Mittwoch, Dezember 05, 2007

Die unsägliche Après-Ski-Weihnachtsfeier

Betriebsweihnachtsfeiern können Kollegen einander näherbringen, gemütlich und sogar ein bisschen besinnlich sein. Es kann traumhaftes Essen und, wenn man einander mag, sogar gute Stimmung geben. Je nach Ausprägung der Individuen wird dann auch gern mal ausufernd gesoffen und gebölkt.

Weihnachtsfeiern können aber auch ganz große Scheiße sein. Zu diesem Thema kann wahrscheinlich jeder, der schon ein paar Jahre im Geschäftsleben steht, einen Schwank erzählen, so wie ich das jetzt tun werde.

Es kann auch laufen wie bei der Steuerberaterbude, in der ich vor Jahren mal ein halbes Jahr als Anwalt gearbeitet habe. Die überlegte sich im Jahre des Herrn 2005 nämlich etwas ganz Besonderes. Also für mich war das etwas Besonderes. Besonders peinlich nämlich, und mal wieder war es nicht mein eigenes Verhalten, das mir die Schamesröte ins Gesicht getrieben hat.

Man soll seine früheren Chefs nicht schlecht machen, und genau genommen tue ich das jetzt gleich auch gar nicht; denn erstens war ich dort als Freiberufler, zweitens taucht mein "Chef" in dieser Geschichte nicht auf, und drittens ist mir mit Anlauf egal, ob sich jemand wegen dieses Schwankes aus meinem Leben auf den Penis getreten fühlt. Denn -- so wahr mir der Gott helfe, an den ich ohnehin nicht glaube -- was ich berichten werde, ist nichts als die Wahrheit.

Die Steuerberaterkanzlei bestand aus etwa 30 Personen, hauptsächlich Steuerberatern und ihren Angestellten. Die Rechtsanwaltsschiene war winzig und eher schlecht als recht drangeklatscht, obwohl die im Grunde kein Steuerrecht machte. Das Gebäude, in dem die Kanzlei saß, lag im süßen Nichts zwischen Düsseldorf und Essen. Noch ein wenig ländlicher, und man hätte keinen Strom und kein fließendes Wasser mehr gehabt. Es war, als hätte man versehentlich ein Bürogebäude an eine Stelle gesetzt, wo in Wahrheit ein Strohschuppen geplant gewesen war.

Der mit Abstand lautstärkste Partner der Kanzlei war eine Art G. I. Joe. Sehr sportlich, ein Schrank von Kerl mit Meckifrisur und einem tief gefurchten Gesicht, das deutlich eher von Schlägerei als von Steuerberatung zeugte. Mit seinen kantigen Brillen, die alles nur noch schlimmer machten, sah er aus wie das Kind von Ilona Christen und einem Ork aus der Herr der Ringe-Saga.

Er zeichnete sich im Berufsalltag vor allem durch seine rüpelhafte Art aus, die wesentlich zur extrem hohen Fluktuation von Arbeitskräften in dem Laden beitrug. Wer dort arbeitete, war zu jung, alt oder gebrechlich um wegzuziehen, wegen eines Pflegefalls in der Familie an das Kaff gebunden oder masochistisch. Die anderen arbeiteten im Schnitt nur wenige Monate dort.

Es herrschte ein rauer Ton in der Kanzlei, und Teamwork war nicht ihre starke Seite. Niemand wusste, woran jemand anderes arbeitete, und Urlaubsvertretungen waren regelmäßig ahnungslos, wenn Mandanten während der Urlaubszeit ihrer Kollegen anriefen. So wenig alle über die Arbeit ihrer Kollegen wussten, so laut wurden sie dafür zur Sau gemacht. Anschisse vor versammelter Mannschaft hätten in der Tätigkeitsbeschreibung der Arbeitsverträge stehen können. Einmal machte Joe eine Azubi bei einer Betriebsversammlung in der Küche derartig runter, dass sie daraufhin heulend zu einer anstehenden Klausur fuhr. Man bewegte sich mit Anlauf im Bereich Strafanzeige.

(Semi-)Privat gab sich Joe dagegen, so wurde mir kolportiert, betont kumpelhaft, gönnerisch und lustig, zeigte seine Visage in allerlei Vereinigungen und schlug gern mal mit der Faust auf den Tisch, um die Witzigkeit der Situation unter Beweis zu stellen. Wer auch immer ihm Verhalten antrainiert hatte, war vorher bei Bismarck in der Lehre gewesen.

Im Verdacht, ihm diese miesen Manieren antrainiert zu haben, hatte ich schon damals seine Frau. Die sah nämlich nicht nur haargenau so aus wie er, sondern hatte ihm in Sachen schlechten Verhaltens auch noch eine Menge beizubringen. Während er immerhin noch die passenden Krawatten zum Anzug zu finden schien, gab sie sich mit Rollis in Fehlgrifffarben betont sportlich und leger. Ihr verhärmtes Gesicht auf dem sportlich trainierten Körper wurde von einer Nickelbrille geziert, die so tief saß, dass sie den Kopf heben musste, um geradeaus zu sehen, weswegen sie von Natur aus hochnäsig wirkte. Ihr Gesicht sah aus wie das einer Bodybuilderin auf Anabolika, und ihr Körper war auch ähnlich unweiblich, aber total drahtig. Dazu kam ihre krächzende Stimme. Wenn sie sprach, schrie sie eher, um überhaupt einen Ton heraus zu bekommen.

Ihre Manieren waren mit Abstand die schlechtesten, die ich je erlebt habe. Das ist keine Übertreibung. Sie behandelte mich von Anfang an -- unabhängig von ihrem Blick -- mit einer Hochnäsigkeit und Grobheit, die zartbeseiteten Seelen augenblicklich die Pisse in die Augen getrieben hätten. Sie ranzte mich (und andere) ständig an, vermied dabei aber stets Blickkontakt und zwar auch dann, wenn ich in ihr Büro kam oder sie mit mir sprach. Sie drehte sich dann nicht einmal von ihrem Computer weg, obwohl sie mehr als 90° abgewandt war. Sie benutzte gern Sätze wie "Das is doch Scheiße!", natürlich auch dann, wenn sie nicht nur total Unrecht hatte, sondern mein Verhalten in Wahreit das einzig Richtige in der Situation gewesen war oder sie den Fehler selbst verursacht hatte. Wenn sie Letzteres tat, schrie sie am lautesten. Ich wunderte mich, dass sie noch keinen Herzinfarkt bekommen hatte. Der wäre nämlich den Mitarbeitern zu Gute gekommen.

Für den Rest der Geschichte nennen wir sie Gertrud.

Gertrud und Joe ließen regelmäßig im Erdgeschoss des Büros die Fetzen fliegen, stritten sich lautstark und machten Mitarbeiter zur Sau. Wir aus der Rechtsabteilung im zweiten Stock bekamen davon meist nichts mit, aber dass die Stimmung insgesamt ausgezeichnet war, merkte man schon, wenn man zum Kaffeeholen in den ersten Stock ging.

Ich war noch kein halbes Jahr dort; da kam die Ankündigung der Weihnachtsfeier per E-Mail herein. Gertrud kündigte an, dass wir dieses Jahr etwas Sportliches unternehmen würden. Uuuiiii, was für eine Überraschung. Seht her, ich bin total überrascht. Was genau die umwerfende Idee sein sollte, wurde erst noch geheim gehalten und erst am Tag der Feier verlautbart. Aber ich merke natürlich, dass meine verehrte Leserschaft schon jetzt vor Spannung zu bersten droht. Also will ich mal nicht so sein.

Die sportbetonte Weihnachtsfeier fand in der Jever-Skihalle in Neuss statt. Mit dem Bus sollten wir dorthin gefahren werden. Ich zog es aber wegen meiner starken Bindung zur Kanzlei vor, mit dem eigenen Auto zu fahren, um im Ernstfall Alkoholkranke ins Krankenhaus fahren zu können.

Die Skihalle ist ganz in Ordnung. Man kann meinetwegen darüber diskutieren, ob man unbedingt eine viel zu kleine Skihalle mit Kunstschnee bauen muss, in der eingefleischte Skifahrer sich eh nicht austoben können, aber das habe ich hier nicht vor. Skifahren in der Vorweihnachtszeit, na gut. Wir nahmen in der Bar also erst einen Vorglüher und liehen dann Skier und das ganze Gelumpe aus. Rauf mit dem Sessellift, runter, rauf mit dem Lift, runter, rauf, runter. Nun ja, ging schon.

Das anschließende Abendessen war auch in Ordnung. Warmes Buffet; das ließ ich mir schon gefallen. Ich saß als Außenseiter natürlich ganz nah bei den Partnern, auch Joe und Gertrud. Das ist die Arschkarte, die wohl immer an Betriebsneulinge geht. Aber auch das war noch auszuhalten. Ich hatte sogar das Gefühl, ich könnte die Nähe nutzen, um die Atmosphäre und den Umgang endlich etwas aufzulockern. Ist ja nicht so, als hätte es mir Spaß gemacht, jeden Tag Gertruds Launen ausgesetzt zu sein. Vielleicht würde sie mich, wenn sie mich besser kennen lernte, etwas höflicher behandeln. Oder wenigstens freundlicher. Die Hoffnung stirbt als Letztes.

Das dicke Ende kam aber erst noch: die Après-Ski-Party, die in der Halle jede Woche am Freitag- und am Samstagabend stattfindet. Genau mein Ding; was Besseres kann mir an Musik nicht passieren. Ich stehe ohne Gnade auf Wolfgang Petry und DJ Ötzi.

Gott allein weiß, warum ich mich dazu habe breitschlagen lassen, das Auto stehen zu lassen und Alkohol zu trinken. So stand ich jedenfalls irgendwann angetrunken in der Menge von etwa 25 Leuten aus der Kanzlei, umspült von der beschissensten Musik, die Menschenohren je vernommen haben, gepeinigt von einem Feten-DJ, der Geburtstage und allerlei anderen sinnfreien Scheiß durchsagte, genervt und gelangweilt von allem anderen. Après-Ski-Party eben.

An dieser Stelle sei mir noch ein kurzer Exkurs erlaubt, den ich immer erzählen muss, wenn das Thema auf Après-Ski-Partys kommt. Wir reisen dafür zurück ins Jahr 1999, in dem ich einst meinen Geburtstag feierte. Die Party war totale Gülle gewesen, weil fast alle abgesagt hatten. Der Traum eines jeden Gastgebers also. Und die paar Gesichter, die dann doch da gewesen waren, hatten sich schnell verzogen. Amalia -- ja, ganz richtig, meine Mitbewohnerin! -- erzählte etwas von einer Après-Ski-Party, die irgendwo in der Nähe in einer WG stattfände. Mir war nach der misslungenen Party ziemlich egal, wohin wir gingen; also ging ich mit.

Die Party dort war musikalisch aber ziemlich genau so unerträglich, wie ich das auch damals schon vermutet hatte, und deshalb verduftete ich auch bald wieder. Amalia blieb noch eine Weile, und irgendwann müssen die Gastgeber nach einer Après-Ski-CD gesucht und mich im Verdacht gehabt haben, die CD gestohlen zu haben. Sie kannte mich damals schon gut genug, um zu wissen, dass ich so eine CD niemals mitnehmen würde, auch nicht für Geld. Und das sagte sie den Jungs auch.

Après-Ski-CD, au au au.

Jedenfalls stand ich also dann auf der Party in der Skihalle, eingequetscht zwischen den ganzen Kanzleimitarbeitern und beschallt von DJ Ötzi und seinen Freunden. Die Musik war unerträglich laut, und jeder Unterhaltungsfetzen kotzte mich an, weil ich fast bei jedem Satz nachfragen musste und die Antworten immer undeutlich oder zu laut waren. Auch wenn ich mit den Mitarbeitern nicht viel zu tun gehabt hatte, kannte ich die meisten schon vom Sehen.

Irgendwann fiel mir auf, dass ein Typ in der Menge stand, der nicht zu uns gehörte. Das war auffällig, weil wir alle beieinander standen. Sein Outfit war extrageil. Er war etwa 1,90 groß, trug ein schwarzes Hemd mit diagonalen orangenen Streifen, die obersten drei Knöpfe offen, zeigte Brusthaaretoupé und Goldkette, hatte eine Hornbrille auf und eine ordentliche Schenkelbürste unter der Nase. Er sah aus wie eine Parodie auf Sascha Hehn in den Zeiten, in denen er noch Sexfilme machte. Und weil das so war, er direkt neben mir stand und ich schon einiges getrunken hatte, um den Mist auszuhalten, lallte ich irgendwann mit halb offenen Augen zu ihm hoch: "Hiiier, du bis ja geil! Pornobalken, Brusthaartoupé und Goldkettchen. Dich ham se ja wohl original ausm Porno rausgeholt!"

Er sah mich von oben an und erwiderte laut und deutlich: "Noch ein Wort, und ich brech dir das Nasenbein."

Ich begriff, dass er sein Aussehen nicht als Spaß verstand, sondern das Outfit völlig ernst gemeint war. Ich öffnete Mund und Augen weit genug, um den "Wooooww"-Laut wie von selbst herauslaufen zu lassen, und machte dabei mit beiden Händen und weit abgespreizten Fingern mehrere Versuche, Luft in seine Richtung zu schieben. Ganz klar: Hier herrschten andere Sitten, nicht der lockere Umgang, den ich aus Köln gewohnt war.

Aber auch wenn das jetzt nicht glauben mag: Der Höhepunkt des Abends kam erst noch, und ich werde die große Gertrud-Einleitung nicht umsonst gemacht haben. Die stand nämlich auch irgendwann mal in meiner Nähe. Ich hatte mir nicht genug Mühe gegeben, es zu vermeiden. Sie hatte auch schon ordentlich gebechert, und ich hörte sie in der Entfernung immer wieder mit ihrer furchtbaren Stimme krächzen.

