wir einander sehen, haben wir da so am Rechner gesessen und Musik gehört. Da kommt Tobi an und meint: "Hier, den Radix kennze doch au noch. Hier, der macht ja auch so rum mit Namen, und als Mosaik hatter jetz diesen Remix gemacht. Hier, check das mal." Er dreht seine Anlage lauter, und dieses Lied plätschert erst ganz gemächlich daher, und dann setzt der Bass ein. Die Beats kommen erst später. Das Stück ist ruhig, aber saugeil. Der Subwoofer drückt kraftvoll, und die Synthesizer zaubern eine zuckersüße Harmonie. Ich bin begeistert. Dass der Radix immer wieder so Zeug macht!

- Late Night Alumni - Empty streets (Album)
Dieses Album ist an keine bestimmte Person oder Situation gebunden, mir liefen einfach immer wieder Songs von den Jungs über den Weg. Im Webradio, auf Samplern und sowas. Da hab ich mir mal das Album gekauft. Die Lieder ähneln einander ein bisschen, aber eine Weile habe ich im Auto fast nichts anderes gehört. Funky, harmonisch und schön produziert kommen die Beats und Rhythmen daher. So macht entspanntes Tanzen und Mitsingen Spaß.

- Crazy Penis - Life is my friend
Ein Evergreen in meiner Musiksammlung. Dieses Lied strahlt eine unglaubliche Melancholie, eine fast fröhliche Entspannung in der Verzweiflung aus, und wenn ich im Auto fahre und über alles Mögliche sinniere, gibt mir dieses Lied eine unbeschreibliche Kraft. "Don't worry 'bout me, Baby. Life is my friend", singt eine Stimme, und ich höre die Verzweiflung in ihr, das Akzeptieren aller Widrigkeiten, die sich dieser Person in den Weg gestellt haben müssen. In diesem Lied akzeptiere ich meine Widrigkeiten, meine Situation und die Dinge, die ich gern ändern möchte.

- Annett Louisan: Ich …be dich
Welche Situation genau es war, in der ich dieses Lied das erste Mal gehört habe, weiß ich nicht mehr, aber die Situation, dass einer zum anderen "Ich liebe dich" sagt und damit die ganze Beziehung in die Brüche geht, weil der andere diese Nähe nicht will, kann ich mir gut vorstellen. Man macht gerade irgendwas zusammen, und einem ist so danach, es zu sagen, es rutscht ihm raus, und damit ist etwas ausgesprochen, für das die Beziehung nicht gemacht ist.

- Sleepingroom 1 (Album)
Was für ein geiles Album! Sehr entspannt, tolle Flächen, geile Stimmung! Um Tommy aus "Voll normaaal" zu zitieren: "Ey die kommt total gut vorm Vögeln äh. Äh vögeln kannze ja juut, habsch ja gesehn, nö?" Und in diesem Zusammenhang grüße ich Hans, der mir so Einiges gezeigt hat, unter anderem diese CD. :)

- Róisín Murphy - Let me know
Hach, das war wohl das Gute-Laune-Lied für mich in diesem Jahr. Die frühere Moloko-Sängerin trällert sich zu den total geilen Akkorden einen ab. Gehört habe ich dieses Stück zum ersten Mal, als ich bei meinen Busenfreunden Gunnar und Stephan gerade an einem Morgen am Wochenende aus der Dusche stieg und die Sonne winterlich durch das Dachfenster schien. Ein wunderschöner Tag, und dieses Stück machte gute Laune vom Feinsten, nicht die Art, die der durche Sven Väth auf der Timewarp 2006 auf Ibiza propagiert hat. Der hat sowieso den Superschaden.

- Brothomstates - Dekc
Auch dieses Stück ist mittlerweile ein Klassiker, obwohl es mittlerweile weniger läuft als früher. Elektronische Synthesizer gemischt mit verzerrten und zerstückelten Beats, die den melancholischen Harmonien einen kühlen Anstrich geben. Eine Weile habe ich es für Meditation verwendet, als leisen Hintergrundloop. Damit es sauber loopt, habe ich Anfang und Ende etwas bearbeitet, sodass man den Übergang nur hören kann, wenn man das Original kennt.

Wer wissen will, was sonst noch so bei mir zu Hause läuft, kann das auf meiner Last.fm-Seite ansehen. Seit Amalia bei mir wohnt, sieht man natürlich eher, was wir zu Hause hören, aber Kenner sehen schnell, was eher aus ihrer und was aus meiner Feder kommt.

Montag, Dezember 17, 2007

Melancholie zur Weihnachtszeit

Mir ist überhaupt nicht nach Weihnachten, weil mir das Weihnachtsfest selbst überhaupt nichts sagt. Die paar für mich damit verbundenen freien Tage empfange ich mit offenen Armen, und ich freue mich auf die ruhige Zeit, aber ich bin nicht "in Weihnachtsstimmung".

Allerdings spüre ich etwas Ähnliches, das mancher vielleicht mit Weihnachtsstimmung verwechselt. Seit ein paar Tagen legt sich ein halbtransparenter Schleier von Melancholie über meine Welt, die ich von früher sehr gut kenne, die sich aber in den vergangenen Jahren verändert hat, seltener auftritt und mich jetzt eher wie ein Mantel durch die Kälte begleitet.

Übers Wochenende war ich in Dresden bei Freunden, Geburtstag feiern, und den Samstag habe ich auf der Prager Straße verbracht, mitten in vielen tausend Menschen im Vorweihnachtsstress, auf der Suche nach Weihnachtsgeschenken.

Diese Straße war ich auch mit meinem Exfreund einst entlang gegangen, und es gesellte sich wieder die Erkenntnis zu mir, dass ich jetzt Single bin und die Weihnachtsfeiertage nicht mit einem Partner verbringen können werde. Dass ich ihn sehr gemocht, vielleicht geliebt und mich bei ihm unbeschreiblich wohl gefühlt hatte. Dass ich jetzt allein durch die grauschwarze Windeskälte lief, stets mit dem Gefühl im Gepäck, dass ich allein war. Dieses Gefühl ist in Menschenmengen immer besonders stark.

Im Flugzeug zurück nach Düsseldorf hörte ich wieder Musik über meine PSP, und Laith Al-Deens "Tage fallen wie Blätter" und Annett Louisans "Ende Dezember" ließen stille Tränen
an meinen Wangen herunterlaufen. Da saß ich, trank meinen zweitklassigen Kaffee mit der gruseligen Kondensmilch und freute mich, wie rührend sich die Stewardessen um unser Wohl kümmerten.

Es ist kalt geworden in Deutschland. Temperaturen um den Gefrierpunkt. Meine Hände sind seit Wochen den ganzen Tag lang kalt, trotz hochgedrehter Heizung im Büro. Meine stille Hoffnung war gewesen, das Weihnachtsfest und Silvester mit einem neuen Partner zu verbringen, die Zweisamkeit zu genießen und das neue Jahr zusammen zu beginnen. Heiligabend werde ich mit meinen zwei Bonnern feiern und freue mich sehr darüber. Über Silvester werde ich Wien zum ersten Mal sehen, und ich freue mich ebenso sehr über die Einladung dorthin.

Und das Projekt "Partner" braucht offensichtlich noch Zeit. Die soll es dann auch haben.

Dienstag, Dezember 11, 2007

Offensichtlich doof

"Offensichtlich …" = "Es ist offen zu sehen, dass …"
Also: Es ist total klar, dass etwas so und so ist. Ohne Zweifel. Jeder Depp sieht das sofort.

"Offenbar …" = "Es offenbart sich, als ob …"
Also: Es hat den Anschein, als wäre es so, ist aber nicht total klar, eben nicht offensichtlich.

Wie schön, dass das annähernd niemand rafft, nicht mal die wichtigen Heinze im Kulturradio. Bisschen blöd natürlich, dass es manchmal wirklich auf den Unterschied ankommt. Wie schön aber, dass man zu doof ist, um den Unterschied zu begreifen.

Mittwoch, Dezember 05, 2007

Die unsägliche Après-Ski-Weihnachtsfeier

Betriebsweihnachtsfeiern können Kollegen einander näherbringen, gemütlich und sogar ein bisschen besinnlich sein. Es kann traumhaftes Essen und, wenn man einander mag, sogar gute Stimmung geben. Je nach Ausprägung der Individuen wird dann auch gern mal ausufernd gesoffen und gebölkt.

Weihnachtsfeiern können aber auch ganz große Scheiße sein. Zu diesem Thema kann wahrscheinlich jeder, der schon ein paar Jahre im Geschäftsleben steht, einen Schwank erzählen, so wie ich das jetzt tun werde.

Es kann auch laufen wie bei der Steuerberaterbude, in der ich vor Jahren mal ein halbes Jahr als Anwalt gearbeitet habe. Die überlegte sich im Jahre des Herrn 2005 nämlich etwas ganz Besonderes. Also für mich war das etwas Besonderes. Besonders peinlich nämlich, und mal wieder war es nicht mein eigenes Verhalten, das mir die Schamesröte ins Gesicht getrieben hat.

Man soll seine früheren Chefs nicht schlecht machen, und genau genommen tue ich das jetzt gleich auch gar nicht; denn erstens war ich dort als Freiberufler, zweitens taucht mein "Chef" in dieser Geschichte nicht auf, und drittens ist mir mit Anlauf egal, ob sich jemand wegen dieses Schwankes aus meinem Leben auf den Penis getreten fühlt. Denn -- so wahr mir der Gott helfe, an den ich ohnehin nicht glaube -- was ich berichten werde, ist nichts als die Wahrheit.

