Mittwoch, August 22, 2007

"Hier mal die Obdachlosenzeitung"

In meiner Mittagspause schlendere ich oft am Haupteingang der nahe gelegenen Hertie-Filiale vorbei. Dort steht fast immer ein Mann mit leeren Augen und einer Zeitung im Hochformat in der Hand. Er versucht, die Essener Obdachlosenzeitung zu verkaufen. Mit quarzgesteuerter Präzision sagt er im Zehn-Sekunden-Abstand:

"Hier mal die Obdachlosenzeitung."

Dabei sind die Wörter "Hier mal" fast bis zur Unverständlichkeit zernuschelt, als könne er seinen Mund nur schwerlich davon überzeugen, den Satz noch einmal zu sprechen, und zum Ende des Satzes hebt er die Stimme, um ihn zur Frage nach Verkaufswillen der Hörer zu erheben. Er muss diese Worte schon so oft gesagt haben, und merklich hörbar ist jede Spur von Enthusiasmus aus ihm gewichen. "Hier mal die Obdachlosenzeitung, hier mal die Obdachlosenzeitung." Als hohles körperliches Werkzeug spricht er sie wie ein Mantra ohne Verbindung zu seinem Verkaufsprodukt, ohne Ziel, ohne Seele, ohne Hoffnung.

Ich habe ihn noch nie ein einzelnes Exemplar verkaufen sehen, was daran liegen mag, dass ich ihn nie länger beobachtet habe, sondern aus persönlicher Berührung immer vorbeigegangen bin.

Dass sich Obdachlosenzeitungen schlecht verkaufen, hat einen Grund. Einen guten sogar, wie ich finde. Sie sind das Kind von Beschäftigungstherapie und meist nicht nur grottenschlecht geschrieben und aufgemacht, sodass sogar mir als Farbenblindem bei diesem Schwarzweißdruck die Augen brennen, sondern auch zum Sterben langweilig. Die dort behandelten Themen beinhalten fast immer eine Grundkritik an "der Politik", ein Interview mit einem damit Befassten, dem dann grauenvoll uninteressante Fragen zum Thema Obdachlosigkeit gestellt werden, zu denen er manchmal nichts Vernünftiges beitragen kann, und allerlei Terminsankündigungen, die mich etwa so sehr interessieren wie die Kelly Family, allerdings ohne deren Frisurenbelustigungsaspekt.

Nach anfänglichem soziologischem Interesse habe ich aufgehört, Obdachlosenzeitungen zu kaufen. Nicht nur, aber auch, weil mir das Geld zu schade ist, sondern vor allem, weil die kreativen Obdachlosen sonst das Gefühl hätten, dass mit an der Zielgruppe völlig vorbei produzierter Ware Geld zu verdienen ist. Das wäre in etwa so, als würden die A3-Berufspendelfahrer eine eigene Zeitung herausgeben und erwarten, damit auf dem Ku'damm in Berlin den großen Durchbruch zu machen. Die müssen irgendwann mal begreifen, dass sie, wenn sie was tun wollen -- was ich stark befürworte --, sich etwas vornehmen müssen, das man auch kaufen will. Sonst ist das alles nicht mehr als müde Almosen.

Aber man kann natürlich auch Scheiß produzieren und sich dann, wenn's niemand kauft, darüber beschweren, wie unsozial alle sind. Das habe ich zugegebenermaßen bislang niemanden von ihnen sagen hören, aber ich habe auch nie jemanden danach gefragt.
Vielleicht haben die Jungs aber auch die Hoffnung schon lang aufgegeben.

So steht jedenfalls der Mann mit dem müden Mund jeden Tag bei Hertie und spricht dieses Mantra, immer und immer wieder.
Manchmal frage ich mich, wo er sich in zehn Jahren sieht. Und dann wird mir klar, warum er müde ist.

Dienstag, August 21, 2007

Vom guten Schenken

Ein Thema, das jeden beschäftigt: Schenken. Was schenkt man wem, wann und wie? Und machmal auch: warum? Einzel- oder Gruppengeschenk, wie teuer soll oder darf es sein, und zu welchem Anlass schickt sich ein bestimmtes Geschenk?