Irgendwann stand sie mir gegenüber und krächzte mich an. Jedes Wort eine Qual; sie schrie geradezu, und weil sie schon angetrunken war, war ihren Worten auch inhaltlich nicht mehr viel zu entnehmen. Ich tat mein Bestes, um diplomatisch und höflich zu bleiben, aber sie tat wiederum ihr Besten, meine Bemühungen zunichte zu machen. Und dann ging's los:

"Hää Stiegler", schrie sie mich an, "sind Sie homosexuell?!?"
Was auch immer sie das anginge. Aber wer fragt, soll's hören.
"Ämmmmm jaa? Ö wieso?"
Und da überschlug sich ihre Stimme geradezu und ließ bei meinen Ohren die Sicherungen rausfliegen: "Wieso hamm se das denn nich gesaaaaaagt?!?"
Mein Blick muss eine deutliche Mischung aus Schmerz und Fassungslosigkeit gewesen sein.
"Weil keiner gefragt hat?"

Die deutliche coolere Antwort wäre natürlich gewesen: "Wieso haben Sie mir denn nicht gesagt, dass sie eine Frau sind?" Aber so etwas fällt einem immer zu spät ein. Jedenfalls konnte es nur wenige Gründe geben, warum sie eine derart dumme Frage stellen konnte. Entweder sie hatte gerade viel Geld in einer Wette verloren, dass ich hetero sei, oder insgeheim Pläne geschmiedet, Joe zu verlassen und mich geile Sau zu heiraten. Zweites kann ich sogar gut verstehen.

Aber als wäre die Unterhaltung nicht an dieser Stelle schon auf einem Niveau angekommen, an dem nichts mehr zu retten war, gab sie sich auch damit noch nicht zufrieden, sondern war offensichtlich dann erst richtig in Schwung gekommen. Sie begann eine kaum enden wollende Tirade von Vorwürfen, wie unmöglich ich mich allgemein und ihr gegenüber im Büro verhielte. Nicht nur weil meine Ohren wundgescheuert waren, sondern auch um ihr und mir diese unsägliche Pein zu ersparen, fragte ich sie, ob wir dieses Thema vielleicht besprechen könnten, wenn wir beide wieder nüchtern sind. "Jaaa guut", krächzte sie schrill, "aber dann direkt am Montagmorgen!" -- "Ja okay, können wir machen."

Den Rest des Abends klang diese Schreiunterhaltung noch nach; ich konnte nicht fassen, was Gertrud getan hatte. Sie hatte Stillosigkeit neu definiert, ganz abgesehen davon, dass alle ihre Vorwürfe völlig Stuss waren und sie sich die Realität ganz unglaublich zurechtgebogen hatte. Diese Weihnachtsfeier war ein Paradebeispiel dafür, wie man es auf gar keinen Fall macht, und auch wenn ich heute davon erzähle, treibt es mir eine Schamesröte ins Gesicht, die für Gertrud bestimmt ist.

Um die Geschichte abzurunden: Am darauf folgenden Montagmorgen hatte ich einen Gerichtstermin und konnte deshalb nicht zu ihr gehen, bin danach aber mal zu ihr hin und hab sie gefragt, wann wir denn mal das Gespräch führen wollten, das ihr auf der Party so wichtig gewesen war. Sie zählte allerlei Scheiß als Ausrede auf, warum das jetzt ginge. Sie kniff den Schwanz ein.

Und ich verstand sehr gut. Ich wäre an ihrer Stelle gern im Erdboden versunken.

Ich war insgesamt sechseinhalb Monate in dieser Drecksbude. Eine wertvolle Erfahrung allerdings; vielleicht nicht so schlecht als Berufseinstieg.

Dienstag, Dezember 04, 2007

Das geht so mit

"Möchten Sie eine Tüte", fragt mich die etwas dösig dreinschauende Frau hinter der Theke in der Mayersche-Buchhandlung auf der Rüttenscheider Straße. "Nein, brauch ich nicht, danke", erwidere ich. Und dann kommt's. "Das geht so mit?"

Nein, du blöde Kuh, es geht nicht "so mit". Ich habe gerade Geld dafür auf den Tisch gelegt, wenn auch nur 40 Cent. Ich habe nämlich den Geschenkgutschein von Tobi und Eva von vor eineinhalb Jahren dafür aufgebraucht, und 40 Cent blieben dann übrig. Das kann den Mayersche-Heinzen ja egal sein. Geld is Geld.

"So mitgehen" heißt doch wohl vor allem eins: stehlen. Wer hat sich diesen Kack bitte einfallen lassen?!? "Mnein, das geht so mit" als Antwort auf "Möchten Sie eine Tüte", ich brech ins Essen.

"Pöt ging zur Mayerschen, und als er das Gebäude verließ, gingen drei Bücher über Macramé-Ampeln und ein rosa Lippenstift von Spiegelburg für Mädchen im Grundschulalter, die gern wie Nutten aussehen wollen, so mit."

Ich bin überzeugt, dass Spiegelburg keine solche Absicht hat und nicht einmal Lippenstift herstellt. Ebenso würde ich vermutlich nie auch nur ein einziges Buch über Macramé kaufen, aber darauf kommt es auch nicht an. Mir gehen schlicht Ausdrücke wie "Das geht so mit" auf den Sack, die alle benutzen, nur weil alle sie benutzen. Ich versteh's ja noch, wenn man nichts sagt, wenn Kunden sagen: "Nein, das geht so mit." Aber diesen Scheißausdruck auch noch dann zu bringen, wenn ich deutlich gesagt habe, dass ich keine Tüte brauche, und der Zusatz knallüberflüssig ist, pisst mich an, als gäbe es kein Morgen mehr.

Beim Einsteigen in den Bus: "Haben Sie ne Fahrkarte?" -- "Nö, ich geh so mit."
Oder in der Nasenkrebsbude Douglas einfach irgendwelches Gerümpel ausm Regal nehmen, gehen und bei misstrauischen Blicken der gehirntoten Tresenschönheiten sagen: "Kein Sorge, geht so mit."

Alter, nervt das.

Mittwoch, November 28, 2007

Das Vorstellungsgespräch bei Frau Christ

Hach, die Welt hat doch immer wieder Lacher zu bieten. Gerade sitze ich bei meinen Bonner Busenfreunden auf der Couch; im Hintergrund läuft Nocturne Opus 48 von Chopin. Wir erzählen einander vom Tag und scherzen über alles Mögliche. Da bekommt Stephan einen Anruf auf seinem Handy. Er geht ran und meldet sich mit Namen. Am anderen Ende eine Frauenstimme. "Mnein, da sind Sie falsch verbunden." Gequäke in der Leitung. Sicherlich ein "Tut mir leid; da habe ich mich verwählt." -- "Ja, kein Problem." Wieder das Gekrächze am anderen Ende. "Nein, Sie haben 0172" gewählt. Wieder Gequäke. "Ja da haben Sie sich verwählt." Quak quak. "Kein Problem, schönen Abend." Er legt auf. Genug über nichts geredet. Passiert schon mal, dass einer sich verwählt.

Wir reden weiter.
20 Sekunden später klingelt das Handy wieder. "Das ist bestimmt wieder die Frau", sage ich.

Stephan schaut auf sein Display. Unbekannte Nummer. Ja, das wird sie sein. Er nimmt ab und stellt sich wieder mit Namen vor. Bekanntes Gequäke. "Nein, Sie haben schon wieder die 0172 gewählt, nicht die 0173." Ob die Frau überrascht ist, kann ich nicht hören. Stephan wiegelt das Telefonat wieder ab.

Ich: "Die ruft bestimmt gleich wieder an. Was wollte die eigentlich?"
Stephan: "Eine Frau Christ sprechen."
Kurze Stille im Gespräch. Wir warten, ob sie noch mal anruft.

Aber natürlich würde sie nicht noch mal anrufen. So doof ist doch niemand. Also unterhalten wir uns weiter.

Etwa eine halbe Minute später klingelt sein Handy wieder. Die gleiche Nummer wie vorher. Wir sind eine Sekunde lang sprachlos, aber ich gewinne meine Fassung schnell zurück. "Komm, gib mir das Handy", fordere ich Stephan auf, "ich tu so, als wär ich Frau Christ." Er lacht und zögert, gibt mir dann aber das Telefon. Ich vermute, er glaubt nicht, dass ich das bringe.

Ich gehe ran und sage mit der am schlechtesten nachgemachten Frauenstimme, die mein Repertoire hergibt: "Christ?" Ich klinge wie eine heisere Oma, die sich zum Kotzen über die Kloschlüssel gebeugt hat. Stephan kichert. Am anderen Ende wieder die Quaktante: "Ja hallo? Hier ist Nielsen (oder so; ich hab den Namen nicht mehr aufm Schirm)." "M-hm?", mache ich, um möglichst wenige Silben zu benutzen. Man würde so-fort merken, dass ich sie verarsche. Ich will noch sagen: "Verzeihung, meine Stimme ist ganz rauh", aber Frau Nielsen lässt mich gar nicht aussprechen. "Ich rufe an, weil ich mit Ihnen gern den Termin absprechen würde. Würde es Ihnen morgen passen?" -- "Ja, morgen ist gut", sage ich. "Wann wäre denn gut für Sie", kommt zurück. Ich bin extrem aufgeregt, weil ich gerade dabei bin, für eine völlig Unbekannte einen vielleicht sehr wichtigen Termin zu vereinbaren, zu dem sie unangemeldet auftauchen wird. "Zehn Uhr dreißig wäre gut", bringe ich unter großer Anstrengung heraus. So blöd kann doch niemand sein. "Zehn Uhr dreißig, ja, ist gut. Ach, sagen Sie doch bitte noch mal: Wie ist Ihr Name? Drist?" Frau Nielsen kennt also ihre Gesprächspartnerin nicht einmal gut, aber kann ich mich so weit aus dem Fenster lehnen, dass es reicht, um sie bei dem Namen zu korrigieren?
Kurz zweifele ich an meiner Kraft. Ach was soll's; aus der Nummer komme ich eh nicht mehr raus: "Nein, Christ, mit C H." -- "Ah gut." -- "Ist ja kein Problem." -- "Also einen schönen Abend!" -- "Ja Ihnen auch!"

[Klick]

Stephan und ich sehen einander eine Weile ratlos an. Er grinst, und obwohl mein Gesicht mit einiger Sicherheit ebenfalls tiefe Furchen zeigt, habe ich große Gewissensbisse. Völlig geistesgegenwärtig sage ich: "Ich habe gerade für Frau Nielsen oder so einen Termin gemacht, bei dem Sie auftauchen wird, ohne dass irgendwer damit rechnet."

Was, wenn es ein Vorstellungsgespräch ist und viel für Frau Nielsen davon abhängt? Was, wenn ich ihr gerade ihre Zukunft versaut habe?

Stephan und ich entscheiden uns für schallendes Lachen.

Aber die Gewissensbisse übermannen mich. Sollen wir ihr nicht doch sagen, dass wir Sie verarscht haben, frage ich. "Mein Moralisator sagt mir, wir sollten das klarstellen." Energisch trete ich entgegen: "Was sollen wir ihr denn sagen?!? 'Hallo Frau Nielsen, wir hatten ihre behämmerten Anrufe satt und haben Sie verarscht'?"

Wir haben ihr dann doch eine SMS mit folgendem Text geschrieben:

"Verzeihen Sie bitte, Sie haben gerade nicht mit Fr. Christ gesprochen, sondern schon wieder die falsche Nummer gewählt. Ich habe mir einen Spaß mit Ihnen erlaubt. Rufen Sie besser mal die richtige Nummer an. Schönen Abend!"

Aber wahrscheinlich war der Termin völlig wurst, und Frau Nielsen ist einfach zu doof, um eine Nummer richtig ins Handy einzutippen. Stephan fiel später ein, Frau Nielsen habe sich vorgestellt als Frau Nielsen "von der Familienstätte" oder so. Das hilft nur leider nicht bei der Einschätzung, ob Frau Nielsen einen wichtigen Termin planen wollte oder ob sie doof ist.

Naja, aber wer ruft denn bitte auch noch für offenbar wichtige Termine um 19:30 Uhr an.


Nachtrag: 29.11.2007, morgens:


Heute Morgen wollte mich ein Gedanken nicht mehr loslassen: Frau Nielsen hatte sich nicht mehr gemeldet. Erst dachten wir: "Die dumme Kuh, hätte sich ja kurz bedanken können." Aber was ist, wenn sie aus irgendeinem Grund die Nachricht nicht mehr gelesen hat? Wenn sie nicht in der Lage ist, eine Telefonnummer richtig einzutippen, kann sie vielleicht mit SMS gar nicht umgehen. Was dann?

Naja, dann wird sie heute vermutlich um 10:30 Uhr bei Frau Christ auftauchen, und die wird große Augen machen. Das allein finde ich ja nicht so schlimm. Dann haben wir wirklich alles getan, was wir konnten.

Aber dann wird Frau Nielsen vielleicht Stephan anrufen und ihn beschimpfen; dabei kann er doch gar nichts dafür. Aber der nächste Lacher ist dann schon mal gesichert.

Nachtrag: 04.12.2007:

Kein Lebenszeichen mehr von Frau Nielsen. Sie hat also schlussendlich die richtige Nummer gewählt oder vor Verärgerung oder Einschüchterung das Handy ganz weggeworfen.

Die rätselhafte Affäre der Kinderwagenfrau

Gerade kam ich von einem Seminar in Dortmund zum Büro in Essen zurück und lief die Straße entlang, als mir auf den letzten Metern eine Frau Mitte 30 entgegenkam, die einen Kinderwagen vor sich herschob. Es war eine merkwürdig aussehende braune Papp- oder Holzkiste darin, die augenscheinlich mit Papier gefüllt war. Die Frau war allein.

Ich stoppte wenige Meter vor ihr, starrte ungläubig erst den Kinderwagen, dann die Frau an. Sie blieb ebenfalls stehen und musterte mich mit misstrauischem und fragendem Blick. Da brach es aus mir heraus: "Wer ist der Vater?!?"

Naja, in Wahrheit ging ich einfach an ihr vorbei, und man würdigte einander keines weiteren Blickes. Aber ich fragte mich, was sie sagen würde, wenn ich früge. Statt dessen kicherte ich still vor mich hin und schloss die Tür zum Büro auf.

Dienstag, November 27, 2007

Nie wieder Glühwein

Wer kennt den Spruch nicht. Nie wieder dies, nie wieder das. Meist taucht in diesem Satz auch noch Wort auf wie "Tequila", "Eierlikör" oder -- für die ganz Hartgesottenen -- "KoCo" (Asoslang für "Korn-Cola").