Die Steuerberaterkanzlei bestand aus etwa 30 Personen, hauptsächlich Steuerberatern und ihren Angestellten. Die Rechtsanwaltsschiene war winzig und eher schlecht als recht drangeklatscht, obwohl die im Grunde kein Steuerrecht machte. Das Gebäude, in dem die Kanzlei saß, lag im süßen Nichts zwischen Düsseldorf und Essen. Noch ein wenig ländlicher, und man hätte keinen Strom und kein fließendes Wasser mehr gehabt. Es war, als hätte man versehentlich ein Bürogebäude an eine Stelle gesetzt, wo in Wahrheit ein Strohschuppen geplant gewesen war.

Der mit Abstand lautstärkste Partner der Kanzlei war eine Art G. I. Joe. Sehr sportlich, ein Schrank von Kerl mit Meckifrisur und einem tief gefurchten Gesicht, das deutlich eher von Schlägerei als von Steuerberatung zeugte. Mit seinen kantigen Brillen, die alles nur noch schlimmer machten, sah er aus wie das Kind von Ilona Christen und einem Ork aus der Herr der Ringe-Saga.

Er zeichnete sich im Berufsalltag vor allem durch seine rüpelhafte Art aus, die wesentlich zur extrem hohen Fluktuation von Arbeitskräften in dem Laden beitrug. Wer dort arbeitete, war zu jung, alt oder gebrechlich um wegzuziehen, wegen eines Pflegefalls in der Familie an das Kaff gebunden oder masochistisch. Die anderen arbeiteten im Schnitt nur wenige Monate dort.

Es herrschte ein rauer Ton in der Kanzlei, und Teamwork war nicht ihre starke Seite. Niemand wusste, woran jemand anderes arbeitete, und Urlaubsvertretungen waren regelmäßig ahnungslos, wenn Mandanten während der Urlaubszeit ihrer Kollegen anriefen. So wenig alle über die Arbeit ihrer Kollegen wussten, so laut wurden sie dafür zur Sau gemacht. Anschisse vor versammelter Mannschaft hätten in der Tätigkeitsbeschreibung der Arbeitsverträge stehen können. Einmal machte Joe eine Azubi bei einer Betriebsversammlung in der Küche derartig runter, dass sie daraufhin heulend zu einer anstehenden Klausur fuhr. Man bewegte sich mit Anlauf im Bereich Strafanzeige.

(Semi-)Privat gab sich Joe dagegen, so wurde mir kolportiert, betont kumpelhaft, gönnerisch und lustig, zeigte seine Visage in allerlei Vereinigungen und schlug gern mal mit der Faust auf den Tisch, um die Witzigkeit der Situation unter Beweis zu stellen. Wer auch immer ihm Verhalten antrainiert hatte, war vorher bei Bismarck in der Lehre gewesen.

Im Verdacht, ihm diese miesen Manieren antrainiert zu haben, hatte ich schon damals seine Frau. Die sah nämlich nicht nur haargenau so aus wie er, sondern hatte ihm in Sachen schlechten Verhaltens auch noch eine Menge beizubringen. Während er immerhin noch die passenden Krawatten zum Anzug zu finden schien, gab sie sich mit Rollis in Fehlgrifffarben betont sportlich und leger. Ihr verhärmtes Gesicht auf dem sportlich trainierten Körper wurde von einer Nickelbrille geziert, die so tief saß, dass sie den Kopf heben musste, um geradeaus zu sehen, weswegen sie von Natur aus hochnäsig wirkte. Ihr Gesicht sah aus wie das einer Bodybuilderin auf Anabolika, und ihr Körper war auch ähnlich unweiblich, aber total drahtig. Dazu kam ihre krächzende Stimme. Wenn sie sprach, schrie sie eher, um überhaupt einen Ton heraus zu bekommen.

Ihre Manieren waren mit Abstand die schlechtesten, die ich je erlebt habe. Das ist keine Übertreibung. Sie behandelte mich von Anfang an -- unabhängig von ihrem Blick -- mit einer Hochnäsigkeit und Grobheit, die zartbeseiteten Seelen augenblicklich die Pisse in die Augen getrieben hätten. Sie ranzte mich (und andere) ständig an, vermied dabei aber stets Blickkontakt und zwar auch dann, wenn ich in ihr Büro kam oder sie mit mir sprach. Sie drehte sich dann nicht einmal von ihrem Computer weg, obwohl sie mehr als 90° abgewandt war. Sie benutzte gern Sätze wie "Das is doch Scheiße!", natürlich auch dann, wenn sie nicht nur total Unrecht hatte, sondern mein Verhalten in Wahreit das einzig Richtige in der Situation gewesen war oder sie den Fehler selbst verursacht hatte. Wenn sie Letzteres tat, schrie sie am lautesten. Ich wunderte mich, dass sie noch keinen Herzinfarkt bekommen hatte. Der wäre nämlich den Mitarbeitern zu Gute gekommen.

Für den Rest der Geschichte nennen wir sie Gertrud.

Gertrud und Joe ließen regelmäßig im Erdgeschoss des Büros die Fetzen fliegen, stritten sich lautstark und machten Mitarbeiter zur Sau. Wir aus der Rechtsabteilung im zweiten Stock bekamen davon meist nichts mit, aber dass die Stimmung insgesamt ausgezeichnet war, merkte man schon, wenn man zum Kaffeeholen in den ersten Stock ging.

Ich war noch kein halbes Jahr dort; da kam die Ankündigung der Weihnachtsfeier per E-Mail herein. Gertrud kündigte an, dass wir dieses Jahr etwas Sportliches unternehmen würden. Uuuiiii, was für eine Überraschung. Seht her, ich bin total überrascht. Was genau die umwerfende Idee sein sollte, wurde erst noch geheim gehalten und erst am Tag der Feier verlautbart. Aber ich merke natürlich, dass meine verehrte Leserschaft schon jetzt vor Spannung zu bersten droht. Also will ich mal nicht so sein.

Die sportbetonte Weihnachtsfeier fand in der Jever-Skihalle in Neuss statt. Mit dem Bus sollten wir dorthin gefahren werden. Ich zog es aber wegen meiner starken Bindung zur Kanzlei vor, mit dem eigenen Auto zu fahren, um im Ernstfall Alkoholkranke ins Krankenhaus fahren zu können.

Die Skihalle ist ganz in Ordnung. Man kann meinetwegen darüber diskutieren, ob man unbedingt eine viel zu kleine Skihalle mit Kunstschnee bauen muss, in der eingefleischte Skifahrer sich eh nicht austoben können, aber das habe ich hier nicht vor. Skifahren in der Vorweihnachtszeit, na gut. Wir nahmen in der Bar also erst einen Vorglüher und liehen dann Skier und das ganze Gelumpe aus. Rauf mit dem Sessellift, runter, rauf mit dem Lift, runter, rauf, runter. Nun ja, ging schon.

Das anschließende Abendessen war auch in Ordnung. Warmes Buffet; das ließ ich mir schon gefallen. Ich saß als Außenseiter natürlich ganz nah bei den Partnern, auch Joe und Gertrud. Das ist die Arschkarte, die wohl immer an Betriebsneulinge geht. Aber auch das war noch auszuhalten. Ich hatte sogar das Gefühl, ich könnte die Nähe nutzen, um die Atmosphäre und den Umgang endlich etwas aufzulockern. Ist ja nicht so, als hätte es mir Spaß gemacht, jeden Tag Gertruds Launen ausgesetzt zu sein. Vielleicht würde sie mich, wenn sie mich besser kennen lernte, etwas höflicher behandeln. Oder wenigstens freundlicher. Die Hoffnung stirbt als Letztes.

Das dicke Ende kam aber erst noch: die Après-Ski-Party, die in der Halle jede Woche am Freitag- und am Samstagabend stattfindet. Genau mein Ding; was Besseres kann mir an Musik nicht passieren. Ich stehe ohne Gnade auf Wolfgang Petry und DJ Ötzi.

Gott allein weiß, warum ich mich dazu habe breitschlagen lassen, das Auto stehen zu lassen und Alkohol zu trinken. So stand ich jedenfalls irgendwann angetrunken in der Menge von etwa 25 Leuten aus der Kanzlei, umspült von der beschissensten Musik, die Menschenohren je vernommen haben, gepeinigt von einem Feten-DJ, der Geburtstage und allerlei anderen sinnfreien Scheiß durchsagte, genervt und gelangweilt von allem anderen. Après-Ski-Party eben.

An dieser Stelle sei mir noch ein kurzer Exkurs erlaubt, den ich immer erzählen muss, wenn das Thema auf Après-Ski-Partys kommt. Wir reisen dafür zurück ins Jahr 1999, in dem ich einst meinen Geburtstag feierte. Die Party war totale Gülle gewesen, weil fast alle abgesagt hatten. Der Traum eines jeden Gastgebers also. Und die paar Gesichter, die dann doch da gewesen waren, hatten sich schnell verzogen. Amalia -- ja, ganz richtig, meine Mitbewohnerin! -- erzählte etwas von einer Après-Ski-Party, die irgendwo in der Nähe in einer WG stattfände. Mir war nach der misslungenen Party ziemlich egal, wohin wir gingen; also ging ich mit.