Der eine und andere meiner Freunde weiß, dass ich schon viel Scheiß verschenkt habe, vor allem zu Geburtstagen. Termindruck gepaart mit wenig Zeit zum Shoppen macht es möglich: Die Party rückt näher, und bevor man sich versieht, steht man wieder vor der Wahl, ob man irgendwas "Lustiges" oder Scheiß verschenkt. Da aber auch das meiste Lustige totaler Scheiß ist, ist oft schon von Anfang an klar, wohin die Reise geht.

So verschenkte ich einem Freund jahrelang Sachen mit Kuhmotiv, einfach weil sein Spitzname es erlaubte. Nun ja. Wir werden alle älter und weiser, und wenn wir unsere Zeit nicht völlig hirnlos verlebt haben, haben wir auch beim Schenken dazugelernt. Aber die Frage, was man verschenken soll, beschäftigt uns alle, wenn auch unterschiedlich intensiv.

Zu meinem Hintergrund: Ich komme aus einer Familie, in der Schenken eine Formalie ist, obwohl meine Eltern sich stets bemühen, es immer dann nicht nach Zwang aussehen zu lassen, wenn es traditionell an der Zeit wäre, ihnen etwas schenken. Geschenke waren Zeit meines Lebens fast nie persönlich, sondern vor allem teuer, was hin und wieder nicht über die Tatsache hinwegtäuschen konnte, dass sie für den Beschenkten völlig unpassend waren. Dazu kommt, dass besonders mein Vater sich anscheinend noch nie über ein Geschenk gefreut hat und überhaupt kein Gefühl dafür zu haben scheint, was ein gutes Geschenk ist. Da darf man sich nicht wundern, wenn die Nachkommen in diesem Bereich eine Nachhilfestunde brauchen. Ein Prost auf die Gemütlichkeit.

Aber ans Eingemachte: Was steckt hinter Geschenken?
Ein Geschenk ist gut, wenn es drei Kriterien erfüllt:

1.) Der Schenker mag es.
2.) Der Beschenkte mag es.
3.) Es verbindet Schenker und Beschenkten.


So einfach ist das. Theoretisch.

Ein ganz praktisches Problem hat man allerdings ganz zwangsläufig, sobald man sich nach diesen Regeln richten möchte (so wie ich): Man findet annähernd gar kein gutes Geschenk mehr. Plötzlich ist die Welt randvoll mit Mist, den niemand braucht oder haben will, und man hat das Gefühl, beliebig viel Zeit völlig ohne Erfolgsaussichten in die Geschenkwahl investieren zu können. Man ist ja bereit, Geld dafür auszugeben, aber halt nicht für Mist. Wenn man dann auch noch so wenig Zeit zum Shoppen hat wie ich bzw. am Shopping-Samstag, der als einziger Tag verbleibt, immer in Städten ist, in denen man sich nicht auskennt (so wie ich), zwängt sich quälende Uninspiriertheit geradezu auf. Die Qual schlägt sich schließlich körperlich nieder, wenn man dann zu allem Überfluss den Beschenkten nicht einmal gut kennt. Das hat Kopf- und Gliederschmerzpotential.

So sehe ich zu allen Gelegenheiten ganz grauenhafte Geschenke, überall. "Geschenksuche" ist ein Programm, das bei mir immer resident im Speicher mitläuft. Jeder noch so unbedeutende Ausflug ist gleichzeitig die stille Suche nach einem guten Geschenk.

Besonders uninspirierend sind oft Besuche auf Webseiten von Geschenkversandhäusern. Man findet alles von Vasen in Herzform, die nicht einmal in den 80ern als Motive in Neonfarben auf schwarzem Hintergrund chic gewesen wären, über Mensch-ärgere-dich-nicht-Spielen mit Schnäpsen als Spielfiguren bis zu Olivenschiffchen, die idealerweise zu nichts anderem im Haushalt passen. Extrabescheuert sind auch "Designer"-Bilderrahmen und -- Achtung: geht auch gar nicht! -- Backformen in Männerform ("Der richtige Mann für dich muss erst gebacken werden!"), für die der Nasenbluterfreundeskreis sich irgendwann in geistiger Umnachtung zu Beate Uhse geschlichen und dort geisteskrank viel Geld auf den Tisch gelegt hat (und sich total cool vorkam, weil keiner von ihnen sich vorher je in einen Sexshop getraut hatte). Glücklicherweise kann ich mit Stolz sagen, dass für keinen meiner Freunde der letzte Punkt je in Betracht gekommen wäre.