In Amalias Fall kam der Spruch gestern Abend mit Glühwein. Mit "Gegen neun" hatte sie angekündigt, dass sie später kommen würde. Ich war nach der Arbeit direkt nach Hause gefahren. Nachdem ich das Wochenende in Amsterdam und die Nacht von Sonntag auf Montag bei meinen zwei Busenfreunden aus Bonn verbracht hatte, war ich ziemlich im Sack, und zu allem Überfluss schlich sich offenbar wieder einmal eine Erkältung an, die ich mit frühem Schlafengehen im Keim ersticken wollte.

Ich erledigte gestern Abend also ein paar Kleinigkeiten im Haushalt. Vor allem Bügeln.

Als Amalia um 21:00 Uhr nicht da war, wunderte ich mich nicht. Sie kann tun, was sie will. Und mit wem. Ich bin ihr Mitbewohner, nicht ihre Mutter. Die schickt nämlich hin und wieder handgeklöppelte Babyschühchen aus Kamerun an werdende Mütter in Deutschland, um das lokale Handwerk zu unterstützen. Und sowas würde ich nie tun. Also Babyschühchen schicken. Kamerunisches Lokalhandwerksgewerbe ist schon okay, soweit ich das von hier aus beurteilen kann. Jedenfalls:

Dass Amalia noch nicht zu Hause war, fand ich auch deswegen gut, weil ich ohnehin noch bügelte und das gern fertig haben wollte, bevor sie kommt. Dann würde sie -- so hatte ich mir das ausgedacht -- bemerken, dass ich alles gebügelt hätte, sogar ihre Blusen. Tjahaa, und außerdem lief eh noch eine Heroes-Folge, die ich gucken wollte. Also alles in Butter.

Der Fairness halber muss ich wohl dazusagen, dass sie auch meine Hemden bügelt, wenn sie mal bügelt. Aber sie hasst Bügeln im Vergleich zu mir, und das merkt man auch am Ergebnis. Aber selbst wenn sie nicht bügeln würde, putzt sie immer noch das Klo, das ich ja auch benutze. Manchmal habe ich die stille Angst, dass deswegen irgendwann eine 1,40 Meter große, aus Ghana stammende (die Klofrauengewerkschaft in Düsseldorf ist in ghanesischer Hand, sagte mir Amalia), lesbische, gehbehinderte Schwarzafrikanerin mit Lispelproblem, künstlicher Hüfte und Glasauge in ihrer Rolle als Gleichstellungs- und Rassismusbeauftragte bei mir auf der Matte steht und mich mit Klagen überzieht, weil in unserer Wohnung die Schwarze das Klo putzt. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte und so weiter, böse Geschichten laufen da.
Aber ich verdränge den Gedanken immer schnell wieder, beruhige mich damit, dass Amalia ja keine Aufenthaltserlaubnis braucht, aus freien Stücken bei mir wohnt und ich immerhin regelmäßig die Küche aufräume.

Hm, aber sie macht wirklich viel im Haushalt. Ich sollte echt aufpassen.

Jedenfalls schloss sie irgendwann gegen Viertel nach neun die Tür auf. Es dauerte ungewöhnlich lang, bis sie es schließlich schaffte. "Ich bin totaal bedrngken", lallte sie schon, als sie etwas unbeholfen durch den Flur torkelte. Als sie nach einer Willkommensumarmung in der Mitte unserer gemeinsamen riesigen Wohnung angekommen war, ließ sie unter einigen Koordinationsschwierigkeiten Tasche und Jacke fallen, würgte noch ein "Ich hab totaaal viel Glühwein getrngkn. Umn jetzt muss ich aufs Klo" heraus und verschwand. Ich kam mir vor wie in einer Will & Grace-Folge.

"Wi waaen auf dem Weihnachtsmarkt und totaaaal viel Glühwein getrunken. Bor nie wieder Glühwein!" Sie glänzte richtig, sogar im indirekten Licht der Tischleuchte, und saß grinsend auf der Couch. "So hast du mich noch nicht gesehen, hm?", fragte sie, fast etwas schüchtern. "Anne hat mich da hingeschleift. Die hat jetzn Dschobb und sofort nachm Kurs mim Saufen angefangen. Bor, ich hab bestimmt zehn Glühwein getrungkng!"

Da sie es nicht kommentierte, ich aber total stolz auf mich war, sprach ich an, dass ich alles gebügelt hätte. Ja, das sei ihr aufgefallen, kam zurück.

Ich drängte ihr etwas Aspirin auf, damit sie heute Morgen überhaupt arbeiten gehen könnte. Sie berichtete von ihrem Abend und ihrem aktuellen Job, der Tatsache, dass sie jetzt eine Woche lang vergeblich gearbeitet hatte, weil die Datei, an der sie arbeitet, übers Wochenende gelöscht worden war, als mich ein Freund anrief. Ich ging ran, obwohl Amalia sichtlich Schwierigkeiten mit alltäglichen Dingen und Koordination hatte.

Es war klar, dass es so kommen würde, aber ich konnte mich kaum auf das Telefonat konzentrieren, weil ich aufpassen musste, dass Amalia klar kam. Ich hatte zwei Aufgaben mit gleich hoher Priorität zu bewältigen, und Telefonieren war so ziemlich anstrengend. Ständig jonglierte ich zwischen Konzentration auf Telefonieren und darauf Achten, dass Amalia sich nichts tut. Der Freund musste auch denken, wir seien jetzt beide durchgeknallt.

Es kam aber doch, wie es kommen musste. Sie setzte sich irgendwann während des Telefonats auf den Rand des hölzernen Wäschekorbes. Der Deckel stand -- ihrer Erwartung zuwider -- offen, weil ich vorher noch Wäsche hineingeworfen hatte. Sie bekundete ihre Überraschung über den offen Deckel mit einem "Uwhaaaaa" und glitt mit ihrem Hintern rückwärts in den Korb, bis nur noch Kopf, Beine und Hände herausschauten.

Hätte ich nicht Angst gehabt, dass sie sich wehgetan hatte, wäre ich vermutlich vor Lachen auf der Stelle umgefallen. Stattdessen bat ich meinen Freund, kurz zu warten, und half ich ihr wieder aus dem Korb; denn ohne Hilfe wäre sie vermutlich über Nacht darin stecken geblieben. Vielleicht hätte sie aber auch einfach noch eine Weile gelacht und wäre dann im Korb eingeschlafen.

Man sagt ja, die meisten Unfälle passieren im Haushalt, aber vorbereitet werden die meisten Unfälle auf dem Weihnachtsmarkt. Das ist ziemlich sicher.

Heute Morgen sagte sie, ich hätte ihre Blusen gut gebügelt.
Gerade noch mal gut gegangen.

Aber vielleicht frage ich Amalia heute Abend noch mal, ob sie sich denn insgesamt wohl bei mir fühlt. Sonst kommt die Gleichstellungslesbe echt noch mal irgendwann.

Freitag, November 09, 2007

"HIER GIBT'S ICE, BABY!"

Seit fast zwei Jahren fahre ich fast immer die gleiche Strecke zur Arbeit, die mich an der Gruga-Halle in Essen vorbeiführt. Das ist das Messegelände der Stadt, und dort finden dementsprechend dauernd Veranstaltungen statt. Eine davon, die seit Monaten immer wieder mit einem pervers großen Banner beworben wird, das sich einmal quer über die gesamte und bestimmt 40 Meter breite Halle am Fronteingang zieht, ist das Eiskunstlaufspektakel "Holiday on Ice".

Inhaltlich kann ich wenig zu diesem Event sagen. Eiskunstlauf allgemein interessiert mich im Grunde kein Stück. Mir kommt er, wenn ich ihn mal im Fernsehen mitbekomme, vor wie eine Sammlung magersüchtiger Weiber und Glitzertunten, die feine Kunststückchen machen. Ein bisschen wie Zirkuspudel, auch ähnlich putzig, und die sind auch sportlich topfit und alles, aber sie haben eine Anziehung auf mich wie Fußball, Politik oder Autos. Der Fairness halber sage ich aber dazu, dass mich Eiskunstlauf auch nicht abstößt, wie zum Beispiel der Gestank in Douglas-Läden oder DJ Bobo es tut. Ich verstehe die Begeisterung der Zuschauer solcher Events nicht, aber im Grunde ist mir dieser Sport schlicht wurscht.

Eine Sache ist mir allerdings alles andere als wurscht, und zwar ist das dieses Werbebanner, an dem ich jeden Tag vorbeifahre, wenn es hängt. Glücklicherweise wechselt man hin und wieder die Werbung auf der Hallenfassade, aber es hängt eben immer wieder da, und ich sterbe bei diesem grauenvollen Werbespruch, der das Banner in Beschlag genommen hat:

"HIER GIBT'S ICE, BABY" steht darauf geschrieben, gigantische Buchstaben in einer ziemlich geschmacklosen Serifenschrift. Passt zum Hintergrundrosa des Plakates, zu sonst aber nichts.

Wer sich diesen Spruch ausgedacht und vorgeschlagen hat, gehört geteert und gefedert. Etwas derartig Nasenbluterischeres habe ich eine Weile nicht gesehen. Gehen wir mal im Einzelnen durch, was dieser Spruch sagt.

- Anspielung auf ein Lied. Bei der Wahl gibt es zwei Möglichkeiten.

1. Möglichkeit: "Ice Ice Baby" von Vanilla Ice (1991). Wenn das der Fall ist:
Verehrter in den 90ern hängen gebliebener Werbetexter, das Lied von Vanilla Ice damals war nicht gut. Es war peinlich. Wie auch Vanilla Ice selbst, der mit bürgerlichem Namen übrigens Robert van Winkle heißt. Ein weißes Juppisöhnchen mit Zickzackrasur-Fönfrisur und noch aus den 80er stammender Bomberjacke rappte von seiner vermeintlichen Coolheit. Das war damals ein Armutszeugnis der Popmusik, und nur Teeniemädchen fanden Vanilla Ice cool. Jetzt an so einen Mist anzuknüpfen, nur weil man auch das Wort "Ice" im Namen hat, ist nicht nur ideen-, sondern auch fürchterlich stillos.

2. Möglichkeit: "Es gibt Reis, Baby" von Helge Schneider. Das wäre fast noch schlimmer. Rafft bitte mal, dass Helge Schneider euch mit seinem Humor verarscht. Er ist sehr gut, spielt hervorragend Musik, ist sehr intelligent, aber dieses und andere Lieder von ihm, die zu Kassenschlagern wurden, bezeugen in Wahrheit nur die Doofheit der Leute.

- Verfehlung der Zielgruppe. Selbst wenn man nun aber annähme, Vanilla Ice oder wenigstens sein einziger Hit, der nur von einem Sample von Queen lebte, sei cool gewesen, hilft das nicht über das Problem hinweg, dass man hier eine völlig andere Zielgruppe anspricht. Wie gesagt: Teenietussis. Die sollen jetzt zu Holiday on Ice, wie? Wenn es die Helge Schneider-Variante ist, liegt man zwar nicht ganz so schlimm daneben, aber derartig plump an ein ohnehin schon das Publikum verhöhnendes Lied anzuknüpfen, demonstriert anschaulich, wie langweilig es dem Werbetexter gewesen sein muss. Viel Erfolg, mein Kompliment an den Marketingchef.

- Ansprechen des Publikums mit "Baby". In Deutschland sagte man nur in den 80ern "Baby" zu seiner Freundin. In "Dirty Dancing" war das totaaaal angesagt. Heute ganz schlecht. Da schießt einem das Blut nur so aus der Nase.

- Und schließlich: Es gibt auf diesem Event gerade kein Eis, wie der Slogan verspricht, jedenfalls keins, das man essen könnte. Wenn jetzt jemand sagt, es sei ja das andere Eis gemeint, auf dem gefahren wird, muss man offen sagen: "Und dass es in der Halle, wo man Eiskunstlauf zeigen möchte, auch Eis zum Drauf-Laufen gibt, ist sowas Besonderes, dass man's im Hauptslogan anpreist?" Ihr habt sie nicht alle.

Ich werde der an uns allen vorbeieilenden Zeit danken, wenn dieser Scheißevent endlich vorbei ist, damit ich dieses Plakat nicht mehr sehen muss. Bis zum nächsten Jahr, in dem man sich vermutlich einen ähnlich schlimmen Slogan ausdenken wird. Sowas wie "Ice cool, man!" oder so.

Au, jetzt fängt's wieder an zu jucken. Scheiße.

Donnerstag, November 08, 2007

Abkneifen

Es kommt nicht oft vor, dass ich vor Lachen unkontrolliert losspucke. Zu Hause landet der Spaß gern auf Bildschirm oder Tastatur. Das sind Situationen, in denen mich etwas Lustiges so unbemerkt überfällt, dass ich die Muskeln in meinen Mund nicht rechtzeitig aktiviert bekomme, der Spaß also sogar mein vegetatives Nervensystem überholt. Meistens passiert es mir beim Chatten, wenn das Gehirn erst die Wörter zusammenbaut und dann erst Sinn herausliest.

So passierte es jedenfalls am vergangenen Dienstagabend, als ich mit meiner Amalia und Marcus in "Ratatouille" im Oberkasseler Kino gewesen war. Amalia hatte sich nach dem Föm, wie Marcus gern das Wort "Film" ausspricht, auf die Damentoilette verzogen, und Marcus und ich standen da, warteten und mutmaßten, warum sie so lang bräuchte. Das nächstliegende war natürlich ein voluminöser und kraftvoller Damenschiss, und in diesem Zusammenhang meinte Marcus, wie das wohl wäre, wenn wir sie da einfach rausholen würden und sie sich dann "die Wurst abkneifen" müsste.

Da war so ein Moment wie oben beschrieben.

Dienstag, November 06, 2007

Ein Stoß kranker Webseiten

Anschauen, Arzttermin machen, Medikamente einwerfen.

Badger Badger Badger

zombo.com

Fear the gay chicken

Immer auf die Eier

Atme tief.

Denke positiv.

Konzentriere dich auf das, was für dich im Leben wichtig ist.

Halte dich nicht mit Negativität auf; denn so ziehst du sie an.

Ärger sind nur Gedanken, die kommen und gehen. Es ist wertlos, ihnen nachzueifern und sich sogar ihretwegen zu erhitzen.