Die Party dort war musikalisch aber ziemlich genau so unerträglich, wie ich das auch damals schon vermutet hatte, und deshalb verduftete ich auch bald wieder. Amalia blieb noch eine Weile, und irgendwann müssen die Gastgeber nach einer Après-Ski-CD gesucht und mich im Verdacht gehabt haben, die CD gestohlen zu haben. Sie kannte mich damals schon gut genug, um zu wissen, dass ich so eine CD niemals mitnehmen würde, auch nicht für Geld. Und das sagte sie den Jungs auch.

Après-Ski-CD, au au au.

Jedenfalls stand ich also dann auf der Party in der Skihalle, eingequetscht zwischen den ganzen Kanzleimitarbeitern und beschallt von DJ Ötzi und seinen Freunden. Die Musik war unerträglich laut, und jeder Unterhaltungsfetzen kotzte mich an, weil ich fast bei jedem Satz nachfragen musste und die Antworten immer undeutlich oder zu laut waren. Auch wenn ich mit den Mitarbeitern nicht viel zu tun gehabt hatte, kannte ich die meisten schon vom Sehen.

Irgendwann fiel mir auf, dass ein Typ in der Menge stand, der nicht zu uns gehörte. Das war auffällig, weil wir alle beieinander standen. Sein Outfit war extrageil. Er war etwa 1,90 groß, trug ein schwarzes Hemd mit diagonalen orangenen Streifen, die obersten drei Knöpfe offen, zeigte Brusthaaretoupé und Goldkette, hatte eine Hornbrille auf und eine ordentliche Schenkelbürste unter der Nase. Er sah aus wie eine Parodie auf Sascha Hehn in den Zeiten, in denen er noch Sexfilme machte. Und weil das so war, er direkt neben mir stand und ich schon einiges getrunken hatte, um den Mist auszuhalten, lallte ich irgendwann mit halb offenen Augen zu ihm hoch: "Hiiier, du bis ja geil! Pornobalken, Brusthaartoupé und Goldkettchen. Dich ham se ja wohl original ausm Porno rausgeholt!"

Er sah mich von oben an und erwiderte laut und deutlich: "Noch ein Wort, und ich brech dir das Nasenbein."

Ich begriff, dass er sein Aussehen nicht als Spaß verstand, sondern das Outfit völlig ernst gemeint war. Ich öffnete Mund und Augen weit genug, um den "Wooooww"-Laut wie von selbst herauslaufen zu lassen, und machte dabei mit beiden Händen und weit abgespreizten Fingern mehrere Versuche, Luft in seine Richtung zu schieben. Ganz klar: Hier herrschten andere Sitten, nicht der lockere Umgang, den ich aus Köln gewohnt war.

Aber auch wenn das jetzt nicht glauben mag: Der Höhepunkt des Abends kam erst noch, und ich werde die große Gertrud-Einleitung nicht umsonst gemacht haben. Die stand nämlich auch irgendwann mal in meiner Nähe. Ich hatte mir nicht genug Mühe gegeben, es zu vermeiden. Sie hatte auch schon ordentlich gebechert, und ich hörte sie in der Entfernung immer wieder mit ihrer furchtbaren Stimme krächzen.

Irgendwann stand sie mir gegenüber und krächzte mich an. Jedes Wort eine Qual; sie schrie geradezu, und weil sie schon angetrunken war, war ihren Worten auch inhaltlich nicht mehr viel zu entnehmen. Ich tat mein Bestes, um diplomatisch und höflich zu bleiben, aber sie tat wiederum ihr Besten, meine Bemühungen zunichte zu machen. Und dann ging's los:

"Hää Stiegler", schrie sie mich an, "sind Sie homosexuell?!?"
Was auch immer sie das anginge. Aber wer fragt, soll's hören.
"Ämmmmm jaa? Ö wieso?"
Und da überschlug sich ihre Stimme geradezu und ließ bei meinen Ohren die Sicherungen rausfliegen: "Wieso hamm se das denn nich gesaaaaaagt?!?"
Mein Blick muss eine deutliche Mischung aus Schmerz und Fassungslosigkeit gewesen sein.
"Weil keiner gefragt hat?"

Die deutliche coolere Antwort wäre natürlich gewesen: "Wieso haben Sie mir denn nicht gesagt, dass sie eine Frau sind?" Aber so etwas fällt einem immer zu spät ein. Jedenfalls konnte es nur wenige Gründe geben, warum sie eine derart dumme Frage stellen konnte. Entweder sie hatte gerade viel Geld in einer Wette verloren, dass ich hetero sei, oder insgeheim Pläne geschmiedet, Joe zu verlassen und mich geile Sau zu heiraten. Zweites kann ich sogar gut verstehen.

Aber als wäre die Unterhaltung nicht an dieser Stelle schon auf einem Niveau angekommen, an dem nichts mehr zu retten war, gab sie sich auch damit noch nicht zufrieden, sondern war offensichtlich dann erst richtig in Schwung gekommen. Sie begann eine kaum enden wollende Tirade von Vorwürfen, wie unmöglich ich mich allgemein und ihr gegenüber im Büro verhielte. Nicht nur weil meine Ohren wundgescheuert waren, sondern auch um ihr und mir diese unsägliche Pein zu ersparen, fragte ich sie, ob wir dieses Thema vielleicht besprechen könnten, wenn wir beide wieder nüchtern sind. "Jaaa guut", krächzte sie schrill, "aber dann direkt am Montagmorgen!" -- "Ja okay, können wir machen."

Den Rest des Abends klang diese Schreiunterhaltung noch nach; ich konnte nicht fassen, was Gertrud getan hatte. Sie hatte Stillosigkeit neu definiert, ganz abgesehen davon, dass alle ihre Vorwürfe völlig Stuss waren und sie sich die Realität ganz unglaublich zurechtgebogen hatte. Diese Weihnachtsfeier war ein Paradebeispiel dafür, wie man es auf gar keinen Fall macht, und auch wenn ich heute davon erzähle, treibt es mir eine Schamesröte ins Gesicht, die für Gertrud bestimmt ist.

Um die Geschichte abzurunden: Am darauf folgenden Montagmorgen hatte ich einen Gerichtstermin und konnte deshalb nicht zu ihr gehen, bin danach aber mal zu ihr hin und hab sie gefragt, wann wir denn mal das Gespräch führen wollten, das ihr auf der Party so wichtig gewesen war. Sie zählte allerlei Scheiß als Ausrede auf, warum das jetzt ginge. Sie kniff den Schwanz ein.

Und ich verstand sehr gut. Ich wäre an ihrer Stelle gern im Erdboden versunken.

Ich war insgesamt sechseinhalb Monate in dieser Drecksbude. Eine wertvolle Erfahrung allerdings; vielleicht nicht so schlecht als Berufseinstieg.

Dienstag, Dezember 04, 2007

Das geht so mit

"Möchten Sie eine Tüte", fragt mich die etwas dösig dreinschauende Frau hinter der Theke in der Mayersche-Buchhandlung auf der Rüttenscheider Straße. "Nein, brauch ich nicht, danke", erwidere ich. Und dann kommt's. "Das geht so mit?"

Nein, du blöde Kuh, es geht nicht "so mit". Ich habe gerade Geld dafür auf den Tisch gelegt, wenn auch nur 40 Cent. Ich habe nämlich den Geschenkgutschein von Tobi und Eva von vor eineinhalb Jahren dafür aufgebraucht, und 40 Cent blieben dann übrig. Das kann den Mayersche-Heinzen ja egal sein. Geld is Geld.

"So mitgehen" heißt doch wohl vor allem eins: stehlen. Wer hat sich diesen Kack bitte einfallen lassen?!? "Mnein, das geht so mit" als Antwort auf "Möchten Sie eine Tüte", ich brech ins Essen.

"Pöt ging zur Mayerschen, und als er das Gebäude verließ, gingen drei Bücher über Macramé-Ampeln und ein rosa Lippenstift von Spiegelburg für Mädchen im Grundschulalter, die gern wie Nutten aussehen wollen, so mit."

Ich bin überzeugt, dass Spiegelburg keine solche Absicht hat und nicht einmal Lippenstift herstellt. Ebenso würde ich vermutlich nie auch nur ein einziges Buch über Macramé kaufen, aber darauf kommt es auch nicht an. Mir gehen schlicht Ausdrücke wie "Das geht so mit" auf den Sack, die alle benutzen, nur weil alle sie benutzen. Ich versteh's ja noch, wenn man nichts sagt, wenn Kunden sagen: "Nein, das geht so mit." Aber diesen Scheißausdruck auch noch dann zu bringen, wenn ich deutlich gesagt habe, dass ich keine Tüte brauche, und der Zusatz knallüberflüssig ist, pisst mich an, als gäbe es kein Morgen mehr.

Beim Einsteigen in den Bus: "Haben Sie ne Fahrkarte?" -- "Nö, ich geh so mit."
Oder in der Nasenkrebsbude Douglas einfach irgendwelches Gerümpel ausm Regal nehmen, gehen und bei misstrauischen Blicken der gehirntoten Tresenschönheiten sagen: "Kein Sorge, geht so mit."

Alter, nervt das.

Mittwoch, November 28, 2007

Das Vorstellungsgespräch bei Frau Christ

Hach, die Welt hat doch immer wieder Lacher zu bieten. Gerade sitze ich bei meinen Bonner Busenfreunden auf der Couch; im Hintergrund läuft Nocturne Opus 48 von Chopin. Wir erzählen einander vom Tag und scherzen über alles Mögliche. Da bekommt Stephan einen Anruf auf seinem Handy. Er geht ran und meldet sich mit Namen. Am anderen Ende eine Frauenstimme. "Mnein, da sind Sie falsch verbunden." Gequäke in der Leitung. Sicherlich ein "Tut mir leid; da habe ich mich verwählt." -- "Ja, kein Problem." Wieder das Gekrächze am anderen Ende. "Nein, Sie haben 0172" gewählt. Wieder Gequäke. "Ja da haben Sie sich verwählt." Quak quak. "Kein Problem, schönen Abend." Er legt auf. Genug über nichts geredet. Passiert schon mal, dass einer sich verwählt.