Jedenfalls schlendere ich in meiner zugegebenermaßen knappen Freizeit ab und zu an Schaufenstern vorbei. Und doch finde ich zu festen Terminen fast nie ein gutes Geschenk (oder "Mitbringsel", wie man Geschenke an Unbekannte gern nennt). Ganz selten ist mal etwas Brauchbares dabei, und wenn doch, bietet es meist ein Versandhaus aus den USA an, das nicht oder nur mit extrem hohen Portokosten nach Deutschland liefert. Überhaupt hat man in Nordamerika deutlich besser verstanden, wie Geschenke sein müssen. Das sieht man schon daran, dass Hallmark -- ein Grußkartenhersteller -- sogar in vielen Drugstores eine Kartenecke hat und man dort jede Menge so geiler Karten findet, dass einem danach an deutschen Kartenregalen der blanke Brechreiz Ohrfeigen austeilt.

Meine Schwester hatte neulich Geburtstag, und hier realisierte ich wieder einmal, wie wenig ich über sie weiß. Wir wohnen etwa zehn Minuten Fahrradweg auseinander, könnten aber auch auf unterschiedlichen Kontinenten wohnen und ähnlich viel Kontakt haben.
Bei diversen Sachen überlegte ich hin und her, ob ich es ihr schenken sollte, musste aber bei ausnahmslos jeder Sache feststellen, dass ich sie nicht gut genug kannte, um zu sagen, ob sie sie mögen würde oder vielleicht schon hat.
Sie hatte sich zum Bohren in ihrer Wohnung mehrmals die Bohrmaschine unserer Eltern ausgeliehen, weil sie so etwas nicht hat. Da kam mein Vater spontan auf die Idee, ihr eine Bohrmaschine zum Geburtstag zu schenken. Das mag auch auf den ersten Blick nach einer guten Idee aussehen, aber man darf dabei nicht vergessen:

Erstens: Bohrmaschine, hallo? Soll's nicht besser ein neuer Auspuff oder eine Betonmischmaschine sein?
Zweitens: Bohrmaschine sagt in diesem Zusammenhang: "Hier hast du selbst eine. Jetzt besuch uns nicht mehr wegen so etwas." Mit erniedrigendem Spitznamen hinten dran. Oder wahlweise auch: "Uns geht es auf den Wecker, dass du die Bohrmaschine nicht wieder ordentlich verpackt zurück gibst; jetzt kannst du deinen eigenen Kram verhunzen."

Die Diskussion, warum meine Schwester als Endzwanzigerin mit Eigentumswohnung keine eigene Bohrmaschine hatte, möchte ich hier übrigens nicht führen.

So habe ich ihr eine Shoppingtour geschenkt. Klamotten shoppen gehen, z. B. im McArthur Glenn-Shoppingbunker in Roermond oder bei Mexx in Mönchengladbach bzw. Korschenbroich. Das könnte lustig werden und erfüllt die drei Kriterien: Ich geh gern shoppen, sie kann sich heraussuchen, was ihr am besten gefällt, und wir verbringen Zeit miteinander. Besser geht's wohl kaum. Jetzt muss ich nur noch einen Tag am Wochenende finden (sogar Sonntag wäre okay, weil die Bude sonntags geöffnet ist), an dem ich auch in Düsseldorf bin.

Übrigens: Das beste Geschenk, das ich jemals gemacht habe, war ein Poster von Pe Werner für meinen damaligen Freund, von ihr nach einem Konzert mit "Für Hans-Joachim, Pe Werner" signiert. Pe Werner war Musik, die uns damals stark verband, und dass ich es hinbekommen hatte, das Poster von ihr auch noch mit Widmung signieren zu lassen, war der Oberhammer.

Und damit ich jetzt nicht nur herumquängele, sondern noch ein bisschen helfen kann, sind hier ein paar Ideen für Geschenke an Leute, die man nicht besonders gut kennt:

- Alessi-Zahnstocherhalterhase "Magic Bunny"
- Philips Wake-up Light
- Sachen von thinkgeek.com
- Gutschein für eine Buchhandlung
- Gutschein für eine Wellness-Oase
- Gutschein für einen gemeinsamen Kochkurs

Fröhliche Geschenksuche!

Freitag, August 17, 2007

Honda Civic Hybrid!