Mir gehen trotzdem gottverdammt noch mal ein paar Sachen tierisch auf den Sack:

1.) Aus aktuellem Anlass: Ich möchte den Leuten gern nicht nur eine Ansage machen, sondern in ihr dummes leeres Gesicht schlagen: allen denjenigen, die am Flughafen bei der Gepäckausgabe mit ihren Gepäckwagen direkt ans Band heranfahren. Es geht mir unbeschreiblich auf den Sack, dass diese ignoranten Wichser mit ihren Scheißkarren allen anderen den Weg versperren, egal ob ihre Koffer kommen oder nicht und obwohl dann nicht mal selbst an ihre Koffer kommen, weil rechts und links von ihnen schon andere Leute stehen. Meist sind es Frauen, die solche Aktionen bringen. Ich unterstelle Ihnen keine Absicht, sondern bin überzeugt, dass sie nach dem Flug einfach gern ihr Gehirn baumeln lassen wollen. Männer hingegen bekommen es meist auf die Reihe, den Wagen in zweiter Reihe zu parken. Mein Vater hat uns das schon früh beigebracht.

2.) Leute, die in der Öffentlichkeit auf ihrem Handylautsprecher Musik hören. Achtung, eine Durchsage: Wenn ihr sowas macht, seid ihr nicht cool. Ihr nervt dann nur wie Sau.

3.) Ich hasse iPod-Zombies. Sie sind überall, im Fitnessstudio aufm Cardiotrainer, im Supermarkt und auf der Straße, an der Kasse und in der Bahn. Überall schotten sich Leute mit ihren MP3-Playern von der Außenwelt ab und verhalten sich auch genauso asozial. Ich bin sehr dankbar dafür, dass sie ihren Klangrotz (hat in letzter Zeit mal jemand die deutschen Charts mitbekommen?!? Himmel, Arsch und Zwirn!) nicht über einen Handylautsprecher hören, aber es nervt wie Sau, dass sie nicht schauen, wohin sie laufen, und keinen Platz machen, weil sie nichts hören. Und ganz persönlich machen mich die leeren Gesichter genauso aggressiv wie das meist pubertäre Antigetue von Pseudostraßenpunks und anderen profilsüchtigen Würstchen.

4.) Außerdem geht mir die eine Kassiererin an der Theke vom Plus um die Ecke tierisch auf den Keks. Sie hat die ätzendste und krächzendste Stimme der Welt und einen IQ, der meist unter der Raumtemperatur liegt. Einmal hat sie, als ich an der Kasse stand, einen Typen angemacht, der seinen Krempel aufs Band gelegt hatte und dann noch mal verschwunden war, um was zu holen. Sie krächzte ihn an, und ich wäre ihr am liebsten mit einem Dampfbügeleisen übers Gesicht gefahren, nur um sie zum Schweigen zu bringen. Neulich war auch wieder eine ganz schlimme Situation: Eine Frau hatte nur Leergut zurückgebracht, aber die dumme Kassierernuss hatte die Einkäufe der nächsten Kundin auf ihr Konto gerechnet. Keiner hatte was bemerkt, bis die erste Kundin fast aus dem Laden war, und dann gackerten sich die drei Gehirnakrobatinnen zurecht, wer schuld war. Ich ballte die Fäuste in der Tasche und biss die Zähne kraftvoll aufeinander.

5.) Ganz schlimm finde ich diejenigen, die sich heute noch für eine Bergbauausbildung entscheiden, um Kohle abzubauen, und dann anfangen zu schreien, wenn der Staat plötzlich die Subventionen kürzt. Leute, aufgepasst und zugehört: Kohleabbau ist seit Ewigkeiten auf dem absteigenden Ast, und die Subventionsstreichungen sind Thema, seit ich lesen kann. Es gibt einfach nicht mehr so unglaublich viel Kohle, und Raubbau an der Natur ist eh nicht mehr so populär. Man denkt schon ewig darüber nach, endlich mal die Subventionen zu streichen, weil Kohle keine rentable Energiequelle ist. Wie kann man so blöd sein, sowas zu lernen und sich dann zu beschweren, wenn der Staat endlich die Mittel für etwas kürzen will, das sich schon ewig nicht mehr von selbst trägt? Kommt endlich mal im 21. Jahrhundert an! Ihr hattet jetzt echt Zeit genug.

6.) Mir gehen viel zu krass geschminkte Frauen nicht an sich auf den Sack, aber sie verschandeln das Stadtbild. So manche Frau schießt sich so derb mit der Schminkflinte ins Gesicht, dass sie ihr Spiegelbild vermutlich für E.T. hält. Auf der Rüttenscheider Straße gibt es viele solcher Aufbrezeln, die sich wahrscheinlich selbst noch schön finden, die sich aber wohl den Mörtel vor allem in die Fresse gespachtelt haben, um die Gletscherspalten zu kitten. Das sieht dann aus, als hätte der Macher der Muppet Show eine ganz besonders abgefahrene Puppe kreiert.

7.) Werbeschilder mit Rechtschreibfehlern, arx. Überall liest man Sachen wie "[…] auch zum mitnehmen" und ähnlichen Kack. Warum nur ist es so schwer zu raffen, dass "Mitnehmen" mit großem "M" geschrieben wird? Am schlimmsten finde ich, dass für Werbeschilder ein Arschgeld ausgegeben wird, aber nicht mal die Drucker auf die Idee kommen, das mal zu korrigieren, und dann von so manchem der Fehler kommentiert wird mit: "Ich finde, das ist gut so." Was ihr findet, interessiert mich und die Rechtschreibung einen Scheiß. Macht's richtig.

[seufz]

Mein neues Autoradio

Lang habe ich überlegt, was für ein Autoradio ich mir als nächstes kaufen sollte. Das alte ging ja irgendwie noch, wenn auch nicht so gut. Ein Lenco-Radio war das gewesen, irgendwas Billiges, im Internet bestellt, vermutlich von jemandem verkauft, der davon nicht viel verstand. Jedenfalls hatte die alte Gurke nach und nach Alterserscheinungen bekommen. Erst war die Plastikfrontblende des sich bewegenden Bedienteils abgefallen. Der Kleber hatte wohl nach den paar Jahren seine Dienste getan. Dann fiel irgendwann die Beleuchtung des Bedienteils aus, sodass man nachts immer die Innenraumbeleuchtung des Autos anschalten musste, wenn man einen Knopf suchte. Und zu guter Letzt hielt das Radio es für unangemessen, die eingelegte CD wieder herauszugeben, verweigerte entsprechen, das Bedienteil zu bewegen, wenn ich es darum bat. Vermutlich war dem Radio mein tyrannischer Ton missfallen.

Jedenfalls wurden mir Mitarbeiterkonditionen bei Saturn offeriert, und durch die Tatsache, dass ein Freund jemanden dort kannte, wähnte ich mich beratungstechnisch in guten Händen. Ich wollte ein Radio haben, das die ganzen Macken des Lenco-Kackradios nicht hatte, sondern guten Radioempfang und eine breite Palette von MP3-Abspielfunktionen. Dazu sollte es möglichst billig sein. Logisch.

Auf Empfehlung kaufte ich dann eins von Sony mit nem abnehmbaren Bedienteil, nem CD-Spieler drin und ner USB-Buchse vorn drauf. Sah ganz gut aus; mehr konnte ich nicht sagen, weil ich keine Ahnung hatte, was ich kaufen sollte.

Jedenfalls ist mit diesem Ding der Radioempfang viel besser; endlich kann ich nicht nur WDR5 in ordentlicher Qualität hören, sondern das vor allem auch noch, wenn ich telefoniere. Das alte Radio hatte, wenn das Handy beim Telefonieren in der Nähe war, nur so "I, I-I-I, I-I-I" gemacht. Außerdem ist der Radioempfang viel besser. Sender kommen klar rein, von denen ich vorher gar nicht wusste, dass sie existieren. Endlich läuft auch MP3-Abspielerei ordentlich: keine doofen Hüpfer mehr, kein Geknurpse durch einen drittklassigen Decoder, und endlich kann ich sogar darin spulen. Sehr schön auch: Man kann sich bei diesem Radio aussuchen, ob man nur im aktuellen Album oder die ganze CD im Shuffle-Modus spielen will. Zu guter Letzt ist der Klang viel satter. Man kann mit diesem Radio nämlich ein "XPLOD"-Preset nutzen, das so manches Lied deutlich kraftvoller macht. Klar surren meine Lautsprecher bei schon von Hause aus fett abgemischten Liedern da gern mal, aber man muss ja auch nicht immer auf voller Pulle Musik hören. Das machen nämlich nur Weisstdus mit winzigen Schwänzen.

Also ich find mein Radio super, hab's nur dummerweise im unteren meiner beiden Schächte eingebaut. Das muss ich noch mal ändern; der Schaltknüppel ist da gern mal im Weg.

Montag, Oktober 29, 2007

Die dämlichsten Alltagssprüche

Es gibt so unendlich viel sprachliche Redundanz, bei der sich meine Poperze vor Schmerz ruckartig zusammenzieht. Um Ähnliches bei euch, meinen lieben Lesern, auszulösen, kommt hier ein Ausschnitt derjenigen Sprachverfehlungen, bei denen der Popo besonders kneift.

"zumindestens"
Nein. Entweder "zumindest" oder "mindestens", aber nicht beides.

"Es ist so, dass …"

Hört man überall, auch im Radio. Oder gerade im Radio? Politiker sagen das total gern. Es ist so, dass wir uns so und so entschlossen haben. Aha. Es ist also so, ja? Wie wär's mit "Wir haben uns so und so entschlossen"? Geht nich? Muss man erst mit "Es ist so" einleiten?
Ey nein, muss man nicht. Aufhören bitte.

"Das könnte (theoretisch) möglich sein."
Eine wundervolle Verdreifachung der Möglichkeit mit Blähwort. Die Möglichkeit kann quasi sein, also eigenständig existieren. Wie tolerant wir uns heute wieder geben. Mit dem "könnte"-Konjunktiv wird's dann schon richtig blödsinnig, und mit dem "theoretisch"-Blawort wird's dann gänzlich bescheuert.

"Rückantwort"
Rückfragen kann es geben. Das "Rück"-Prafix bedeutet den Verweis auf etwas vorher Besprochenes. Erst wurde was gesagt, und dann fragt man noch mal in Bezug darauf nach. Rückfrage eben. Rückantworten wiederum sind Quatsch, weil eine Antwort sich schon begrifflich auf etwas vorher Gesagtes beziehen muss. Außerdem gibt's auch keine Vorantwort oder ähnlichen Quatsch.

"in keinster Weise"
Ah, Sie wollen sagen: "nicht"? Sagen Sie das doch. Sehr schön, dass man bei dieser Verblaung aber das "kein"-Wort gesteigert hat. "Das ist kein Kuchen, das da ist noch viel keiner Kuchen, und das da drüben, das da mit der rosa Kirsche drauf, ist am keinsten Kuchen! Keinsten, verstehste?!?"

"Insofern, dass", "Insofern, weil" und "Insofern, als dass"
Sehr oft gehört, trotzdem falsch. Es heißt: "Insofern, als" oder -- das mache ich gern -- "Insofern, wie". Wer was anderes sagt, hat die Konstruktion nicht begriffen. "Insofern" bedeutet vereinfacht gesagt: "so weit". Das "in" muss jemand in einer Weinlaune drangeklebt haben. Man könnte auch sagen: "Soweit ich das verstehe", was man auch mit "So weit, wie ich das verstehe" sagen kann. Kein Mensch käme auf die Idee zu sagen: "So weit, dass ich das verstehe" oder besser noch: "So weit, als dass ich das verstehe …" Aber sobald das böse Wort "insofern" auftritt, scheint es kein Halten mehr zu geben. Menschen kacken plötzlich völlig bereitwillig überall hin, sobald eine "insoweit"-Konstruktion kommt; dabei haben sie sie ganz offensichtlich nicht einmal verstanden.

"Erfolgen"
Auch ein Klassiker meines Arbeitsalltages. Überall sieht man es. Meine EC-Kartenzahlungen werden quittiert mit dem lieblos auf die grüne Digitalanzeige gerotzten Satz: "Die Zahlung ist erfolgt." Überhaupt erfolgen total viele Substantive, obwohl man auch genauso gut ein Verb benutzen könnte.
"Meine Zahlung ist erfolgt." Wie wär's mit: "Ich habe gezahlt"?
Versicherungen sind besonders schlimm, wie Juristen auch.
Meinem Chef geht das so sehr gegen den Strich, dass er im Büro den "erfolglosen Stil" fordert. Recht hat er. Ist nämlich Pisse, diese ständige Zersubstantivierung der Sprache.

"schnellstmöglichst"
Dieser Ausdruck schmerzt sehr, wütet geradezu in meiner Seele, tritt aber wohl vor allem auf, weil seine Benutzer ihn mal wieder nicht kapiert haben. "Schnellstmöglich" steht da natürlich nur für eine Vielzahl von Adjektivkonstrukten. Hier wurden fälschlicherweise beide Adjektive gesteigert; nur das erste zu steigern, wäre richtig gewesen. Man will in diesem Fall sagen: "so schnell wie möglich", also "schneller geht es nicht mehr" oder "das ist am schnellsten". Der "möglich"-Teil muss bleiben, wie er ist. Man sagt ja auch nicht "so schnell, wie möglichst", deswegen ist auch "schnellstmöglichst" falsch und "schnellstmöglich" richtig. So wie auch "bestangezogen", "weitestgehend" und "Penis". Das Letzte war ein Test. Überrascht?

"Wer FFährt mit Motorrad?"
Dieses Beispiel betrifft eher meine Schwulenfraktion. Manche Leute müssen ihre Vorlieben (in diesem Fall der klassische Faustfick, gern mit "FF" abgekürzt) an jeder Stelle unterbringen, egal wie unpassend die Situation oder ideenlos die Anspielung.


Und dann gibt es noch jede Menge Nasenblutersprüche, die bei "Stromberg" vor allem von Ernie gebracht werden. Wer tatsächlich so spricht, ist nicht lustig. Hier die schlimmsten Beispiele:

- "Tschö mit Ö"
- "Okäse" für "okay"
- "wunderbärchen"
- "Alles klärchen."
- "Märchensteuer" für "Mehrwertsteuer"
- "Hasse nich' gesehn"
- "Frag nich' nach Sonnenschein."
- "Tel-Aviv" für "C'est la vie"
- "ausm FF"
- "etc. PP" wenn man nicht weiß, was es heißt
- "Nur die Harten kommen in den Garten."
- "bis zum Geht-nicht-mehr"
- "ohne Ende"
- zu allem ständig "Hammer!" sagen
- "zum Bleistift" oder "zum Bleifisch" für "zum Beispiel"
- "Prostata" für "Prost"
- "à votre sanitär" statt "à votre santé"

Ich aktualisiere die Liste hin und wieder, wenn mir noch was einfällt.