Wir reden weiter.
20 Sekunden später klingelt das Handy wieder. "Das ist bestimmt wieder die Frau", sage ich.

Stephan schaut auf sein Display. Unbekannte Nummer. Ja, das wird sie sein. Er nimmt ab und stellt sich wieder mit Namen vor. Bekanntes Gequäke. "Nein, Sie haben schon wieder die 0172 gewählt, nicht die 0173." Ob die Frau überrascht ist, kann ich nicht hören. Stephan wiegelt das Telefonat wieder ab.

Ich: "Die ruft bestimmt gleich wieder an. Was wollte die eigentlich?"
Stephan: "Eine Frau Christ sprechen."
Kurze Stille im Gespräch. Wir warten, ob sie noch mal anruft.

Aber natürlich würde sie nicht noch mal anrufen. So doof ist doch niemand. Also unterhalten wir uns weiter.

Etwa eine halbe Minute später klingelt sein Handy wieder. Die gleiche Nummer wie vorher. Wir sind eine Sekunde lang sprachlos, aber ich gewinne meine Fassung schnell zurück. "Komm, gib mir das Handy", fordere ich Stephan auf, "ich tu so, als wär ich Frau Christ." Er lacht und zögert, gibt mir dann aber das Telefon. Ich vermute, er glaubt nicht, dass ich das bringe.

Ich gehe ran und sage mit der am schlechtesten nachgemachten Frauenstimme, die mein Repertoire hergibt: "Christ?" Ich klinge wie eine heisere Oma, die sich zum Kotzen über die Kloschlüssel gebeugt hat. Stephan kichert. Am anderen Ende wieder die Quaktante: "Ja hallo? Hier ist Nielsen (oder so; ich hab den Namen nicht mehr aufm Schirm)." "M-hm?", mache ich, um möglichst wenige Silben zu benutzen. Man würde so-fort merken, dass ich sie verarsche. Ich will noch sagen: "Verzeihung, meine Stimme ist ganz rauh", aber Frau Nielsen lässt mich gar nicht aussprechen. "Ich rufe an, weil ich mit Ihnen gern den Termin absprechen würde. Würde es Ihnen morgen passen?" -- "Ja, morgen ist gut", sage ich. "Wann wäre denn gut für Sie", kommt zurück. Ich bin extrem aufgeregt, weil ich gerade dabei bin, für eine völlig Unbekannte einen vielleicht sehr wichtigen Termin zu vereinbaren, zu dem sie unangemeldet auftauchen wird. "Zehn Uhr dreißig wäre gut", bringe ich unter großer Anstrengung heraus. So blöd kann doch niemand sein. "Zehn Uhr dreißig, ja, ist gut. Ach, sagen Sie doch bitte noch mal: Wie ist Ihr Name? Drist?" Frau Nielsen kennt also ihre Gesprächspartnerin nicht einmal gut, aber kann ich mich so weit aus dem Fenster lehnen, dass es reicht, um sie bei dem Namen zu korrigieren?
Kurz zweifele ich an meiner Kraft. Ach was soll's; aus der Nummer komme ich eh nicht mehr raus: "Nein, Christ, mit C H." -- "Ah gut." -- "Ist ja kein Problem." -- "Also einen schönen Abend!" -- "Ja Ihnen auch!"

[Klick]

Stephan und ich sehen einander eine Weile ratlos an. Er grinst, und obwohl mein Gesicht mit einiger Sicherheit ebenfalls tiefe Furchen zeigt, habe ich große Gewissensbisse. Völlig geistesgegenwärtig sage ich: "Ich habe gerade für Frau Nielsen oder so einen Termin gemacht, bei dem Sie auftauchen wird, ohne dass irgendwer damit rechnet."

Was, wenn es ein Vorstellungsgespräch ist und viel für Frau Nielsen davon abhängt? Was, wenn ich ihr gerade ihre Zukunft versaut habe?

Stephan und ich entscheiden uns für schallendes Lachen.

Aber die Gewissensbisse übermannen mich. Sollen wir ihr nicht doch sagen, dass wir Sie verarscht haben, frage ich. "Mein Moralisator sagt mir, wir sollten das klarstellen." Energisch trete ich entgegen: "Was sollen wir ihr denn sagen?!? 'Hallo Frau Nielsen, wir hatten ihre behämmerten Anrufe satt und haben Sie verarscht'?"

Wir haben ihr dann doch eine SMS mit folgendem Text geschrieben:

"Verzeihen Sie bitte, Sie haben gerade nicht mit Fr. Christ gesprochen, sondern schon wieder die falsche Nummer gewählt. Ich habe mir einen Spaß mit Ihnen erlaubt. Rufen Sie besser mal die richtige Nummer an. Schönen Abend!"

Aber wahrscheinlich war der Termin völlig wurst, und Frau Nielsen ist einfach zu doof, um eine Nummer richtig ins Handy einzutippen. Stephan fiel später ein, Frau Nielsen habe sich vorgestellt als Frau Nielsen "von der Familienstätte" oder so. Das hilft nur leider nicht bei der Einschätzung, ob Frau Nielsen einen wichtigen Termin planen wollte oder ob sie doof ist.

Naja, aber wer ruft denn bitte auch noch für offenbar wichtige Termine um 19:30 Uhr an.


Nachtrag: 29.11.2007, morgens:


Heute Morgen wollte mich ein Gedanken nicht mehr loslassen: Frau Nielsen hatte sich nicht mehr gemeldet. Erst dachten wir: "Die dumme Kuh, hätte sich ja kurz bedanken können." Aber was ist, wenn sie aus irgendeinem Grund die Nachricht nicht mehr gelesen hat? Wenn sie nicht in der Lage ist, eine Telefonnummer richtig einzutippen, kann sie vielleicht mit SMS gar nicht umgehen. Was dann?

Naja, dann wird sie heute vermutlich um 10:30 Uhr bei Frau Christ auftauchen, und die wird große Augen machen. Das allein finde ich ja nicht so schlimm. Dann haben wir wirklich alles getan, was wir konnten.

Aber dann wird Frau Nielsen vielleicht Stephan anrufen und ihn beschimpfen; dabei kann er doch gar nichts dafür. Aber der nächste Lacher ist dann schon mal gesichert.

Nachtrag: 04.12.2007:

Kein Lebenszeichen mehr von Frau Nielsen. Sie hat also schlussendlich die richtige Nummer gewählt oder vor Verärgerung oder Einschüchterung das Handy ganz weggeworfen.

Die rätselhafte Affäre der Kinderwagenfrau

Gerade kam ich von einem Seminar in Dortmund zum Büro in Essen zurück und lief die Straße entlang, als mir auf den letzten Metern eine Frau Mitte 30 entgegenkam, die einen Kinderwagen vor sich herschob. Es war eine merkwürdig aussehende braune Papp- oder Holzkiste darin, die augenscheinlich mit Papier gefüllt war. Die Frau war allein.

Ich stoppte wenige Meter vor ihr, starrte ungläubig erst den Kinderwagen, dann die Frau an. Sie blieb ebenfalls stehen und musterte mich mit misstrauischem und fragendem Blick. Da brach es aus mir heraus: "Wer ist der Vater?!?"

Naja, in Wahrheit ging ich einfach an ihr vorbei, und man würdigte einander keines weiteren Blickes. Aber ich fragte mich, was sie sagen würde, wenn ich früge. Statt dessen kicherte ich still vor mich hin und schloss die Tür zum Büro auf.

Dienstag, November 27, 2007

Nie wieder Glühwein

Wer kennt den Spruch nicht. Nie wieder dies, nie wieder das. Meist taucht in diesem Satz auch noch Wort auf wie "Tequila", "Eierlikör" oder -- für die ganz Hartgesottenen -- "KoCo" (Asoslang für "Korn-Cola").

In Amalias Fall kam der Spruch gestern Abend mit Glühwein. Mit "Gegen neun" hatte sie angekündigt, dass sie später kommen würde. Ich war nach der Arbeit direkt nach Hause gefahren. Nachdem ich das Wochenende in Amsterdam und die Nacht von Sonntag auf Montag bei meinen zwei Busenfreunden aus Bonn verbracht hatte, war ich ziemlich im Sack, und zu allem Überfluss schlich sich offenbar wieder einmal eine Erkältung an, die ich mit frühem Schlafengehen im Keim ersticken wollte.

Ich erledigte gestern Abend also ein paar Kleinigkeiten im Haushalt. Vor allem Bügeln.

Als Amalia um 21:00 Uhr nicht da war, wunderte ich mich nicht. Sie kann tun, was sie will. Und mit wem. Ich bin ihr Mitbewohner, nicht ihre Mutter. Die schickt nämlich hin und wieder handgeklöppelte Babyschühchen aus Kamerun an werdende Mütter in Deutschland, um das lokale Handwerk zu unterstützen. Und sowas würde ich nie tun. Also Babyschühchen schicken. Kamerunisches Lokalhandwerksgewerbe ist schon okay, soweit ich das von hier aus beurteilen kann. Jedenfalls:

Dass Amalia noch nicht zu Hause war, fand ich auch deswegen gut, weil ich ohnehin noch bügelte und das gern fertig haben wollte, bevor sie kommt. Dann würde sie -- so hatte ich mir das ausgedacht -- bemerken, dass ich alles gebügelt hätte, sogar ihre Blusen. Tjahaa, und außerdem lief eh noch eine Heroes-Folge, die ich gucken wollte. Also alles in Butter.