Der Verkehrsclub Deutschland hat seine Liste der umweltfreundlichsten Fahrzeuge mal wieder aktualisiert. Das finde ich sehr gut. Nicht nur, weil endlich mal einer mit Fachwissen sagt, welche Fahrzeuge die Richtung weisen, sondern auch, weil da jetzt ein Fahrzeug auftaucht, das mir auch noch richtig gut gefällt:

Der neue Honda Civic Hybrid!

Der ist sogar nicht nur Führer seiner Klasse, sondern insgesamt. Das umweltgeilste Auto ist gleichzeitig das augengeilste.

Warum sich solche Autos nicht besser verkaufen, fragt sich da natürlich jeder, und die Autoindustrie antwortet, wie sie antworten muss: Weil sich viele PS besser verkaufen als umweltbewusste Autos, bei denen weniger Dampf unter der Haube steckt. Je mehr Kraft, desto mehr Geld sind Leute bereit, dafür auszugeben, auch wenn schon lang die Zeit gekommen ist -- gerade in Großstädten --, sein Ego wachsen zu lassen und auf solche Machoallüren zu verzichten.

Dieses Kaufverhalten bedeutet in Wahrheit nämlich vor allem eins: Es laufen viele Männer mit winzigen Pimmeln durch die Welt und machen sich und andere damit unglücklich, dass sie ihre Impokompetenz durch ein möglichst lautes, schnelles und protziges Auto und den damit verbundenen Vergleichsfahrstil auszugleichen trachten.

Nicht so bei mir, und es liegt mir am Herzen zu sagen: Ich habe einen großen Penis und finde dementsprechend Autos spitze, die die Umwelt so wenig wie möglich belasten, so wenig Krach wie möglich machen und in winzige Parklücken passen. Es ist zwar extrem uncool, aber ich versuche sogar nach Möglichkeit, so zu parken, dass andere auch noch einen Parkplatz finden. Denn ich lebe gern in einer Großstadt, mit vielen Menschen, und viele Menschen haben viele Autos, und viele Autos brauchen viel Platz. Und jetzt die Krönung: Kleinere Autos = mehr Parkplatz! Je kleiner das Auto, desto sozialer! Raffse?

Die Autos, die ich fahren will, müssen keine drölfzigtausend km/h fahren können, nicht die zehnköpfige türkische Familie transportieren, die ich eh nicht habe, und auch nicht den Spitzeneindruck machen, wenn man jemandem zum ersten Date abholt. Ich lade mir meine Dates nämlich nach Hause ein oder treffe sie in einer Kneipe, in der Autos keine Rolle spielen.

Verehrte deutsche Autoindustrie, komm endlich aus dem Quark und biete wenigstens ein paar Autos für Mädchen wie mich an, die unserem Planeten nicht noch mehr in die Eier treten wollen. Wir ruinieren unsere Umwelt mit unserer Selbstsucht, und du unterstützt den Mist auch noch mit deiner Geldgier. Und damit verabschieden wir uns für heute von Deutschland als Marktführer in Sachen Zukunftstechnologie. Schalten Sie auch nächste Woche wieder ein, wenn wir eine weitere Folge zeigen aus der Reihe: "Deutschland, wie schön zerfickst du dich selbst"
Gute Nacht, meine Damen und Herren.

Übrigens: Die beispielhaft genannte Familie musste türkisch sein, weil das die einzige Bevölkerungsgruppe in Deutschland ist, die überhaupt noch zehn Köpfe zählen kann. Deutsche vögeln gern, aber eher mit Kondomen. Ob das gut ist, liebe Freunde, diskutieren wir an anderer Stelle. Nicht.

Dienstag, August 14, 2007

Political correctness my ass

Sitzen zwei Lesben am Frühstückstisch. Sagt die eine zur anderen: "Gibst du mir bitte mal die Salzstreuerin?"

Worüber ich einst vor Jahren auf dem Campusgelände der Universität Bielefeld schallend gelacht, beschreibt kurz und prägnant den Wahnsinn, in den uns politische Korrektheit geführt hat. "Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter", "Kolleginnen und Kollegen", "Studentinnen und Studenten". Ständig kriegt man es zu hören. Was für ein unsäglicher Umstand, nur damit eine Handvoll Weiber sich endlich beachtet fühlt und deren Rentierpulli trangenden, Lieder machenden Sozialpädagogenmänner die Welt ein Stück gerechter gemacht zu haben meinen. Im Beamtenbereich ist es am schlimmsten. Überall stellt man die weibliche Form des Wortes voran, obwohl alle wissen, was gemeint ist, nur weil ein paar sorgfältig selbst auserwählten Spinnern sonst die Poperze kneift.

