Mittwoch, August 20, 2008

Wien kann sich selber ficken

Am vergangenen Wochenende war ich wieder in Wien. Gibt keinen Punkt, ich weiß, aber Hartmut hatte vor Monaten gesagt, er wolle einen Flug umbuchen, weil er sonst verfiele, und ich schlug damals Wien vor, weil mir die Stadt an Silvester ganz gut gefallen hatte. Dann war uns etwas unpassenderweise die Trennung dazwischengekommen, sodass ich dachte, wir würden diese vier Tage nicht mehr zusammen verbringen.

Haben wir aber. Hartmut war nach wie vor dabei, und so machten wir das wie geplant. Am Donnerstagmorgen flogen wir beide -- er von Berlin, ich von Düsseldorf -- zu fast der selben Zeit nach Wien und wiederum fast zeitgleich am Sonntagabend zurück. Air Berlin hat das ziemlich gut abgestimmt, und hätte sein Flieger zurück nach Berlin nicht eine halbe Stunde Verspätung gehabt, hätte es fast auf die Minute gepasst.

Jetzt denken manche von euch sicher: "Oooh, Wien! Ja, toll! Superstadt!" Und manch anderer fügt vielleicht hinzu: "Ja, der Pöt war ja schon an Silvester da. Da kennt der die Stadt ja schon ein bisschen. Der weiß schon, warum er wieder hinfliegt." Beide Gruppen werde ich dann wohl überraschen, wenn ich sage, dass sich diverse Aspekte von Wien getrost selber ficken können und mich die Stadt wahrscheinlich so schnell nicht wiedersieht. Und ich will auch gern sagen warum.


1. Die Wiener Kaffeehaus"kultur"


Wien hat total viele Kaffeehäuser, haben wir alle verstanden und schon tausendmal gehört. Und ich als alte Käffchentante fand das an Silvester auch natürlich super. Aber ich muss mich damals von den vielen bunten Straßenbeleuchtungen oder von der Tatsache hinreißen lassen haben, dass man sich in den Kaffeehäusern nicht den Arsch und Pfoten abfriert. Wien propagiert seine Kaffeehaus"kultur" überall. In Wahrheit zeichnen sich aber die Kaffeehäuser vor allem dadurch aus, dass

- man darin seit den 50ern nichts gemacht hat, als Kalenderblätter abzureißen,
- die Kellner Anzüge mit hin und wieder schlecht sitzenden Westen und Hosen tragen,
- dafür keinen Humor haben, stocksteif wichtig in ihrem Wiener Aristokratenhoch"deutsch" daherschwätzen,
- die Portionen extrem überschau-, aber auf Dauer kaum bezahlbar sind und
- es überall nach altem Zigarettenrauch stinkt.

Die Kaffehäuser waren wahrscheinlich cool, als es sie nicht überall gab. Heutzutage gibt's die aber in jeder halbwegs respektablen Stadt, und dagegen wirken die Wiener Dinger staubig und altbacken. Das Coolste daran sind die überdimensionierten Kronleuchter. Wenn man auf sowas steht.


2. Essen


Sicherlich gibt es in Wien gutes Essen. Irgendwo. Und vielleicht gibt es dazu noch Lokale, in denen gutes Essen auch noch bezahlbar ist. In unserem Fall waren das das Rosa-Lila-Haus und der Goldene Spiegel, beide am Naschmarkt, beides Schwulendinger, der Goldene Spiegel ist eine Stricherkneipe.

In "normalen" Lokalen bekommt man für sein Geld wiederum Portionen, die Gesichter in die Länge ziehen und einem die Frage aufdrängen, wie so viele Wiener bei solchen Portionen derartig fett werden können. Aber die gehen wahrscheinlich nicht oft aus, sondern fressen zu Hause heimlich ein Schwein nach dem anderen.

Überhaupt ist in Wien das Essen gar nicht nach meinem Geschmack. Vor allem steht nämlich viel Fleisch auf den Karten, das man sich aber nicht einmal mit etwas halbwegs gesund Aussehendem zu dekorieren bemüht. Hier, Fleisch, basta. -- Ah ja, gut, danke.
Auch hier erinnert der Ton der Kellner gern mal an die Berliner Schnauze, allerdings mit dem üblichen hochnäsigen Wiener Dialekt, der wirkungsvoll die eigene Minderwertigkeit vor Augen führt.