Der Fairness halber muss ich wohl dazusagen, dass sie auch meine Hemden bügelt, wenn sie mal bügelt. Aber sie hasst Bügeln im Vergleich zu mir, und das merkt man auch am Ergebnis. Aber selbst wenn sie nicht bügeln würde, putzt sie immer noch das Klo, das ich ja auch benutze. Manchmal habe ich die stille Angst, dass deswegen irgendwann eine 1,40 Meter große, aus Ghana stammende (die Klofrauengewerkschaft in Düsseldorf ist in ghanesischer Hand, sagte mir Amalia), lesbische, gehbehinderte Schwarzafrikanerin mit Lispelproblem, künstlicher Hüfte und Glasauge in ihrer Rolle als Gleichstellungs- und Rassismusbeauftragte bei mir auf der Matte steht und mich mit Klagen überzieht, weil in unserer Wohnung die Schwarze das Klo putzt. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte und so weiter, böse Geschichten laufen da.
Aber ich verdränge den Gedanken immer schnell wieder, beruhige mich damit, dass Amalia ja keine Aufenthaltserlaubnis braucht, aus freien Stücken bei mir wohnt und ich immerhin regelmäßig die Küche aufräume.

Hm, aber sie macht wirklich viel im Haushalt. Ich sollte echt aufpassen.

Jedenfalls schloss sie irgendwann gegen Viertel nach neun die Tür auf. Es dauerte ungewöhnlich lang, bis sie es schließlich schaffte. "Ich bin totaal bedrngken", lallte sie schon, als sie etwas unbeholfen durch den Flur torkelte. Als sie nach einer Willkommensumarmung in der Mitte unserer gemeinsamen riesigen Wohnung angekommen war, ließ sie unter einigen Koordinationsschwierigkeiten Tasche und Jacke fallen, würgte noch ein "Ich hab totaaal viel Glühwein getrngkn. Umn jetzt muss ich aufs Klo" heraus und verschwand. Ich kam mir vor wie in einer Will & Grace-Folge.

"Wi waaen auf dem Weihnachtsmarkt und totaaaal viel Glühwein getrunken. Bor nie wieder Glühwein!" Sie glänzte richtig, sogar im indirekten Licht der Tischleuchte, und saß grinsend auf der Couch. "So hast du mich noch nicht gesehen, hm?", fragte sie, fast etwas schüchtern. "Anne hat mich da hingeschleift. Die hat jetzn Dschobb und sofort nachm Kurs mim Saufen angefangen. Bor, ich hab bestimmt zehn Glühwein getrungkng!"

Da sie es nicht kommentierte, ich aber total stolz auf mich war, sprach ich an, dass ich alles gebügelt hätte. Ja, das sei ihr aufgefallen, kam zurück.

Ich drängte ihr etwas Aspirin auf, damit sie heute Morgen überhaupt arbeiten gehen könnte. Sie berichtete von ihrem Abend und ihrem aktuellen Job, der Tatsache, dass sie jetzt eine Woche lang vergeblich gearbeitet hatte, weil die Datei, an der sie arbeitet, übers Wochenende gelöscht worden war, als mich ein Freund anrief. Ich ging ran, obwohl Amalia sichtlich Schwierigkeiten mit alltäglichen Dingen und Koordination hatte.

Es war klar, dass es so kommen würde, aber ich konnte mich kaum auf das Telefonat konzentrieren, weil ich aufpassen musste, dass Amalia klar kam. Ich hatte zwei Aufgaben mit gleich hoher Priorität zu bewältigen, und Telefonieren war so ziemlich anstrengend. Ständig jonglierte ich zwischen Konzentration auf Telefonieren und darauf Achten, dass Amalia sich nichts tut. Der Freund musste auch denken, wir seien jetzt beide durchgeknallt.

Es kam aber doch, wie es kommen musste. Sie setzte sich irgendwann während des Telefonats auf den Rand des hölzernen Wäschekorbes. Der Deckel stand -- ihrer Erwartung zuwider -- offen, weil ich vorher noch Wäsche hineingeworfen hatte. Sie bekundete ihre Überraschung über den offen Deckel mit einem "Uwhaaaaa" und glitt mit ihrem Hintern rückwärts in den Korb, bis nur noch Kopf, Beine und Hände herausschauten.

Hätte ich nicht Angst gehabt, dass sie sich wehgetan hatte, wäre ich vermutlich vor Lachen auf der Stelle umgefallen. Stattdessen bat ich meinen Freund, kurz zu warten, und half ich ihr wieder aus dem Korb; denn ohne Hilfe wäre sie vermutlich über Nacht darin stecken geblieben. Vielleicht hätte sie aber auch einfach noch eine Weile gelacht und wäre dann im Korb eingeschlafen.

Man sagt ja, die meisten Unfälle passieren im Haushalt, aber vorbereitet werden die meisten Unfälle auf dem Weihnachtsmarkt. Das ist ziemlich sicher.

Heute Morgen sagte sie, ich hätte ihre Blusen gut gebügelt.
Gerade noch mal gut gegangen.

Aber vielleicht frage ich Amalia heute Abend noch mal, ob sie sich denn insgesamt wohl bei mir fühlt. Sonst kommt die Gleichstellungslesbe echt noch mal irgendwann.

Freitag, November 09, 2007

"HIER GIBT'S ICE, BABY!"

Seit fast zwei Jahren fahre ich fast immer die gleiche Strecke zur Arbeit, die mich an der Gruga-Halle in Essen vorbeiführt. Das ist das Messegelände der Stadt, und dort finden dementsprechend dauernd Veranstaltungen statt. Eine davon, die seit Monaten immer wieder mit einem pervers großen Banner beworben wird, das sich einmal quer über die gesamte und bestimmt 40 Meter breite Halle am Fronteingang zieht, ist das Eiskunstlaufspektakel "Holiday on Ice".

Inhaltlich kann ich wenig zu diesem Event sagen. Eiskunstlauf allgemein interessiert mich im Grunde kein Stück. Mir kommt er, wenn ich ihn mal im Fernsehen mitbekomme, vor wie eine Sammlung magersüchtiger Weiber und Glitzertunten, die feine Kunststückchen machen. Ein bisschen wie Zirkuspudel, auch ähnlich putzig, und die sind auch sportlich topfit und alles, aber sie haben eine Anziehung auf mich wie Fußball, Politik oder Autos. Der Fairness halber sage ich aber dazu, dass mich Eiskunstlauf auch nicht abstößt, wie zum Beispiel der Gestank in Douglas-Läden oder DJ Bobo es tut. Ich verstehe die Begeisterung der Zuschauer solcher Events nicht, aber im Grunde ist mir dieser Sport schlicht wurscht.

Eine Sache ist mir allerdings alles andere als wurscht, und zwar ist das dieses Werbebanner, an dem ich jeden Tag vorbeifahre, wenn es hängt. Glücklicherweise wechselt man hin und wieder die Werbung auf der Hallenfassade, aber es hängt eben immer wieder da, und ich sterbe bei diesem grauenvollen Werbespruch, der das Banner in Beschlag genommen hat:

"HIER GIBT'S ICE, BABY" steht darauf geschrieben, gigantische Buchstaben in einer ziemlich geschmacklosen Serifenschrift. Passt zum Hintergrundrosa des Plakates, zu sonst aber nichts.

Wer sich diesen Spruch ausgedacht und vorgeschlagen hat, gehört geteert und gefedert. Etwas derartig Nasenbluterischeres habe ich eine Weile nicht gesehen. Gehen wir mal im Einzelnen durch, was dieser Spruch sagt.

- Anspielung auf ein Lied. Bei der Wahl gibt es zwei Möglichkeiten.

1. Möglichkeit: "Ice Ice Baby" von Vanilla Ice (1991). Wenn das der Fall ist:
Verehrter in den 90ern hängen gebliebener Werbetexter, das Lied von Vanilla Ice damals war nicht gut. Es war peinlich. Wie auch Vanilla Ice selbst, der mit bürgerlichem Namen übrigens Robert van Winkle heißt. Ein weißes Juppisöhnchen mit Zickzackrasur-Fönfrisur und noch aus den 80er stammender Bomberjacke rappte von seiner vermeintlichen Coolheit. Das war damals ein Armutszeugnis der Popmusik, und nur Teeniemädchen fanden Vanilla Ice cool. Jetzt an so einen Mist anzuknüpfen, nur weil man auch das Wort "Ice" im Namen hat, ist nicht nur ideen-, sondern auch fürchterlich stillos.

2. Möglichkeit: "Es gibt Reis, Baby" von Helge Schneider. Das wäre fast noch schlimmer. Rafft bitte mal, dass Helge Schneider euch mit seinem Humor verarscht. Er ist sehr gut, spielt hervorragend Musik, ist sehr intelligent, aber dieses und andere Lieder von ihm, die zu Kassenschlagern wurden, bezeugen in Wahrheit nur die Doofheit der Leute.