Lasst diese Rotze endlich sein. Politische Korrektheit kann mir am Hobel blasen, ehrlich.

Es nervt nicht nur wahnsinnig, sowas ständig im Radio zu hören, sondern außer Umstand hat auch niemand etwas davon. Glaubt mir eins: Wer Frauen -- oder wen auch immer -- für minder bemittelt hält, fühlt sich in so einem Quatsch nur bestätigt, und derjenige, dem dieser ganze Geschlechterquotenscheiß egal ist, meint eh beide Geschlechter, wenn er von "die Mitarbeiter" spricht. Es hülfe übrigens auch ein Blick in andere Sprachen, in denen es völlig klar ist, dass beide Geschlechter gemeint sind, und in denen niemand auf so einen Gehirndurchfall kommt. Kommt endlich klar damit, dass sich nicht alles um euch dreht, auch wenn ihr hübsche Brüste habt.

Etwas anderes ist es, von einem Mitarbeiter zu sprechen. Da sollt ihr euren Toleranzkrampf meinetwegen haben, weil es da tatsächlich zu Missverständnissen käme, wenn man nicht von "die Mitarbeiterin" spräche. Aber im Plural nervt es ausschließlich.

Kurzum: Es geht allen Beteiligtinnen und Beteiligten, die hier nicht ihre Geltungssucht ausleben müssen, auf die Eierinnen und Eier. So wie das auch bei dem neuen Gleichbehandlungsgesetz ist, das ich für einen glänzenden Spiegel unserer Zeit halte. Ein Prosit auf Deutschland, seit jeher bekannt für seine Regelungswut, jetzt mit dem Stock tiefer denn je im Rectum.

Geschlechterspezifische Bezeichnungen im Plural gehören in Witze wie den oben stehenden oder dorthin, wo der Pfeffer wächst.

Merkt euch das.

Mittwoch, August 01, 2007

Ignorantes Raucherpack

Das war ein toller Plan mit dem halbherzigen Rauchverbot der Regierung. Seit Ewigkeiten geistern Meldungen, Gesetzesentwürfe und Argumente für und gegen ein allgemeines Rauchverbot durch die Medien. Man diskutiert in Funk (dieses Wort spreche ich übrigens gern englisch aus) und Fernsehen in endlosen Debatten -- geführt von Lobby und Idealisten, was nie interessant oder auch nur unterhaltsam ist -- darüber, und es werden nur faule Kompromisse gemacht, die am Ende bewirken, dass nach wie vor geraucht wird, nur an anderen Stellen.

Ich bemerke das vor allem, wenn ich tagsüber in der Mittagspause die Rüttenscheider Straße entlanglaufe. Dieser kleine Ausflug, den ich herzlich gern nutzen würde, um mal aus dem Raucherabteil heraus zu kommen (so nenne ich den Bereich mit drei Büros, in dem meins liegt, das neben dem meines Chefs liegt, der nach Möglichkeit Kette raucht), wird regelmäßig zur Widerwärtigkeit zur Mittagsstunde.

Wann immer ich nämlich diese Straße entlanglaufe, stehen überall Menschen und rauchen. Eine tolle Idee: Man darf in den Geschäften nicht mehr rauchen; dann stellt man sich einfach auf den Fußweg und tut das dort. Sobald auch nur ein bisschen Wind weht, hat man von jedem Raucher auch noch in mehr als zehn Metern Entfernung etwas, und bei der Masse von Rauchern bräuchte die Hälfte von ihnen für einen Nikotin-Flash vermutlich nicht einmal selbst zu rauchen, sondern könnten sich einfach neben einen anderen Raucher stellen. Das hätte außerdem eine soziale Komponente, die sich Raucher ja zur Unterstreichung ihrer Sucht immer gern selbst attestieren. Und eins muss man Rauchern auch wirklich lassen: Sie sind sehr tolerant gegenüber allen, die auch so denken wie sie selbst.