Freitag, Oktober 26, 2007

Bericht meines USA-Urlaubes fertig

Hallo Freunde,

dass von Ende August bis Mitte September bei meinen zwei Busenfreunden Tim und Gary aus Houston war, wissen viele von euch. Ich hatte es verschiedentlich angekündigt, aber jetzt ist es endlich so weit.

Der Urlaubsbericht ist fertig!

Ich poste ihn aber nicht hier, weil er mit Fotos etwa 50 Seiten lang ist und er den Rahmen dieses Blogs sprengen würde. Wer ein Exemplar (PDF-Dokument) haben möchte, soll mir eine E-Mail schreiben. Dann schicke ich eine Kopie raus.

Der Bericht ist glaube ich spaßig und interessant geworden, und bei den ganzen Fotos darin bekommt man wohl ein schönes Urlaubsgefühl.

Ich warte auf eure Mails,

eure Reiseelse

Dienstag, Oktober 23, 2007

Ja, auf FÜNFUNDDREISSIG QUADRATMETERN!

Seit etwa drei Monaten habe ich eine Mitbewohnerin. Ich kenne sie seit ziemlich genau zehn Jahren. Wir lernten uns im Oktober 1997 in Marburg zu Beginn unseres Jurastudiums kennen, in einer Eckkneipe, deren Namen ich glücklicherweise vergessen habe. In dieser Kneipe hatte ELSA (European Law Students Association) damals seinen Stammtisch, für den wir beide und eine Reihe anderer Erstsemester ("Frischfleisch") uns interessierten. Gott weiß, was mich damals geritten hat, da hinzugehen. Kontaktsuche vermutlich, die Suche nach dem Sinn des Jurastudentenlebens oder der schiere Drang, mir nach der entmutigenden Antrittsvorlesung des damaligen Dekans Prof. Dr. Schanze mit Anlauf die Rübe wegzuschießen.

Sie saß auch da, eine Metisse, eine schokobraune Schönheit mit langem schwarzem Haar und leichtem französischem Akzent. Sie sagte z. B. "Teeleefon" statt "Teelöfon", wie das sonst jeder machte. Was ich als Erstes sagte, weiß ich nicht mehr. "Hallo", vermute ich, oder irgendwas ähnlich Profanes. Ziemlich direkt danach polterte ich dann aber schon mit etwas wie "Nur dass ihr's wisst: Ich bin schwul." daher. So war ich damals. Heute ist mir diese Art sehr fremd, macht mir geradezu Angst, und ich bin sehr kontaktscheu geworden.

Amalia (Spitzname: Maia) (Name von der Redaktion geändert) hieß sie. Wir hatten damals beide in ELSA einen Vorstandsposten. Also jeder einen, nicht einen zusammen. Sie machte Academic Activities, ich Marketing. Das war lustig.
Nach fünf Semestern zog sie nach Berlin, ich nach Bielefeld. Das hätten wir beide viel früher machen sollen; entgegen landläufiger Meinung ist Marburg nämlich ein verfluchtes Dreckskaff voller profilsüchtiger Würste, Spinner, Geisteskranker und von Inzucht gebeutelter Eingeborener. Schon damals scheiterten meine Pläne, Marburg in Schutt und Asche zu legen, nur an meiner Gesetzestreue.
Und Bielefeld war entgegen meinem ersten Eindruck tatsächlich nicht so übel. Dass Berlin sehr gut gewesen wäre, hatte ich damals nicht auf dem Schirm gehabt.

Ich bewunderte Amalia immer für ihre Weltzugewandtheit, traute mich aber selbst nie, den großen Sprung zu machen. Sie war ständig auf dem Sprung, fuhr mit dem Zug fürs Wochenende nach Paris, war hin und wieder bei der Familie in Kamerun und hatte Freunde in fast jeder Großstadt in Europa. Und ich? Ich hatte eine Fernbeziehung in Wolfenbüttel, fuhr regelmäßig mit dem Regionalexpress nach Braunschweig und litt unter dem pöbelnden Abschaum, der immer in Herford ein- oder ausstieg.

Sie erzählte mir irgendwann mal von einer Regel von ihr: Sie wolle so viele neue Städte im Jahr besuchen wie möglich. Ach so ging das! Das konnte ich auch, dachte ich mir, und nahm die Herausforderung an. Dieses Spiel würde sie verlieren, ha! Aus Angst, sie könnte meine Teilnahme als Ansporn sehen, noch mehr reisen und mich gnadenlos abhängen, sagte ich ihr nichts davon. Als Stadt sollte, so definierte ich still und heimlich für mich, nur ein Ort mit mindestens 100.000 Einwohnern gelten. Das würde sie sicherlich auch so sehen und, wenn ihre Regeln eine niedrigere Zahl vorsähen, im Ernstfall Treffer von ihrer Liste streichen.

Es vergingen Jahre, und Examina wurden bestanden. Ich machte meine Wahlstation in Toronto, sie in Paris. Unentschieden. In meiner Zeit in Toronto besuchte ich allerdings San Francisco, Montreal, Manhattan und Buffalo. Sie? Keine einzige andere Stadt, die gezählt hätte. Dingdingdingdingdingding, and we have a winner!

Nach meinem zweiten Examen zog ich nach Düsseldorf; sie war nach Koblenz gezogen. Punkt für mich und Styleabzug für sie. Daran knapst sie heute noch, ha!

Irgendwann, als ich genug Punkte gesammelt hatte, erzählte ich ihr von unserem Wettbewerb, worauf sie mir sagte, dass sie gar nicht möglichst viele neue Städte im Jahr sehen wolle, sondern mindestens eine neue Hauptstadt im Jahr. Die Welt sollte nie wieder sein wie vorher; meine Siege wurden schlagartig zu Unentschiedens. Es blieben mir nur die Erinnerungen an tolle Zeiten. Ich hasse sie noch immer dafür.

Nach ihrem zweiten Examen war Amalia eine Weile arbeitslos. Dieses Schicksal trifft heute sehr viele Juristen nach ihrem Examen. Dafür muss man nicht einmal ein schlechtes Examen machen. Sie bewarb sich hier und da und wollte aus Koblenz weg. Wahrscheinlich um die Punkte wieder wettzumachen, die sie die Koblenz-Zeit gekostet hatte. Und da sie Arbeitsrecht macht, bewarb sie sich bei der Agenturbehörde für Arbeitsbeamte um einen Platz bei einem einschlägigen Fachanwaltslehrgang. Davon ahnte ich nichts.

Die Mitteilung kam am Freitag, dem 20 Juli: Fachanwaltslehrgang bewilligt. Er startet am 26. Juli. In Düsseldorf. Sie rief mich sofort an. Ich stand gerade in der Mittagspause an einer Bushaltestelle, um mein Auto aus der Werkstatt abzuholen. Gott weiß, was mit der Karre schon wieder nicht in Ordnung gewesen war. Es war sehr sonnig und heiß gewesen, und ich schwitzte und fühlte mich in meinem Anzug neben all dem blinden übergewichtigen Fußvolk deplatziert und hatte Angst, bei den Kleidungsfarbverfehlungen auch bald zu erblinden.
Ich sah, dass Amalia anrief, nahm den Anruf an, ließ mir vom bewilligten Fachanwaltslehrgang berichten und wartete ihre Frage gar nicht ab, sondern sagte direkt: "Klar kannst du bei mir wohnen." Bei ihr hatte ich nicht das geringste Bedenken. Sie hatte WG-Erfahrung noch und nöcher. Ich dagegen? Zehn Jahre allein gewohnt. Ob ich überhaupt mit jemandem zusammen wohnen konnte? In zwei meiner Beziehungen hätte ich lieber bei Aldi an der Kasse angefangen, als mit meinem Partner zusammen zu wohnen, und in den beiden anderen wollte der Partner nicht. Bilanz und Tendenz unklar.

Seit Mittwoch, dem 25. Juli wohnt Amalia bei mir. Bei mir = Einzimmerwohnung mit 35 m². Auf der Couch. Da schläft sie natürlich nur; sie darf sich sonst frei bewegen. Ich mache morgens hervorragendes Käffchen, sie oft hervorragendes Abendessen. Sie putzt das Klo, ich bügele und versuche, sie mit Handwerkern zu verkuppeln.

Wenn wir Freunden und Bekannten davon erzählen, dass wir zusammen wohnen, variieren die Wörter der Antworten, aber sie gehen alle in die gleiche Richtung. Und ja, allen Unkenrufen zum Trotze, das ginge doch nicht, wie hielten wir das aus und wir täten der Mit- und Umwelt leid, kommen wir großartig miteinander klar und genießen es. Wir haben nicht zu wenig Platz, es stört uns nicht, im gleichen Zimmer zu schlafen, und keiner von uns hat Ticks, die heruntergeklappte Klodeckel oder nicht gespültes Geschirr betreffen. Das Einzige, was wir beide gern hätten, ist mehr Platz für Klamotten, weil die gern wild in der Gegend verteilt werden.

Klar: Wir können uns nicht irgendwelche Leute zum Vögeln nach Hause einladen. Oder sagen wir genauer: Wir haben's bislang nicht versucht, weil wir nicht wissen, wie der andere darauf reagiert. Aber ich glaube, das Interesse daran ist sehr überschaubar. Es hat jedenfalls bislang keinem von uns Tränen in die Augen getrieben, und bevor es so weit kommt, sprechen wir das ab und weichen auf andere Betten für die Nacht aus. Angebote gibt es; man fühlt also mit uns. Oder man hat Mitleid; das lässt sich oft schwer abgrenzen.

Aber Mitleid ist völlig fehl am Platz, weil wir nicht aus finanzieller Not oder Angst vor Einsamkeit zusammen wohnen. Wir genießen das Miteinander und brauchen nicht mehr Platz. Wenn wir mal mehr haben, ist es auch in Ordnung, aber aktuell fehlt uns nichts außer einer neuen Flasche Campari.

Donnerstag, Oktober 11, 2007

Letter to American Airlines

Ladies and gentlemen,

I am writing to you as your passenger on the flight from Frankfurt to Houston (George Bush) dated 24 August 2007. The flights' information is:

[Information ommitted]

Booking/confirmation number was KKLNZB. The flight had been booked for me by Mr N with his miles.

The initial flight departed and arrived as planned but subsequently, the immigration procedures took too long for me to catch my connection flight to Houston. Immigration itself did not take long; as a matter of fact, I was just woven through after I had provided immigrations with my finger prints and had shown my passport. But when I passed immigration and reclaimed my luggage, it was already 18:45, too late to catch my connection flight.

That alone would have just been a usual annoyance for me that I had experienced before already but when I wanted to recheck my luggage at the American Airlines counter I was told that I was not going to be able to catch either of the two remaining flights from Chicago Ohare to Houston that night. The earliest connection flight offered to me was on the next morning at 9:45, which forced me to spend a night at a hotel. As much as I appreciate American Airlines' efforts to provide distressed passengers with a lower rate at the surrounding hotels (I stayed at the Marriott Ohare Hotel for $89 instead of $229 plus tax that night), I would like you to know that I am displeased with the way I was (and the way passengers were) treated, for the following reason.

Immigration for me took over two hours, and I was by far not the last one in my plane's line. The situation that I had to go through was foreseeable both for the airport, immigration control and, frankly, you. Ms Hitchcock, the lady at the American counter who assisted me in a very polite and friendly way, told me that the reason for the distress was the weather of the previous days. Chicago had experienced storms and heavy rainfalls, which had forced a number of international and domestic flights to be relocated to surrounding airports. These planes landing in Chicago that day, along with the ones regularly coming in, had allegedly caused the holdup at immigrations.

Even if that is true, which I have no information on, it does not disburden you or anybody else involved from their responsibilities. Especially if all those delayed flights coming in were predictable, the airport should have opened more lines to speed up the immigration process. If that had for any reason been impossible to do, the least that should have been done was to have somebody call out the next connection flights and ask the respective passengers to come up front to go through immigration first.

But frankly, not only did nobody at the airport care the least about who was going to catch their connection flights. When I went up to an officer at the airport to ask her nicely "how the chances were that I would catch my connection flight", all she had to respond (in a rude tone, and as a German citizen, I know a rude tone, you can believe me that) was, "You are not going to catch your flight; it's already 6:15."
Essentially, nobody gave a hoot about who got their connection flights, and I am unhappy with having to stay at a hotel over night and having to cover for it, even if I am offered a lower rate. Without stating that it was your or anybody else's intention behind it, some people might even interpret this procedure as a convenient way to create business for the hotels.

Please understand, ladies and gentlemen, that what I am describing here, happened to lots of other passengers as well who were not able to pay for an over-night stay at a hotel. Waiting in line for immigration, for instance, I met a young girl at an age of around 17 who was on her way to spend a school year in the States. She was certainly not able to afford a hotel and had to stay at the airport that, by the way, does not even provide for a low-class hall for distressed passengers to sleep somewhere, not even in times when such a situation is as clearly predictable as in this case.

Every time I fly to the US, immigration process is an unwelcome but necessary obstacle. I understand that. Terror and all. This time though, waiting in line without anybody caring whether we caught our connection flights, I frankly felt like cattle. This, I believe, is neither the way you want your passengers to feel (and believe me, after a flight of nine hours or more, you are more likely to get this idea), nor is it a good display of hospitality for the US, which I truly love for their people.

I am not writing this letter to you to be reimbursed anything but if there is something you can do for Mr N who booked the flight for me and who had to go through the trouble of picking me up at the Houston airport on Saturday, I would greatly appreciate it.

Yours truly

Freitag, September 28, 2007

Der Dell-Kundenservice ist der Kracher

Am 25.02.2007 habe ich ein 24-Zoll-TFT-Display bei Dell online gekauft. Das Ding war von Anfang an Spitze: Superbild, riesengroß, schön Kartenleser an der Seite, alles geil. Jetzt hat sich neulich irgendwie der An-/Aus-Knopf gelöst, dreht sich in seiner Fassung und kann in verdrehter Stellung nicht bedient werden, sodass man manchmal den Bildschirm nicht an- oder ausschalten kann.