- Verfehlung der Zielgruppe. Selbst wenn man nun aber annähme, Vanilla Ice oder wenigstens sein einziger Hit, der nur von einem Sample von Queen lebte, sei cool gewesen, hilft das nicht über das Problem hinweg, dass man hier eine völlig andere Zielgruppe anspricht. Wie gesagt: Teenietussis. Die sollen jetzt zu Holiday on Ice, wie? Wenn es die Helge Schneider-Variante ist, liegt man zwar nicht ganz so schlimm daneben, aber derartig plump an ein ohnehin schon das Publikum verhöhnendes Lied anzuknüpfen, demonstriert anschaulich, wie langweilig es dem Werbetexter gewesen sein muss. Viel Erfolg, mein Kompliment an den Marketingchef.

- Ansprechen des Publikums mit "Baby". In Deutschland sagte man nur in den 80ern "Baby" zu seiner Freundin. In "Dirty Dancing" war das totaaaal angesagt. Heute ganz schlecht. Da schießt einem das Blut nur so aus der Nase.

- Und schließlich: Es gibt auf diesem Event gerade kein Eis, wie der Slogan verspricht, jedenfalls keins, das man essen könnte. Wenn jetzt jemand sagt, es sei ja das andere Eis gemeint, auf dem gefahren wird, muss man offen sagen: "Und dass es in der Halle, wo man Eiskunstlauf zeigen möchte, auch Eis zum Drauf-Laufen gibt, ist sowas Besonderes, dass man's im Hauptslogan anpreist?" Ihr habt sie nicht alle.

Ich werde der an uns allen vorbeieilenden Zeit danken, wenn dieser Scheißevent endlich vorbei ist, damit ich dieses Plakat nicht mehr sehen muss. Bis zum nächsten Jahr, in dem man sich vermutlich einen ähnlich schlimmen Slogan ausdenken wird. Sowas wie "Ice cool, man!" oder so.

Au, jetzt fängt's wieder an zu jucken. Scheiße.

Donnerstag, November 08, 2007

Abkneifen

Es kommt nicht oft vor, dass ich vor Lachen unkontrolliert losspucke. Zu Hause landet der Spaß gern auf Bildschirm oder Tastatur. Das sind Situationen, in denen mich etwas Lustiges so unbemerkt überfällt, dass ich die Muskeln in meinen Mund nicht rechtzeitig aktiviert bekomme, der Spaß also sogar mein vegetatives Nervensystem überholt. Meistens passiert es mir beim Chatten, wenn das Gehirn erst die Wörter zusammenbaut und dann erst Sinn herausliest.

So passierte es jedenfalls am vergangenen Dienstagabend, als ich mit meiner Amalia und Marcus in "Ratatouille" im Oberkasseler Kino gewesen war. Amalia hatte sich nach dem Föm, wie Marcus gern das Wort "Film" ausspricht, auf die Damentoilette verzogen, und Marcus und ich standen da, warteten und mutmaßten, warum sie so lang bräuchte. Das nächstliegende war natürlich ein voluminöser und kraftvoller Damenschiss, und in diesem Zusammenhang meinte Marcus, wie das wohl wäre, wenn wir sie da einfach rausholen würden und sie sich dann "die Wurst abkneifen" müsste.

Da war so ein Moment wie oben beschrieben.

Dienstag, November 06, 2007

Ein Stoß kranker Webseiten

Anschauen, Arzttermin machen, Medikamente einwerfen.

Badger Badger Badger

zombo.com

Fear the gay chicken

Immer auf die Eier

Atme tief.

Denke positiv.

Konzentriere dich auf das, was für dich im Leben wichtig ist.

Halte dich nicht mit Negativität auf; denn so ziehst du sie an.

Ärger sind nur Gedanken, die kommen und gehen. Es ist wertlos, ihnen nachzueifern und sich sogar ihretwegen zu erhitzen.


Mir gehen trotzdem gottverdammt noch mal ein paar Sachen tierisch auf den Sack:

1.) Aus aktuellem Anlass: Ich möchte den Leuten gern nicht nur eine Ansage machen, sondern in ihr dummes leeres Gesicht schlagen: allen denjenigen, die am Flughafen bei der Gepäckausgabe mit ihren Gepäckwagen direkt ans Band heranfahren. Es geht mir unbeschreiblich auf den Sack, dass diese ignoranten Wichser mit ihren Scheißkarren allen anderen den Weg versperren, egal ob ihre Koffer kommen oder nicht und obwohl dann nicht mal selbst an ihre Koffer kommen, weil rechts und links von ihnen schon andere Leute stehen. Meist sind es Frauen, die solche Aktionen bringen. Ich unterstelle Ihnen keine Absicht, sondern bin überzeugt, dass sie nach dem Flug einfach gern ihr Gehirn baumeln lassen wollen. Männer hingegen bekommen es meist auf die Reihe, den Wagen in zweiter Reihe zu parken. Mein Vater hat uns das schon früh beigebracht.

2.) Leute, die in der Öffentlichkeit auf ihrem Handylautsprecher Musik hören. Achtung, eine Durchsage: Wenn ihr sowas macht, seid ihr nicht cool. Ihr nervt dann nur wie Sau.

3.) Ich hasse iPod-Zombies. Sie sind überall, im Fitnessstudio aufm Cardiotrainer, im Supermarkt und auf der Straße, an der Kasse und in der Bahn. Überall schotten sich Leute mit ihren MP3-Playern von der Außenwelt ab und verhalten sich auch genauso asozial. Ich bin sehr dankbar dafür, dass sie ihren Klangrotz (hat in letzter Zeit mal jemand die deutschen Charts mitbekommen?!? Himmel, Arsch und Zwirn!) nicht über einen Handylautsprecher hören, aber es nervt wie Sau, dass sie nicht schauen, wohin sie laufen, und keinen Platz machen, weil sie nichts hören. Und ganz persönlich machen mich die leeren Gesichter genauso aggressiv wie das meist pubertäre Antigetue von Pseudostraßenpunks und anderen profilsüchtigen Würstchen.

4.) Außerdem geht mir die eine Kassiererin an der Theke vom Plus um die Ecke tierisch auf den Keks. Sie hat die ätzendste und krächzendste Stimme der Welt und einen IQ, der meist unter der Raumtemperatur liegt. Einmal hat sie, als ich an der Kasse stand, einen Typen angemacht, der seinen Krempel aufs Band gelegt hatte und dann noch mal verschwunden war, um was zu holen. Sie krächzte ihn an, und ich wäre ihr am liebsten mit einem Dampfbügeleisen übers Gesicht gefahren, nur um sie zum Schweigen zu bringen. Neulich war auch wieder eine ganz schlimme Situation: Eine Frau hatte nur Leergut zurückgebracht, aber die dumme Kassierernuss hatte die Einkäufe der nächsten Kundin auf ihr Konto gerechnet. Keiner hatte was bemerkt, bis die erste Kundin fast aus dem Laden war, und dann gackerten sich die drei Gehirnakrobatinnen zurecht, wer schuld war. Ich ballte die Fäuste in der Tasche und biss die Zähne kraftvoll aufeinander.

5.) Ganz schlimm finde ich diejenigen, die sich heute noch für eine Bergbauausbildung entscheiden, um Kohle abzubauen, und dann anfangen zu schreien, wenn der Staat plötzlich die Subventionen kürzt. Leute, aufgepasst und zugehört: Kohleabbau ist seit Ewigkeiten auf dem absteigenden Ast, und die Subventionsstreichungen sind Thema, seit ich lesen kann. Es gibt einfach nicht mehr so unglaublich viel Kohle, und Raubbau an der Natur ist eh nicht mehr so populär. Man denkt schon ewig darüber nach, endlich mal die Subventionen zu streichen, weil Kohle keine rentable Energiequelle ist. Wie kann man so blöd sein, sowas zu lernen und sich dann zu beschweren, wenn der Staat endlich die Mittel für etwas kürzen will, das sich schon ewig nicht mehr von selbst trägt? Kommt endlich mal im 21. Jahrhundert an! Ihr hattet jetzt echt Zeit genug.

6.) Mir gehen viel zu krass geschminkte Frauen nicht an sich auf den Sack, aber sie verschandeln das Stadtbild. So manche Frau schießt sich so derb mit der Schminkflinte ins Gesicht, dass sie ihr Spiegelbild vermutlich für E.T. hält. Auf der Rüttenscheider Straße gibt es viele solcher Aufbrezeln, die sich wahrscheinlich selbst noch schön finden, die sich aber wohl den Mörtel vor allem in die Fresse gespachtelt haben, um die Gletscherspalten zu kitten. Das sieht dann aus, als hätte der Macher der Muppet Show eine ganz besonders abgefahrene Puppe kreiert.

7.) Werbeschilder mit Rechtschreibfehlern, arx. Überall liest man Sachen wie "[…] auch zum mitnehmen" und ähnlichen Kack. Warum nur ist es so schwer zu raffen, dass "Mitnehmen" mit großem "M" geschrieben wird? Am schlimmsten finde ich, dass für Werbeschilder ein Arschgeld ausgegeben wird, aber nicht mal die Drucker auf die Idee kommen, das mal zu korrigieren, und dann von so manchem der Fehler kommentiert wird mit: "Ich finde, das ist gut so." Was ihr findet, interessiert mich und die Rechtschreibung einen Scheiß. Macht's richtig.