Außerdem ist das Essen viel zu teuer. Am Sonntag aß ich mit Hartmut zusammen in einem Lokal im Prater einen Grillteller, für den man beim Türken in Düsseldorf etwa 5 Euro zahlen würde. Da kostete er aber 11. Ein Teller mit drei sehr gut abgegrenzten Stückchen Fleisch, dazu kalte ungesalzene Fritten. Mahlzeit. Dass wir in einem Biergarten saßen, der prall gefüllt mit Kindergeschrei war, setzte eher nur noch das i-Tüpfelchen auf.


3. Julius Meinl und die Kartenzahlung

Ganz besonders selber ficken kann sich auch das einst von mir hoch geschätzte Spezialitäten- und Feinkosthaus Julius Meinl. Da wollte ich für meinen Trainingspartner Kermit eine Schachtel Mozarttaler kaufen, weil der was Süßes mitgebracht haben wollte, und ich wollte die 7,90 Euro mit EC-Karte zahlen. Schon zuvor hatte ich mit meiner EC-Karte gezahlt, und das ging auch -- so verhieß mir das Maestro-Zeichen auf dem Gerät -- hier. Die Kassiererin teilte mir aber mit, mit einer deutschen Karte ginge das nicht.

Ich tat nicht, was ich hätte tun sollen. Die Schachtel liegen lassen, sie bitten, sie für mich ins Regal zurückzuräumen, und zu gehen. Oder eine Riesenszene mit Geschrei zu machen, was sie sich denn einbilden würde. Natürlich weiß ich, dass sie dafür nichts kann, aber lustig wäre es trotzdem gewesen. Mein Problem ist, dass ich bei solchen Sachen fast nie ernst bleiben kann. Ich würde irgendwann in Lachen ausbrechen. Also bin ich nichts für Shows mit versteckter Kamera.


4. Touris und die Scheißfotos

Wien lebt vom Tourismus, klar, und wenn man in Berlin ist, kann man am Pariser Platz genau das Gleiche beobachten. Aber glaubt mir, wenn man zu lang am Stephansdom gestanden hat, geht es einem unbeschreiblich auf den Sack, dass ständig Leute mit ihren winzigen Scheißfotoapparaten kommen -- besonders schlimm sind Handykameras -- und immer und immer und immer wieder die gleichen Scheißfotos machen, wo sie ihre hohlen Fressen in die Kamera halten und sich vor irgendwelchem Kack fotografieren lassen. Besonders schlimm sind auch die Farbverbrechen, die Frauen gern und mit Anlauf mit ihren Klamotten begehen. Es wird einem dann immer wieder klar, dass Frauenmode von Schwulen mit sehr viel Humor gemacht sein muss. Schwule haben ja nichts zu verlieren und müssen die Alte dann später auch nicht auspacken. Widerlich. Einfach widerlich.

Und natürlich wird man selbst dann auch ständig fotografiert. Wenn man einmal über den Stephansplatz läuft, ist man am Ende der ca. 200-Meter-Strecke auf 50 Fotos, garantiert.
Wenn die Fotos dann wenigstens cool wären …


5. K+K

Für die Nichtsahnenden: K+K steht für "Kaiser und König". Wien lebt von seiner K+K-Vergangenheit wie kein anderer Ort auf der Welt, scheint mir. Ganz besonders verehrt man die geile Bartglatze, den Kaiser Franz-Joseph. Das hat echt kranke Züge. Wenn in Deutschland das irgendwer mit irgendeiner Berühmtheit machen würde, wären Deutsche direkt auf der ganzen Welt als Nazis verschrien.


Wien hat natürlich schöne Seiten -- das Museum für angewandte Kunst ist glaube ich ziemlich cool, aber ich habe es nur in Hartmuts Prospekt gesehen --, aber die kann es echt in absehbarer Zukunft für sich behalten. Man soll da lieber aus seiner Vergangenheit und Tradition was bauen, nicht immer nur diesen Oldschool-Mist zelebrieren. Das können Amis und Japaner sich reintun; ich geh lieber woanders hin.