Da habe ich jetzt den Kundendienst angerufen, und die kommen am Montag und holen den ab. Kein Wenn, kein Aber.

Wie geil ist das denn?!?

---

Nachtrag 01.10.2007, 09:29 Uhr:

Schon kurz vor 9:00 Uhr war der Kurierdiensttyp da und hat ein Austauschgerät gebracht. Ich hatte keine Originalverpackung und nichts dabei; wie gewünscht hatte ich nur das Gerät mit Standfuß mitgenommen. Ausgetauscht, danke. Jetzt muss nur noch das Austauschgerät funktionieren; dann finde ich Dell noch geiler als vorher.

Mittwoch, September 26, 2007

Das geschlossene Sakko

Es gibt Verhaltensregeln, und das ist gut so. Ohne wüssten nämlich viele nicht, was sich gehört, und würden nackt auf der Straße herumlaufen, Blumen in Gewehrkolben stecken und die NPD gründen. Ach nein, Moment, die NPD gibt es schon. Das stellt jetzt meine These auf den Kopf.

Jedenfalls gibt es außerdem Menschen, die Verhaltensregeln vergöttern und überall als zwingend ansehen, ohne dass es ihnen dafür darauf ankäme, ob die Regeln dann noch Sinn machen.

Die meisten Menschen haben keine Idee, wofür Knigge seine Benimmregeln geschrieben hat, und sie wären vermutlich empört, wenn man sie darauf hinwiese. So wie sie wahrscheinlich empört über alles Mögliche sind. Empörung ist überhaupt eins der besten Indizien von Dummheit. All das ändert natürlich nichts daran, dass Knigge sich sehr wohl etwas bei seinen Regeln gedacht hat, was viele von sich nicht behaupten können. Aber das wäre dann wohl auch doppelt gemoppelt. Oder so.

Heute jedenfalls hat ein Mitarbeiter des Büros Geburtstag, und wie das bei uns üblich ist, hat ihm das ganze Büro gratuliert, mit Sakko, Sekt und Handschlag. Das ist zwar ziemlich steif, aber hier so üblich. Deswegen mache ich das auch. Gutes Benehmen und so.

So stand ich, wie andere Kollegen auch, in der Runde, allerdings mit offenem Sakko. Eine Kollegin, deren Sakko ebenfalls offen war, wies mich und die anderen Kollegen darauf hin, dass das Sakko zu schließen sei, natürlich -- das macht sie immer so -- mit einem Lachen. War ja ein feierlicher Anlass, verstehste? Ich hielt das für einen Scherz, und als ich mein Sakko daraufhin nicht schloss, sagte sie in die Runde: "Ah, der Kollege hat meine Bemerkung für einen Scherz gehalten." Mir war nicht nach Diskussion, und ich schloss meinen mittleren Sakkoknopf. Für Sie gilt die Regel nicht; sie ist eine Frau, und jeder weiß, dass Frauen ihre Sakkoknöpfe niemals schließen. Dann müssen nämlich blinde Kinder in Bangladesh sterben. Das wollen wir aber nicht; denn die müssen schließlich für einen Hungerlohn in Fabrikhallen eingesperrt die verranzten Karoflanellwesten für Motorradlesben zusammenklöppeln.

Ich wollte zum Geburtstag gratulieren, und mir ist völlig unklar, wie die Geschlossenheit meines Sakkos dazu beitragen sollte, dass meine Glückwünsche ehrlicher oder besser wirken. Vermutlich sollte das geschlossene Sakko eher die Übergeordnetheit demonstrieren oder so.
Jedenfalls fühlte sich die Kollegin wohl in ihrer Rolle als Sittenwächterin bestätigt. Das war gerade noch einmal gut gegangen. Nicht auszudenken, wohin das offene Sakko sonst noch geführt hätte.

Donnerstag, September 20, 2007

Herr Ford vom ADAC

Diese Geschichte ist schon ein paar Jahre her und liegt mir schon lang auf der Seele. Jetzt komme ich endlich dazu, sie mal in einem Rutsch herunterzuschreiben.

Wenn ich mich recht erinnere, war es die Vorweihnachtszeit 2002, als sich alles ereignete. Ich fuhr mit meinem damaligen silbergrauen Mercedes 190 E, der damals von Freunden von mir -- abhängig von Gruppenzugehörigkeit -- "Türkenbomber" oder "Homomobil" genannt wurde, an einem grauenvollen Freitagnachmittag auf der A2 von Bielefeld, wo ich damals wohnte, in Richtung Braunschweig, um meinen damaligen Freund zu besuchen. Der Tag war grau, verschneeregnet, windig und arschkalt, es herrschte also genau das Wetter, dessentwegen sich in Norwegen die Leute zu Tode saufen.

Es spielte irgendwelche Elektro-Downtempo-Musik, die ich so mag, und ich hatte wegen des schlechten Wetters die Heckscheibenheizung angeschaltet. Das hielt die graue Schneepampe gerade davon ab, sich dort festzusetzen. Ich hasste dieses Wetter. Nichts Halbes und nichts Ganzes: weder richtig kalt noch warm, weder sonnig noch richtiger Regen, weder stürmisch noch windstill, und natürlich hatte diese Suizidwerbung seit Wochen das Programm bestimmt.

Ein besinnliches Vorweihnachtswochenende sollte es werden, mit Vorbereitungen für das Fest der Liebe. Glaube ich. Das war in der Beziehung nicht ganz so einfach, weil wir uns damals regelmäßig in ausgiebigen und völlig belanglosen Streits ergossen, die ich weder kommen sah noch die irgendwas besser machten. Im Nachhinein frage ich mich, wie wohl viele meiner Freunde damals auch, was mich damals geritten hatte, die Beziehung so lang am Leben zu halten.

Es herrschte nicht nur das miese Wetter, sondern auch der übliche dichte Freitagnachmittagverkehr. Vermutlich wollte jeder nach Hause, Frau und Kinder liebkosen und Walnüsse mit Goldfarbe besprühen und zu Weihnachtsbaumschmuck machen. Wegen des Schneetreibens musste ich mich noch stärker als sonst konzentrieren. Ich mochte Autofahren schon damals nicht. Es gibt ja viele, für die das das Größte ist. Meiner Meinung nach sind das auch die Leute mit den kleinen Penissen. Mir jedenfalls ist Autofahren, vor allem bei solchem Wetter, derart dichtem Verkehr und bei den Lichtverhältnissen, zuwider. Ich mache es, aber Spaß ist was anderes.

Routinemäßig sah ich in den Rückspiegel und wunderte mich, warum die Heckscheibe wieder zugeschneit war. So dicht war der Schnee doch nun auch nicht; komisch. Ein Blick auf die Anzeige verriet mir, dass die Heckscheibenheizung abgeschaltet war. Hm, da musste ich sie wohl versehentlich abgeschaltet haben. Also wieder einschalten. Wenige Minuten später bemerkte ich, wie die Heizung erneut ausgegangen war, dieses Mal allerdings war ich sicher, dass ich sie angeschaltet hatte. "Was zum Geier", brummte ich vor mich hin.

Nach ein paar Minuten schaltete sich auch das Radio selbständig ab, und ich muss genau so ratlos geguckt haben, wie ich war. Was als nächstes passierte, weiß ich nicht mehr, aber mit einem Mal, als ich gerade auf der linken von drei Autobahnspuren fuhr, waren auch die Scheinwerfer ausgefallen, und die Servolenkung gab keinen Pieps mehr von sich. Dann ging der Motor kommentarlos aus. Ich sah mich um. Jede Menge Autos um mich herum. Verdammt.

Ich tat, was ich konnte: blinken (und erinnere mich nicht, ob die Blinker tatsächlich aufgeleuchtet haben) und mich mit zahllosen Schulterblicken auf den Standstreifen schlängeln. Hoffentlich sahen sie, dass mit meinem Wagen was nicht in Ordnung war, und ließen mich passieren. Zwei Spuren auf einmal bei diesem Verkehr zu wechseln, war vor allem ohne Licht eine ziemlich schlechte Idee. Es gelang mir jedoch irgendwie, und wenn man ein Auto unterm Hintern hat, das von Strom nicht mehr viel hält, ist "irgendwie" wohl wirklich gut formuliert.

Nur noch ausrollend bemerkte ich einen Rastplatz auf mich zukommen, nur noch wenige Meter! Tatsächlich reichte der Schwung des Wagens, um auf diesen Rastplatz und dort in eine Parkbucht zu fahren. Ich drehte den Schlüssel in die "Aus"-Position und versuchte ihn dann wieder zu starten. Er gab ein paar Ächzer von sich, mehr aber auch nicht. Noch einmal. Oioioioioioioi, dann nichts mehr. Scheiße, das fehlte gerade noch.

Ich warf einen Blick aus dem Wagen. Der Himmel war dunkelgrau geworden, und der Schneeregen war so dicht geworden, dass ich bei funktionierenden Scheinwerfern vermutlich nicht viel mehr als eine weiße Wand gesehen hätte. Was tun, hm hm.

Eigentlich blieb nicht viel außer, den Den ADAC anzurufen. Ich war (und bin) kein Mitglied dort, aber vielleicht würde ja die Mitgliedschaft meines Vaters reichen. Von ihm hatte ich eine alte Mitgliedskarte bekommen, die ich in meinem Geldbeutel aufbewahrte und auf der eine Telefonnummer stand. Also rief ich die Nummer über mein Mobiltelefon an, erklärte den Sachverhalt, auf welchem Rastplatz ich stand und was mein Wagen für Mätzchen machte, und man sagte mir zu, jemanden vorbeizuschicken, bat jedoch um meine Geduld, weil der ADAC an diesem Tag viele Einsätze führe. Dann verabschiedete sich der Akku; gerade noch mal geschafft. Das hätte mir noch gefehlt (nach Murphys Gesetz).

Nun ja, ich hatte keine Wahl, also wartete ich. Es wurde langsam kalt im Auto, und ohne Motor gab es keine Heizung und keine Musik. Sich draußen die Füße zu vertreten, war keine gute Idee, weil es draußen nass und außerdem arschkalt war. Aus meiner Bundeswehrzeit wusste ich allerdings, dass man nach etwa einer halben Stunde Stillsitzen auskühlt. Zu allem Überfluss hatte ich zu Hause nichts mehr gegessen, um ordentlich Kohldampf zu haben, wenn ich ankomme. Da saß ich also jetzt damit und hatte nicht einmal etwas zu trinken dabei. Ich sah mich schon in dramatischen Nachrichtenzeilen: "Junger Jurastudent in Benz verdurstet! Skandal!"

Die Zeit -- vor allem: die von mir zuerst gedanklich festgehaltene halbe Stunde -- verstrich. Nichts. Mir wurde tatsächlich kalt. Ich bin mir sicher, ich gab auch eine Warum-muss-mir-das-JETZT-passieren-Tirade von mir, was natürlich weder half noch die Zeit schneller verstreichen ließ. Weit und breit kein ADAC-Auto.

Es wurde immer dunkler. Nach eineinhalb Stunden schließlich -- es muss gegen 17:30 Uhr gewesen sein -- fuhr ein gelber ADAC-Wagen langsam über den Rastplatz an mir vorbei und hielt vor mir. Die Rettung war eingetroffen! Ich stieg aus dem Wagen.

Mein Held hieß Herr Ford. Was für ein passender Name, um beim ADAC zu arbeiten, und immer noch besser als Opel oder Suzuki! Er war etwa so groß wie ich, schätzungsweise Mitte 40, hatte kurzes weißes Haar und war braungebrannt, als wäre er gerade aus einem langen erholsamen Sommerurlaub zurückgekommen. Er sah toll aus mit seinem quietschgelben ADAC-Mantel und dem Lächeln in seinem markanten Gesicht, das mich schlicht umhaute. Er hätte locker Modell im Quelle-Katalog sein können. Als er mir die Hand gab, sah ich, dass er große kräftige und trotzdem grazile Hände hatte. Was für ein Kerl, unglaublich! Da standen wir mitten im Schneetreiben an diesem Scheißtag, und er lächelte, als gäbe es nichts Schöneres, als mir zu helfen. Ich sah nur sein Gesicht und seine Hände, aber ich hätte ihn sofort weggeheiratet.

Die Untersuchung meines Wagens -- dafür war er gekommen -- ergab, dass die Kontaktstifte von der Lichtmaschine zur Batterie abgenutzt waren (warum auch immer die überhaupt abnutzen können); das Teil musste getauscht werden. Murphys Gesetz hätte dafür sorgen müssen, dass ausgerechnet mein Wagen so exotisch war, dass er kein Ersatzteil dabei hatte. Immerhin konnte er kaum alle Ersatzteile für alle Autos dabei haben. Aber er hatte es, tatsächlich. Na gut, so exotisch war ein 190er offenbar nicht. So ein Auto mussten schon wegen des Spitznamens jede Menge Türken haben, und davon gibt es in Deutschland ja etliche.

So tauschte er das defekte Teil und gab mir Starthilfe; meine Batterie hatte ich ja mit der Heckscheibenheizung völlig leergelutscht. Mein Wagen lief wieder. Ich hatte noch immer den Gedanken nicht überwunden, dass diese Kohlenstifte allen Ernstes abnutzten.

Wir kamen zur Bezahlung. Wenn ich mich recht erinnere, war die Reparatur selbst kostenfrei, weil mein Vater Mitglied war (diese Konstruktion hatte ich nicht begriffen, aber der Wagen war auf ihn zugelassen; das half wohl), aber das Ersatzteil musste ich zahlen, und er konnte, sagte er, keine Kartenzahlung annehmen. Es musste bar sein. Obwohl es nur etwa 40 Euro kostete, hatte ich das Geld nicht in bar dabei, sodass ich ihn fragte, was ich tun könnte.
In meinen Gedanken zahlte ich seine Diensleistungen inklusive Ersatzteil natürlich völlig anders als in Geld, und hätte er auch nur einen Ton gesagt, hätte er alles von mir kriegen können, was er wollte. Ich traute mich nur nicht zu fragen, vor allem aus Angst, er könnte nicht für mein Team spielen und sich tierisch aufregen.