[seufz]

Mein neues Autoradio

Lang habe ich überlegt, was für ein Autoradio ich mir als nächstes kaufen sollte. Das alte ging ja irgendwie noch, wenn auch nicht so gut. Ein Lenco-Radio war das gewesen, irgendwas Billiges, im Internet bestellt, vermutlich von jemandem verkauft, der davon nicht viel verstand. Jedenfalls hatte die alte Gurke nach und nach Alterserscheinungen bekommen. Erst war die Plastikfrontblende des sich bewegenden Bedienteils abgefallen. Der Kleber hatte wohl nach den paar Jahren seine Dienste getan. Dann fiel irgendwann die Beleuchtung des Bedienteils aus, sodass man nachts immer die Innenraumbeleuchtung des Autos anschalten musste, wenn man einen Knopf suchte. Und zu guter Letzt hielt das Radio es für unangemessen, die eingelegte CD wieder herauszugeben, verweigerte entsprechen, das Bedienteil zu bewegen, wenn ich es darum bat. Vermutlich war dem Radio mein tyrannischer Ton missfallen.

Jedenfalls wurden mir Mitarbeiterkonditionen bei Saturn offeriert, und durch die Tatsache, dass ein Freund jemanden dort kannte, wähnte ich mich beratungstechnisch in guten Händen. Ich wollte ein Radio haben, das die ganzen Macken des Lenco-Kackradios nicht hatte, sondern guten Radioempfang und eine breite Palette von MP3-Abspielfunktionen. Dazu sollte es möglichst billig sein. Logisch.

Auf Empfehlung kaufte ich dann eins von Sony mit nem abnehmbaren Bedienteil, nem CD-Spieler drin und ner USB-Buchse vorn drauf. Sah ganz gut aus; mehr konnte ich nicht sagen, weil ich keine Ahnung hatte, was ich kaufen sollte.

Jedenfalls ist mit diesem Ding der Radioempfang viel besser; endlich kann ich nicht nur WDR5 in ordentlicher Qualität hören, sondern das vor allem auch noch, wenn ich telefoniere. Das alte Radio hatte, wenn das Handy beim Telefonieren in der Nähe war, nur so "I, I-I-I, I-I-I" gemacht. Außerdem ist der Radioempfang viel besser. Sender kommen klar rein, von denen ich vorher gar nicht wusste, dass sie existieren. Endlich läuft auch MP3-Abspielerei ordentlich: keine doofen Hüpfer mehr, kein Geknurpse durch einen drittklassigen Decoder, und endlich kann ich sogar darin spulen. Sehr schön auch: Man kann sich bei diesem Radio aussuchen, ob man nur im aktuellen Album oder die ganze CD im Shuffle-Modus spielen will. Zu guter Letzt ist der Klang viel satter. Man kann mit diesem Radio nämlich ein "XPLOD"-Preset nutzen, das so manches Lied deutlich kraftvoller macht. Klar surren meine Lautsprecher bei schon von Hause aus fett abgemischten Liedern da gern mal, aber man muss ja auch nicht immer auf voller Pulle Musik hören. Das machen nämlich nur Weisstdus mit winzigen Schwänzen.

Also ich find mein Radio super, hab's nur dummerweise im unteren meiner beiden Schächte eingebaut. Das muss ich noch mal ändern; der Schaltknüppel ist da gern mal im Weg.

Montag, Oktober 29, 2007

Die dämlichsten Alltagssprüche

Es gibt so unendlich viel sprachliche Redundanz, bei der sich meine Poperze vor Schmerz ruckartig zusammenzieht. Um Ähnliches bei euch, meinen lieben Lesern, auszulösen, kommt hier ein Ausschnitt derjenigen Sprachverfehlungen, bei denen der Popo besonders kneift.

"zumindestens"
Nein. Entweder "zumindest" oder "mindestens", aber nicht beides.

"Es ist so, dass …"

Hört man überall, auch im Radio. Oder gerade im Radio? Politiker sagen das total gern. Es ist so, dass wir uns so und so entschlossen haben. Aha. Es ist also so, ja? Wie wär's mit "Wir haben uns so und so entschlossen"? Geht nich? Muss man erst mit "Es ist so" einleiten?
Ey nein, muss man nicht. Aufhören bitte.

"Das könnte (theoretisch) möglich sein."
Eine wundervolle Verdreifachung der Möglichkeit mit Blähwort. Die Möglichkeit kann quasi sein, also eigenständig existieren. Wie tolerant wir uns heute wieder geben. Mit dem "könnte"-Konjunktiv wird's dann schon richtig blödsinnig, und mit dem "theoretisch"-Blawort wird's dann gänzlich bescheuert.

"Rückantwort"
Rückfragen kann es geben. Das "Rück"-Prafix bedeutet den Verweis auf etwas vorher Besprochenes. Erst wurde was gesagt, und dann fragt man noch mal in Bezug darauf nach. Rückfrage eben. Rückantworten wiederum sind Quatsch, weil eine Antwort sich schon begrifflich auf etwas vorher Gesagtes beziehen muss. Außerdem gibt's auch keine Vorantwort oder ähnlichen Quatsch.

"in keinster Weise"
Ah, Sie wollen sagen: "nicht"? Sagen Sie das doch. Sehr schön, dass man bei dieser Verblaung aber das "kein"-Wort gesteigert hat. "Das ist kein Kuchen, das da ist noch viel keiner Kuchen, und das da drüben, das da mit der rosa Kirsche drauf, ist am keinsten Kuchen! Keinsten, verstehste?!?"

"Insofern, dass", "Insofern, weil" und "Insofern, als dass"
Sehr oft gehört, trotzdem falsch. Es heißt: "Insofern, als" oder -- das mache ich gern -- "Insofern, wie". Wer was anderes sagt, hat die Konstruktion nicht begriffen. "Insofern" bedeutet vereinfacht gesagt: "so weit". Das "in" muss jemand in einer Weinlaune drangeklebt haben. Man könnte auch sagen: "Soweit ich das verstehe", was man auch mit "So weit, wie ich das verstehe" sagen kann. Kein Mensch käme auf die Idee zu sagen: "So weit, dass ich das verstehe" oder besser noch: "So weit, als dass ich das verstehe …" Aber sobald das böse Wort "insofern" auftritt, scheint es kein Halten mehr zu geben. Menschen kacken plötzlich völlig bereitwillig überall hin, sobald eine "insoweit"-Konstruktion kommt; dabei haben sie sie ganz offensichtlich nicht einmal verstanden.

"Erfolgen"
Auch ein Klassiker meines Arbeitsalltages. Überall sieht man es. Meine EC-Kartenzahlungen werden quittiert mit dem lieblos auf die grüne Digitalanzeige gerotzten Satz: "Die Zahlung ist erfolgt." Überhaupt erfolgen total viele Substantive, obwohl man auch genauso gut ein Verb benutzen könnte.
"Meine Zahlung ist erfolgt." Wie wär's mit: "Ich habe gezahlt"?
Versicherungen sind besonders schlimm, wie Juristen auch.
Meinem Chef geht das so sehr gegen den Strich, dass er im Büro den "erfolglosen Stil" fordert. Recht hat er. Ist nämlich Pisse, diese ständige Zersubstantivierung der Sprache.

"schnellstmöglichst"
Dieser Ausdruck schmerzt sehr, wütet geradezu in meiner Seele, tritt aber wohl vor allem auf, weil seine Benutzer ihn mal wieder nicht kapiert haben. "Schnellstmöglich" steht da natürlich nur für eine Vielzahl von Adjektivkonstrukten. Hier wurden fälschlicherweise beide Adjektive gesteigert; nur das erste zu steigern, wäre richtig gewesen. Man will in diesem Fall sagen: "so schnell wie möglich", also "schneller geht es nicht mehr" oder "das ist am schnellsten". Der "möglich"-Teil muss bleiben, wie er ist. Man sagt ja auch nicht "so schnell, wie möglichst", deswegen ist auch "schnellstmöglichst" falsch und "schnellstmöglich" richtig. So wie auch "bestangezogen", "weitestgehend" und "Penis". Das Letzte war ein Test. Überrascht?

"Wer FFährt mit Motorrad?"
Dieses Beispiel betrifft eher meine Schwulenfraktion. Manche Leute müssen ihre Vorlieben (in diesem Fall der klassische Faustfick, gern mit "FF" abgekürzt) an jeder Stelle unterbringen, egal wie unpassend die Situation oder ideenlos die Anspielung.


Und dann gibt es noch jede Menge Nasenblutersprüche, die bei "Stromberg" vor allem von Ernie gebracht werden. Wer tatsächlich so spricht, ist nicht lustig. Hier die schlimmsten Beispiele:

- "Tschö mit Ö"
- "Okäse" für "okay"
- "wunderbärchen"
- "Alles klärchen."
- "Märchensteuer" für "Mehrwertsteuer"
- "Hasse nich' gesehn"
- "Frag nich' nach Sonnenschein."
- "Tel-Aviv" für "C'est la vie"
- "ausm FF"
- "etc. PP" wenn man nicht weiß, was es heißt
- "Nur die Harten kommen in den Garten."
- "bis zum Geht-nicht-mehr"
- "ohne Ende"
- zu allem ständig "Hammer!" sagen
- "zum Bleistift" oder "zum Bleifisch" für "zum Beispiel"
- "Prostata" für "Prost"
- "à votre sanitär" statt "à votre santé"

Ich aktualisiere die Liste hin und wieder, wenn mir noch was einfällt.

Freitag, Oktober 26, 2007

Bericht meines USA-Urlaubes fertig

Hallo Freunde,

dass von Ende August bis Mitte September bei meinen zwei Busenfreunden Tim und Gary aus Houston war, wissen viele von euch. Ich hatte es verschiedentlich angekündigt, aber jetzt ist es endlich so weit.

Der Urlaubsbericht ist fertig!