Zu alledem kommt es nur wegen der Abhängigkeit der Raucher. Sagen wir es offen: Käme heute jemand mit der Erfindung der Zigarette um die Ecke und wollte Tabakwaren verkaufen, würden alle wegen der gesundheitlichen Schäden einen solchen Radau machen, dass die Sache ganz schnell wieder vom Tisch wäre. Nie im Leben dürfte jemand etwas derart Schädliches verkaufen! Mit einiger Wahrscheinlichkeit bekäme er für so einen Vorschlag auch noch von zwielichtigem Gesindel ein paar Zähne ausgeschlagen oder wahlweise eine Karotte in den Po und einen Apfel in den Mund gesteckt. Oder anders herum; ich kann mir das nie merken.

Aber bei uns war die Nikotinsucht nun einmal vor dem Gesundheitsbewusstsein da. Man tut natürlich überall so, als wäre man um die Gesundheit der Allgemeinheit bemüht. Tatsächlich gibt es aber zwei Gründe, warum das Rauchverbot noch immer nicht absolut und unbeschränkt da ist, obwohl es früher oder später -- bei dem Phlegmatismus unserer Politikerheinis wohl eher viel später -- kommen muss.

Einerseits verdient sich der Staat sich an der Tabaksteuer eine goldene Poperze. Da steht es um die einst ehernen Prinzipien natürlich nicht besonders gut. Oft sind Menschen nur in Bezug auf ihr Ziel unkonstant, beharren aber auf ihren Mitteln. In der Polititk ist einem sogar das egal. Man macht, was immer die meiste Kohle bringt, und solange man möglichst viele Buzzwords wie "Gesundheit" oder "Terror" verwendet, kommt ja bekanntlich jeder Scheiß durchs Gesetzgebungsverfahren. Bild-Leser sind eine große Wählergemeinschaft, und schließlich haben auch viele andere Leser nicht alle Latten am Zaun.

Außerdem aber ist Nikotin ein starkes Suchtmittel, und die Suchtbolzen in der Polititk sind schwerlich davon zu überzeugen, eine Gesetzgebung durchzusetzen, die sie dazu zwänge, das Rauchen sein zu lassen. Das Ergebnis ist klar; nur der Weg dahin muss noch geteert werden.

Besonders die psychische Abhängigkeit bei Zigaretten ist extrem hoch. Fast alle Raucher lügen sich einen zurecht, sie wollten nicht aufhören, aber in Wahrheit sehnt sich kein Raucher nach etwas sehnlicher als danach, endlich die Griffel von dem Scheißzeug lassen zu können. Manch einer betont seinen Genuss beim Rauchen interessanterweise auch dann noch, wenn er bereits eine schwere Krebsoperation hinter sich hat, die eindeutig auf sein Rauchen zurückzuführen war.

Am meisten jedoch regt mich an diesem Thema auf, dass Raucher bei der ganzen Sauerei, die sie anderen antun, auch noch Toleranz von Nichtrauchern fordern. Was für eine grenzenlose Frechheit. Man nimmt in Kauf, dass andere leiden, weil man nicht bereit ist, seinen Suchtarsch hochzukriegen und ein- für allemal aufzuhören. Das wäre nicht so bequem wie, sich schlicht die nächste Kippe anzustecken.

Um das Thema im Umgang mit mir gar nicht erst aufkommen zu lassen, hat mein Chef mich schon am Anfang eingenordet: "Ich rauche, und das bleibt so. Das kann ich Ihnen gleich sagen."
So oder ähnlich war die Formulierung.

Ich halte übrigens die Bezeichnung "blauer Dunst" für Zigarettenqualm für einen üblen Fehlgriff. Blau -- das weiß jeder seit den Science Fiction-Filmen der frühen 80er -- steht für die Guten. Die Bösen schießen immer rote Laserstrahlen. Blau strahlt außerdem Kühlheit aus. Vor allem deswegen soll man nach Feng Shui (das U wird übrigens nicht gesprochen, sondern nur als Rampe für das I verwendet) sein Schlafzimmer auch in blau oder anderen kühlen Farben halten.

Am gar nichtesten geht Rauchen außerdem im Bett, im Auto (oder Zugabteil) und beim Essen.

Merkt euch das.

Und kommt endlich mit einem umfassenden Rauchverbot in ganz Deutschland in der gesamten Öffentlichkeit um die Ecke. Es reicht und nervt langsam. Geld zu scheffeln mit der Sucht von Menschen ist schäbig.