Es blieb also nicht viel; er fuhr mit seinem Wagen zu einem nahe gelegenen Geldautomaten, den er offensichtlich kannte, und ich folgte ihm. Die Aktion wirkte auf mich wie ein schlechtes Pornodrehbuch. So etwas konnte er doch unmöglich mit allen seinen Kunden machen, die Geld für Ersatzteile nicht dabei hatten, vor allem, wo viele Teile sicher deutlich teurer waren als meins. Oder? Jedenfalls holte ich am Automaten verabredungsgemäß Geld und gab ihm, was ich ihm schuldete. Vielleicht habe ich ihm auch Trinkgeld gegeben; ich weiß nicht mehr. Jedenfalls traute ich mich nicht, ihm auch meine Telefonnummer mit einem Hinweis auf zusätzliche Dankesdienste zuzustecken.

Er war während der gesamten Prozedur sehr freundlich gewesen, bedankte sich, und so fuhren wir wieder unserer Wege.

Seitdem erinnere ich mich immer wieder -- vor allem an grauen Vorweihnachtstagen -- gern an Herrn Ford, sowohl mit einem warmen Gefühl wie auch mit der Frage, wie er wohl reagiert hätte, wenn ich ihm damals -- wie auch immer -- ein Angebot gemacht hätte.

Das alles hätte gut eine Vorlage für einen billigen Sexfilm sein können. Einer wie die, in denen Sascha Hehn mitgespielt hat. Aber wer weiß, wie Herr Ford damals reagiert hätte? Ich leider nicht, und wenn er diesen Eintrag nicht liest, werde ich es wohl auch nie erfahren.

Nun … Kennt einer von euch Herrn Ford?

Montag, September 17, 2007

Lebenszeichen

Hallo, ein Lebenszeichen von mir! "Lebenszeichen" heißt in diesem Fall tatsächlich: "Ja, ich lebe noch bzw. wieder." Oder so ähnlich. Aber es heißt auch: Ja, es gibt mich (und damit dieses Blog) noch. Ich war nur in einem sehr geilen Urlaub in den USA und habe in dieser Zeit nicht geschrieben.

Zum Urlaub in aller Kürze: Ich habe Tim und Gary in Houston besucht, aber von Houston eigentlich nichts gesehen, weil ich zuerst ungefähr zehn Tage mit denen in der Weltgeschichte (New Orleans, Houston, Dallas, Oklahoma City) herumgefahren bin, dann für fünf Tage in Palm Springs war und dann die letzten eineinhalb Tage wieder in Houston mit den Jungs verbracht habe. Es war der geilste Urlaub meines Lebens, in etwa wie der damals geilste Urlaub meines Lebens vor vier Jahren, der damals nur von der ewigen Meckerei meines damaligen Partners getrübt wurde, nur halt ohne den Partner. Single zu sein hat also durchaus seine Vorteile. Das gilt für Leute mit meiner Zielgruppe vor allem dann, wenn sie nach Palm Springs gehen.

Letzte Woche Mittwoch bin ich jedenfalls schweren Herzens wieder zurückgeflogen und (natürlich) ziemlich müde und von den deutschen Hackfressen auf der Straße genervt zu Hause angekommen. Das Auspacken hat nicht lang gedauert, und zu waschen gab es wenig; denn das hatte ich alles bei Tim und Gary gemacht. Der Urlaub hat sich eigentlich auch nie wie Urlaub angefühlt, sondern wie ein anderer Lebensabschnitt.
Irgendwann habe ich nachmittags mal eine Stunde geschlafen, obwohl das ja "totaaal verboten" ist, weil man dann die Zeitverschiebung nicht mitzumachen droht. Weiß und wusste ich, war mir aber egal, weil ich arschmüde war.
Mahalia kam nachmittags kurz nach Hause, und wir haben direkt wieder die ganze Zeit gelacht, weil sie mir unterstellt hat, ich hätte in Palm Springs in einem Fickhotel gewohnt. Das stimmt aber nicht. Ich habe im Triangle Inn übernachtet, das nicht nur total super ist, geile Zimmer und mir außerdem einen Spitzenpreis gemacht hat, sondern dessen Inhaber Michael und Stephen darüber hinaus auch extrem nett sind. Und die Tatsache, dass ich in einem schwulen Gästehause mit FKK-Option übernachtet habe, was ja bei Amis gern mal die Riesensensation ist, macht's ja nicht direkt zu nem Fickhotel. Klar könnte man da auch Sex haben, vermutlich auch am Pool, sodass alle das sehen können.

Hm.

Also gut, meinetwegen habe ich in einem Fickhotel übernachtet. Aber ich habe es Mahalia gegenüber jedenfalls abgestritten.

Am Donnerstag bin ich wieder ins Büro getapert und erstaunlicherweise auch total super um 6:30 Uhr ausm Bett gekommen. Alles kein Thema, keinen Jetlag, gar nichts. Mir ging's sogar so gut, dass ich abends direkt wieder mit Kermit zum Sport und danach zu Mahalias Geburtstagsumtrunk gegangen bin. Jahaa, da staunt ihr.

Selbst am Freitag bin ich ohne Probleme aus dem Bett gekommen. Ich habe am späten Vormittag dann zwar Durchfall bekommen (die Sorte, bei der man die Knie an beiden Seitenwänden anhaut, weil's so knallt), mir aber gedacht, da war vielleicht der Capricciosa-Salat vom Abend davor nicht gut gewesen. Passiert schon mal; mein Magen ist Einiges gewöhnt.
Gegen Mittag habe ich dann Muskelkater bekommen. Auch das habe ich als normal abgetan. Ich hatte immerhin über drei Wochen keinen Kraftsport gemacht; da kommt das schon mal vor. Dachte ich.

Der Muskelkater war jedoch nur die Verkleidung von handfesten Gliederschmerzen, wie ich später am Nachmittag herausfand, und als sich dazu auch noch Fieber und Kopfschmerzen gesellten, war ich in bester Gesellschaft. Die letzten beiden Arbeitsstunden habe ich eher vor mich hingesiecht als gearbeitet. Fast deliriös bin ich nach Hause gefahren und habe mich um 18:30 Uhr ins Bett gelegt und dann etwa sechzehn Stunden dort verbracht ("geschlafen" wäre beschönigt; "gelitten" wäre treffender). Um Mitternacht hatte ich 40 Grad Fieber, habe mir Wadenwickel gemacht (endlich war der Sling aus Lkw-Plane doch mal zu was gut, um die Matratze vor Durchnässung zu schützen) und bin zurück ins Bett. Meine Kopfschmerzen hatten Weltrekordniveau; jeder der durch das Fieber zahlreich produzierten Herzschläge drückte das Blut kraftvoll auf meine ausgelassen feiernden Schmerzrezeptoren.

Am Samstagmorgen war das Fieber etwas gefallen, und die Kopfschmerzen hatten sich etwas gelegt, aber mulmig war mir noch den ganzen Tag. Den habe ich dann fast komplett zu Hause verbracht und gemacht, wozu ich in der Lage war: Urlaubsfotos bearbeiten und online stellen und sowas.

Auch die Nacht von Samstag auf Sonntag war nicht spaßig, auch wenn sie ohne Kopfschmerzen zuging. Ich schwitzte das ganze 1,60 Meter breite Bett zu Brei, musste zwischendurch die Decke wenden, mich umziehen und ein Handtuch um meine Nackenrolle wickeln, um einigermaßen normal weiterschlafen zu können.

Am Sonntagmorgen fühlte ich mich dann allerdings wieder fit und war tatsächlich in der Lage, noch ein paar Sachen zu erledigen. Dennoch blieb der Durchfall bis heute, und die erste Handlung heute Morgen im Büro war der Spurt aufs Klo, wo sich vermutlich der Asiasnack von gestern Abend kraftvoll entlud. Warum sich der Durchfall so hartnäckig hält, weiß ich nicht, aber ich bin wieder fit.

Der Kampf kann beginnen.

Außerdem habe ich selbst bei meinem eigenen Durchfall immer auch noch was zu lachen.

Mittwoch, August 22, 2007

"Hier mal die Obdachlosenzeitung"

In meiner Mittagspause schlendere ich oft am Haupteingang der nahe gelegenen Hertie-Filiale vorbei. Dort steht fast immer ein Mann mit leeren Augen und einer Zeitung im Hochformat in der Hand. Er versucht, die Essener Obdachlosenzeitung zu verkaufen. Mit quarzgesteuerter Präzision sagt er im Zehn-Sekunden-Abstand:

"Hier mal die Obdachlosenzeitung."

Dabei sind die Wörter "Hier mal" fast bis zur Unverständlichkeit zernuschelt, als könne er seinen Mund nur schwerlich davon überzeugen, den Satz noch einmal zu sprechen, und zum Ende des Satzes hebt er die Stimme, um ihn zur Frage nach Verkaufswillen der Hörer zu erheben. Er muss diese Worte schon so oft gesagt haben, und merklich hörbar ist jede Spur von Enthusiasmus aus ihm gewichen. "Hier mal die Obdachlosenzeitung, hier mal die Obdachlosenzeitung." Als hohles körperliches Werkzeug spricht er sie wie ein Mantra ohne Verbindung zu seinem Verkaufsprodukt, ohne Ziel, ohne Seele, ohne Hoffnung.

Ich habe ihn noch nie ein einzelnes Exemplar verkaufen sehen, was daran liegen mag, dass ich ihn nie länger beobachtet habe, sondern aus persönlicher Berührung immer vorbeigegangen bin.

Dass sich Obdachlosenzeitungen schlecht verkaufen, hat einen Grund. Einen guten sogar, wie ich finde. Sie sind das Kind von Beschäftigungstherapie und meist nicht nur grottenschlecht geschrieben und aufgemacht, sodass sogar mir als Farbenblindem bei diesem Schwarzweißdruck die Augen brennen, sondern auch zum Sterben langweilig. Die dort behandelten Themen beinhalten fast immer eine Grundkritik an "der Politik", ein Interview mit einem damit Befassten, dem dann grauenvoll uninteressante Fragen zum Thema Obdachlosigkeit gestellt werden, zu denen er manchmal nichts Vernünftiges beitragen kann, und allerlei Terminsankündigungen, die mich etwa so sehr interessieren wie die Kelly Family, allerdings ohne deren Frisurenbelustigungsaspekt.

Nach anfänglichem soziologischem Interesse habe ich aufgehört, Obdachlosenzeitungen zu kaufen. Nicht nur, aber auch, weil mir das Geld zu schade ist, sondern vor allem, weil die kreativen Obdachlosen sonst das Gefühl hätten, dass mit an der Zielgruppe völlig vorbei produzierter Ware Geld zu verdienen ist. Das wäre in etwa so, als würden die A3-Berufspendelfahrer eine eigene Zeitung herausgeben und erwarten, damit auf dem Ku'damm in Berlin den großen Durchbruch zu machen. Die müssen irgendwann mal begreifen, dass sie, wenn sie was tun wollen -- was ich stark befürworte --, sich etwas vornehmen müssen, das man auch kaufen will. Sonst ist das alles nicht mehr als müde Almosen.

Aber man kann natürlich auch Scheiß produzieren und sich dann, wenn's niemand kauft, darüber beschweren, wie unsozial alle sind. Das habe ich zugegebenermaßen bislang niemanden von ihnen sagen hören, aber ich habe auch nie jemanden danach gefragt.
Vielleicht haben die Jungs aber auch die Hoffnung schon lang aufgegeben.

So steht jedenfalls der Mann mit dem müden Mund jeden Tag bei Hertie und spricht dieses Mantra, immer und immer wieder.
Manchmal frage ich mich, wo er sich in zehn Jahren sieht. Und dann wird mir klar, warum er müde ist.

Dienstag, August 21, 2007

Vom guten Schenken

Ein Thema, das jeden beschäftigt: Schenken. Was schenkt man wem, wann und wie? Und machmal auch: warum? Einzel- oder Gruppengeschenk, wie teuer soll oder darf es sein, und zu welchem Anlass schickt sich ein bestimmtes Geschenk?

Der eine und andere meiner Freunde weiß, dass ich schon viel Scheiß verschenkt habe, vor allem zu Geburtstagen. Termindruck gepaart mit wenig Zeit zum Shoppen macht es möglich: Die Party rückt näher, und bevor man sich versieht, steht man wieder vor der Wahl, ob man irgendwas "Lustiges" oder Scheiß verschenkt. Da aber auch das meiste Lustige totaler Scheiß ist, ist oft schon von Anfang an klar, wohin die Reise geht.

So verschenkte ich einem Freund jahrelang Sachen mit Kuhmotiv, einfach weil sein Spitzname es erlaubte. Nun ja. Wir werden alle älter und weiser, und wenn wir unsere Zeit nicht völlig hirnlos verlebt haben, haben wir auch beim Schenken dazugelernt. Aber die Frage, was man verschenken soll, beschäftigt uns alle, wenn auch unterschiedlich intensiv.

Zu meinem Hintergrund: Ich komme aus einer Familie, in der Schenken eine Formalie ist, obwohl meine Eltern sich stets bemühen, es immer dann nicht nach Zwang aussehen zu lassen, wenn es traditionell an der Zeit wäre, ihnen etwas schenken. Geschenke waren Zeit meines Lebens fast nie persönlich, sondern vor allem teuer, was hin und wieder nicht über die Tatsache hinwegtäuschen konnte, dass sie für den Beschenkten völlig unpassend waren. Dazu kommt, dass besonders mein Vater sich anscheinend noch nie über ein Geschenk gefreut hat und überhaupt kein Gefühl dafür zu haben scheint, was ein gutes Geschenk ist. Da darf man sich nicht wundern, wenn die Nachkommen in diesem Bereich eine Nachhilfestunde brauchen. Ein Prost auf die Gemütlichkeit.

Aber ans Eingemachte: Was steckt hinter Geschenken?
Ein Geschenk ist gut, wenn es drei Kriterien erfüllt:

1.) Der Schenker mag es.
2.) Der Beschenkte mag es.
3.) Es verbindet Schenker und Beschenkten.


So einfach ist das. Theoretisch.