Ich poste ihn aber nicht hier, weil er mit Fotos etwa 50 Seiten lang ist und er den Rahmen dieses Blogs sprengen würde. Wer ein Exemplar (PDF-Dokument) haben möchte, soll mir eine E-Mail schreiben. Dann schicke ich eine Kopie raus.

Der Bericht ist glaube ich spaßig und interessant geworden, und bei den ganzen Fotos darin bekommt man wohl ein schönes Urlaubsgefühl.

Ich warte auf eure Mails,

eure Reiseelse

Dienstag, Oktober 23, 2007

Ja, auf FÜNFUNDDREISSIG QUADRATMETERN!

Seit etwa drei Monaten habe ich eine Mitbewohnerin. Ich kenne sie seit ziemlich genau zehn Jahren. Wir lernten uns im Oktober 1997 in Marburg zu Beginn unseres Jurastudiums kennen, in einer Eckkneipe, deren Namen ich glücklicherweise vergessen habe. In dieser Kneipe hatte ELSA (European Law Students Association) damals seinen Stammtisch, für den wir beide und eine Reihe anderer Erstsemester ("Frischfleisch") uns interessierten. Gott weiß, was mich damals geritten hat, da hinzugehen. Kontaktsuche vermutlich, die Suche nach dem Sinn des Jurastudentenlebens oder der schiere Drang, mir nach der entmutigenden Antrittsvorlesung des damaligen Dekans Prof. Dr. Schanze mit Anlauf die Rübe wegzuschießen.

Sie saß auch da, eine Metisse, eine schokobraune Schönheit mit langem schwarzem Haar und leichtem französischem Akzent. Sie sagte z. B. "Teeleefon" statt "Teelöfon", wie das sonst jeder machte. Was ich als Erstes sagte, weiß ich nicht mehr. "Hallo", vermute ich, oder irgendwas ähnlich Profanes. Ziemlich direkt danach polterte ich dann aber schon mit etwas wie "Nur dass ihr's wisst: Ich bin schwul." daher. So war ich damals. Heute ist mir diese Art sehr fremd, macht mir geradezu Angst, und ich bin sehr kontaktscheu geworden.

Amalia (Spitzname: Maia) (Name von der Redaktion geändert) hieß sie. Wir hatten damals beide in ELSA einen Vorstandsposten. Also jeder einen, nicht einen zusammen. Sie machte Academic Activities, ich Marketing. Das war lustig.
Nach fünf Semestern zog sie nach Berlin, ich nach Bielefeld. Das hätten wir beide viel früher machen sollen; entgegen landläufiger Meinung ist Marburg nämlich ein verfluchtes Dreckskaff voller profilsüchtiger Würste, Spinner, Geisteskranker und von Inzucht gebeutelter Eingeborener. Schon damals scheiterten meine Pläne, Marburg in Schutt und Asche zu legen, nur an meiner Gesetzestreue.
Und Bielefeld war entgegen meinem ersten Eindruck tatsächlich nicht so übel. Dass Berlin sehr gut gewesen wäre, hatte ich damals nicht auf dem Schirm gehabt.

Ich bewunderte Amalia immer für ihre Weltzugewandtheit, traute mich aber selbst nie, den großen Sprung zu machen. Sie war ständig auf dem Sprung, fuhr mit dem Zug fürs Wochenende nach Paris, war hin und wieder bei der Familie in Kamerun und hatte Freunde in fast jeder Großstadt in Europa. Und ich? Ich hatte eine Fernbeziehung in Wolfenbüttel, fuhr regelmäßig mit dem Regionalexpress nach Braunschweig und litt unter dem pöbelnden Abschaum, der immer in Herford ein- oder ausstieg.

Sie erzählte mir irgendwann mal von einer Regel von ihr: Sie wolle so viele neue Städte im Jahr besuchen wie möglich. Ach so ging das! Das konnte ich auch, dachte ich mir, und nahm die Herausforderung an. Dieses Spiel würde sie verlieren, ha! Aus Angst, sie könnte meine Teilnahme als Ansporn sehen, noch mehr reisen und mich gnadenlos abhängen, sagte ich ihr nichts davon. Als Stadt sollte, so definierte ich still und heimlich für mich, nur ein Ort mit mindestens 100.000 Einwohnern gelten. Das würde sie sicherlich auch so sehen und, wenn ihre Regeln eine niedrigere Zahl vorsähen, im Ernstfall Treffer von ihrer Liste streichen.

Es vergingen Jahre, und Examina wurden bestanden. Ich machte meine Wahlstation in Toronto, sie in Paris. Unentschieden. In meiner Zeit in Toronto besuchte ich allerdings San Francisco, Montreal, Manhattan und Buffalo. Sie? Keine einzige andere Stadt, die gezählt hätte. Dingdingdingdingdingding, and we have a winner!

Nach meinem zweiten Examen zog ich nach Düsseldorf; sie war nach Koblenz gezogen. Punkt für mich und Styleabzug für sie. Daran knapst sie heute noch, ha!

Irgendwann, als ich genug Punkte gesammelt hatte, erzählte ich ihr von unserem Wettbewerb, worauf sie mir sagte, dass sie gar nicht möglichst viele neue Städte im Jahr sehen wolle, sondern mindestens eine neue Hauptstadt im Jahr. Die Welt sollte nie wieder sein wie vorher; meine Siege wurden schlagartig zu Unentschiedens. Es blieben mir nur die Erinnerungen an tolle Zeiten. Ich hasse sie noch immer dafür.

Nach ihrem zweiten Examen war Amalia eine Weile arbeitslos. Dieses Schicksal trifft heute sehr viele Juristen nach ihrem Examen. Dafür muss man nicht einmal ein schlechtes Examen machen. Sie bewarb sich hier und da und wollte aus Koblenz weg. Wahrscheinlich um die Punkte wieder wettzumachen, die sie die Koblenz-Zeit gekostet hatte. Und da sie Arbeitsrecht macht, bewarb sie sich bei der Agenturbehörde für Arbeitsbeamte um einen Platz bei einem einschlägigen Fachanwaltslehrgang. Davon ahnte ich nichts.

Die Mitteilung kam am Freitag, dem 20 Juli: Fachanwaltslehrgang bewilligt. Er startet am 26. Juli. In Düsseldorf. Sie rief mich sofort an. Ich stand gerade in der Mittagspause an einer Bushaltestelle, um mein Auto aus der Werkstatt abzuholen. Gott weiß, was mit der Karre schon wieder nicht in Ordnung gewesen war. Es war sehr sonnig und heiß gewesen, und ich schwitzte und fühlte mich in meinem Anzug neben all dem blinden übergewichtigen Fußvolk deplatziert und hatte Angst, bei den Kleidungsfarbverfehlungen auch bald zu erblinden.
Ich sah, dass Amalia anrief, nahm den Anruf an, ließ mir vom bewilligten Fachanwaltslehrgang berichten und wartete ihre Frage gar nicht ab, sondern sagte direkt: "Klar kannst du bei mir wohnen." Bei ihr hatte ich nicht das geringste Bedenken. Sie hatte WG-Erfahrung noch und nöcher. Ich dagegen? Zehn Jahre allein gewohnt. Ob ich überhaupt mit jemandem zusammen wohnen konnte? In zwei meiner Beziehungen hätte ich lieber bei Aldi an der Kasse angefangen, als mit meinem Partner zusammen zu wohnen, und in den beiden anderen wollte der Partner nicht. Bilanz und Tendenz unklar.

Seit Mittwoch, dem 25. Juli wohnt Amalia bei mir. Bei mir = Einzimmerwohnung mit 35 m². Auf der Couch. Da schläft sie natürlich nur; sie darf sich sonst frei bewegen. Ich mache morgens hervorragendes Käffchen, sie oft hervorragendes Abendessen. Sie putzt das Klo, ich bügele und versuche, sie mit Handwerkern zu verkuppeln.

Wenn wir Freunden und Bekannten davon erzählen, dass wir zusammen wohnen, variieren die Wörter der Antworten, aber sie gehen alle in die gleiche Richtung. Und ja, allen Unkenrufen zum Trotze, das ginge doch nicht, wie hielten wir das aus und wir täten der Mit- und Umwelt leid, kommen wir großartig miteinander klar und genießen es. Wir haben nicht zu wenig Platz, es stört uns nicht, im gleichen Zimmer zu schlafen, und keiner von uns hat Ticks, die heruntergeklappte Klodeckel oder nicht gespültes Geschirr betreffen. Das Einzige, was wir beide gern hätten, ist mehr Platz für Klamotten, weil die gern wild in der Gegend verteilt werden.

Klar: Wir können uns nicht irgendwelche Leute zum Vögeln nach Hause einladen. Oder sagen wir genauer: Wir haben's bislang nicht versucht, weil wir nicht wissen, wie der andere darauf reagiert. Aber ich glaube, das Interesse daran ist sehr überschaubar. Es hat jedenfalls bislang keinem von uns Tränen in die Augen getrieben, und bevor es so weit kommt, sprechen wir das ab und weichen auf andere Betten für die Nacht aus. Angebote gibt es; man fühlt also mit uns. Oder man hat Mitleid; das lässt sich oft schwer abgrenzen.

Aber Mitleid ist völlig fehl am Platz, weil wir nicht aus finanzieller Not oder Angst vor Einsamkeit zusammen wohnen. Wir genießen das Miteinander und brauchen nicht mehr Platz. Wenn wir mal mehr haben, ist es auch in Ordnung, aber aktuell fehlt uns nichts außer einer neuen Flasche Campari.