Ein ganz praktisches Problem hat man allerdings ganz zwangsläufig, sobald man sich nach diesen Regeln richten möchte (so wie ich): Man findet annähernd gar kein gutes Geschenk mehr. Plötzlich ist die Welt randvoll mit Mist, den niemand braucht oder haben will, und man hat das Gefühl, beliebig viel Zeit völlig ohne Erfolgsaussichten in die Geschenkwahl investieren zu können. Man ist ja bereit, Geld dafür auszugeben, aber halt nicht für Mist. Wenn man dann auch noch so wenig Zeit zum Shoppen hat wie ich bzw. am Shopping-Samstag, der als einziger Tag verbleibt, immer in Städten ist, in denen man sich nicht auskennt (so wie ich), zwängt sich quälende Uninspiriertheit geradezu auf. Die Qual schlägt sich schließlich körperlich nieder, wenn man dann zu allem Überfluss den Beschenkten nicht einmal gut kennt. Das hat Kopf- und Gliederschmerzpotential.

So sehe ich zu allen Gelegenheiten ganz grauenhafte Geschenke, überall. "Geschenksuche" ist ein Programm, das bei mir immer resident im Speicher mitläuft. Jeder noch so unbedeutende Ausflug ist gleichzeitig die stille Suche nach einem guten Geschenk.

Besonders uninspirierend sind oft Besuche auf Webseiten von Geschenkversandhäusern. Man findet alles von Vasen in Herzform, die nicht einmal in den 80ern als Motive in Neonfarben auf schwarzem Hintergrund chic gewesen wären, über Mensch-ärgere-dich-nicht-Spielen mit Schnäpsen als Spielfiguren bis zu Olivenschiffchen, die idealerweise zu nichts anderem im Haushalt passen. Extrabescheuert sind auch "Designer"-Bilderrahmen und -- Achtung: geht auch gar nicht! -- Backformen in Männerform ("Der richtige Mann für dich muss erst gebacken werden!"), für die der Nasenbluterfreundeskreis sich irgendwann in geistiger Umnachtung zu Beate Uhse geschlichen und dort geisteskrank viel Geld auf den Tisch gelegt hat (und sich total cool vorkam, weil keiner von ihnen sich vorher je in einen Sexshop getraut hatte). Glücklicherweise kann ich mit Stolz sagen, dass für keinen meiner Freunde der letzte Punkt je in Betracht gekommen wäre.

Jedenfalls schlendere ich in meiner zugegebenermaßen knappen Freizeit ab und zu an Schaufenstern vorbei. Und doch finde ich zu festen Terminen fast nie ein gutes Geschenk (oder "Mitbringsel", wie man Geschenke an Unbekannte gern nennt). Ganz selten ist mal etwas Brauchbares dabei, und wenn doch, bietet es meist ein Versandhaus aus den USA an, das nicht oder nur mit extrem hohen Portokosten nach Deutschland liefert. Überhaupt hat man in Nordamerika deutlich besser verstanden, wie Geschenke sein müssen. Das sieht man schon daran, dass Hallmark -- ein Grußkartenhersteller -- sogar in vielen Drugstores eine Kartenecke hat und man dort jede Menge so geiler Karten findet, dass einem danach an deutschen Kartenregalen der blanke Brechreiz Ohrfeigen austeilt.

Meine Schwester hatte neulich Geburtstag, und hier realisierte ich wieder einmal, wie wenig ich über sie weiß. Wir wohnen etwa zehn Minuten Fahrradweg auseinander, könnten aber auch auf unterschiedlichen Kontinenten wohnen und ähnlich viel Kontakt haben.
Bei diversen Sachen überlegte ich hin und her, ob ich es ihr schenken sollte, musste aber bei ausnahmslos jeder Sache feststellen, dass ich sie nicht gut genug kannte, um zu sagen, ob sie sie mögen würde oder vielleicht schon hat.
Sie hatte sich zum Bohren in ihrer Wohnung mehrmals die Bohrmaschine unserer Eltern ausgeliehen, weil sie so etwas nicht hat. Da kam mein Vater spontan auf die Idee, ihr eine Bohrmaschine zum Geburtstag zu schenken. Das mag auch auf den ersten Blick nach einer guten Idee aussehen, aber man darf dabei nicht vergessen:

Erstens: Bohrmaschine, hallo? Soll's nicht besser ein neuer Auspuff oder eine Betonmischmaschine sein?
Zweitens: Bohrmaschine sagt in diesem Zusammenhang: "Hier hast du selbst eine. Jetzt besuch uns nicht mehr wegen so etwas." Mit erniedrigendem Spitznamen hinten dran. Oder wahlweise auch: "Uns geht es auf den Wecker, dass du die Bohrmaschine nicht wieder ordentlich verpackt zurück gibst; jetzt kannst du deinen eigenen Kram verhunzen."

Die Diskussion, warum meine Schwester als Endzwanzigerin mit Eigentumswohnung keine eigene Bohrmaschine hatte, möchte ich hier übrigens nicht führen.

So habe ich ihr eine Shoppingtour geschenkt. Klamotten shoppen gehen, z. B. im McArthur Glenn-Shoppingbunker in Roermond oder bei Mexx in Mönchengladbach bzw. Korschenbroich. Das könnte lustig werden und erfüllt die drei Kriterien: Ich geh gern shoppen, sie kann sich heraussuchen, was ihr am besten gefällt, und wir verbringen Zeit miteinander. Besser geht's wohl kaum. Jetzt muss ich nur noch einen Tag am Wochenende finden (sogar Sonntag wäre okay, weil die Bude sonntags geöffnet ist), an dem ich auch in Düsseldorf bin.

Übrigens: Das beste Geschenk, das ich jemals gemacht habe, war ein Poster von Pe Werner für meinen damaligen Freund, von ihr nach einem Konzert mit "Für Hans-Joachim, Pe Werner" signiert. Pe Werner war Musik, die uns damals stark verband, und dass ich es hinbekommen hatte, das Poster von ihr auch noch mit Widmung signieren zu lassen, war der Oberhammer.

Und damit ich jetzt nicht nur herumquängele, sondern noch ein bisschen helfen kann, sind hier ein paar Ideen für Geschenke an Leute, die man nicht besonders gut kennt:

- Alessi-Zahnstocherhalterhase "Magic Bunny"
- Philips Wake-up Light
- Sachen von thinkgeek.com
- Gutschein für eine Buchhandlung
- Gutschein für eine Wellness-Oase
- Gutschein für einen gemeinsamen Kochkurs

Fröhliche Geschenksuche!

Freitag, August 17, 2007

Honda Civic Hybrid!

Der Verkehrsclub Deutschland hat seine Liste der umweltfreundlichsten Fahrzeuge mal wieder aktualisiert. Das finde ich sehr gut. Nicht nur, weil endlich mal einer mit Fachwissen sagt, welche Fahrzeuge die Richtung weisen, sondern auch, weil da jetzt ein Fahrzeug auftaucht, das mir auch noch richtig gut gefällt:

Der neue Honda Civic Hybrid!

Der ist sogar nicht nur Führer seiner Klasse, sondern insgesamt. Das umweltgeilste Auto ist gleichzeitig das augengeilste.

Warum sich solche Autos nicht besser verkaufen, fragt sich da natürlich jeder, und die Autoindustrie antwortet, wie sie antworten muss: Weil sich viele PS besser verkaufen als umweltbewusste Autos, bei denen weniger Dampf unter der Haube steckt. Je mehr Kraft, desto mehr Geld sind Leute bereit, dafür auszugeben, auch wenn schon lang die Zeit gekommen ist -- gerade in Großstädten --, sein Ego wachsen zu lassen und auf solche Machoallüren zu verzichten.

Dieses Kaufverhalten bedeutet in Wahrheit nämlich vor allem eins: Es laufen viele Männer mit winzigen Pimmeln durch die Welt und machen sich und andere damit unglücklich, dass sie ihre Impokompetenz durch ein möglichst lautes, schnelles und protziges Auto und den damit verbundenen Vergleichsfahrstil auszugleichen trachten.

Nicht so bei mir, und es liegt mir am Herzen zu sagen: Ich habe einen großen Penis und finde dementsprechend Autos spitze, die die Umwelt so wenig wie möglich belasten, so wenig Krach wie möglich machen und in winzige Parklücken passen. Es ist zwar extrem uncool, aber ich versuche sogar nach Möglichkeit, so zu parken, dass andere auch noch einen Parkplatz finden. Denn ich lebe gern in einer Großstadt, mit vielen Menschen, und viele Menschen haben viele Autos, und viele Autos brauchen viel Platz. Und jetzt die Krönung: Kleinere Autos = mehr Parkplatz! Je kleiner das Auto, desto sozialer! Raffse?

Die Autos, die ich fahren will, müssen keine drölfzigtausend km/h fahren können, nicht die zehnköpfige türkische Familie transportieren, die ich eh nicht habe, und auch nicht den Spitzeneindruck machen, wenn man jemandem zum ersten Date abholt. Ich lade mir meine Dates nämlich nach Hause ein oder treffe sie in einer Kneipe, in der Autos keine Rolle spielen.

Verehrte deutsche Autoindustrie, komm endlich aus dem Quark und biete wenigstens ein paar Autos für Mädchen wie mich an, die unserem Planeten nicht noch mehr in die Eier treten wollen. Wir ruinieren unsere Umwelt mit unserer Selbstsucht, und du unterstützt den Mist auch noch mit deiner Geldgier. Und damit verabschieden wir uns für heute von Deutschland als Marktführer in Sachen Zukunftstechnologie. Schalten Sie auch nächste Woche wieder ein, wenn wir eine weitere Folge zeigen aus der Reihe: "Deutschland, wie schön zerfickst du dich selbst"
Gute Nacht, meine Damen und Herren.

Übrigens: Die beispielhaft genannte Familie musste türkisch sein, weil das die einzige Bevölkerungsgruppe in Deutschland ist, die überhaupt noch zehn Köpfe zählen kann. Deutsche vögeln gern, aber eher mit Kondomen. Ob das gut ist, liebe Freunde, diskutieren wir an anderer Stelle. Nicht.

Dienstag, August 14, 2007

Political correctness my ass

Sitzen zwei Lesben am Frühstückstisch. Sagt die eine zur anderen: "Gibst du mir bitte mal die Salzstreuerin?"

Worüber ich einst vor Jahren auf dem Campusgelände der Universität Bielefeld schallend gelacht, beschreibt kurz und prägnant den Wahnsinn, in den uns politische Korrektheit geführt hat. "Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter", "Kolleginnen und Kollegen", "Studentinnen und Studenten". Ständig kriegt man es zu hören. Was für ein unsäglicher Umstand, nur damit eine Handvoll Weiber sich endlich beachtet fühlt und deren Rentierpulli trangenden, Lieder machenden Sozialpädagogenmänner die Welt ein Stück gerechter gemacht zu haben meinen. Im Beamtenbereich ist es am schlimmsten. Überall stellt man die weibliche Form des Wortes voran, obwohl alle wissen, was gemeint ist, nur weil ein paar sorgfältig selbst auserwählten Spinnern sonst die Poperze kneift.

Lasst diese Rotze endlich sein. Politische Korrektheit kann mir am Hobel blasen, ehrlich.

Es nervt nicht nur wahnsinnig, sowas ständig im Radio zu hören, sondern außer Umstand hat auch niemand etwas davon. Glaubt mir eins: Wer Frauen -- oder wen auch immer -- für minder bemittelt hält, fühlt sich in so einem Quatsch nur bestätigt, und derjenige, dem dieser ganze Geschlechterquotenscheiß egal ist, meint eh beide Geschlechter, wenn er von "die Mitarbeiter" spricht. Es hülfe übrigens auch ein Blick in andere Sprachen, in denen es völlig klar ist, dass beide Geschlechter gemeint sind, und in denen niemand auf so einen Gehirndurchfall kommt. Kommt endlich klar damit, dass sich nicht alles um euch dreht, auch wenn ihr hübsche Brüste habt.

Etwas anderes ist es, von einem Mitarbeiter zu sprechen. Da sollt ihr euren Toleranzkrampf meinetwegen haben, weil es da tatsächlich zu Missverständnissen käme, wenn man nicht von "die Mitarbeiterin" spräche. Aber im Plural nervt es ausschließlich.

Kurzum: Es geht allen Beteiligtinnen und Beteiligten, die hier nicht ihre Geltungssucht ausleben müssen, auf die Eierinnen und Eier. So wie das auch bei dem neuen Gleichbehandlungsgesetz ist, das ich für einen glänzenden Spiegel unserer Zeit halte. Ein Prosit auf Deutschland, seit jeher bekannt für seine Regelungswut, jetzt mit dem Stock tiefer denn je im Rectum.

Geschlechterspezifische Bezeichnungen im Plural gehören in Witze wie den oben stehenden oder dorthin, wo der Pfeffer wächst.

Merkt euch das.

Mittwoch, August 01, 2007

Ignorantes Raucherpack

Das war ein toller Plan mit dem halbherzigen Rauchverbot der Regierung. Seit Ewigkeiten geistern Meldungen, Gesetzesentwürfe und Argumente für und gegen ein allgemeines Rauchverbot durch die Medien. Man diskutiert in Funk (dieses Wort spreche ich übrigens gern englisch aus) und Fernsehen in endlosen Debatten -- geführt von Lobby und Idealisten, was nie interessant oder auch nur unterhaltsam ist -- darüber, und es werden nur faule Kompromisse gemacht, die am Ende bewirken, dass nach wie vor geraucht wird, nur an anderen Stellen.

Ich bemerke das vor allem, wenn ich tagsüber in der Mittagspause die Rüttenscheider Straße entlanglaufe. Dieser kleine Ausflug, den ich herzlich gern nutzen würde, um mal aus dem Raucherabteil heraus zu kommen (so nenne ich den Bereich mit drei Büros, in dem meins liegt, das neben dem meines Chefs liegt, der nach Möglichkeit Kette raucht), wird regelmäßig zur Widerwärtigkeit zur Mittagsstunde.

Wann immer ich nämlich diese Straße entlanglaufe, stehen überall Menschen und rauchen. Eine tolle Idee: Man darf in den Geschäften nicht mehr rauchen; dann stellt man sich einfach auf den Fußweg und tut das dort. Sobald auch nur ein bisschen Wind weht, hat man von jedem Raucher auch noch in mehr als zehn Metern Entfernung etwas, und bei der Masse von Rauchern bräuchte die Hälfte von ihnen für einen Nikotin-Flash vermutlich nicht einmal selbst zu rauchen, sondern könnten sich einfach neben einen anderen Raucher stellen. Das hätte außerdem eine soziale Komponente, die sich Raucher ja zur Unterstreichung ihrer Sucht immer gern selbst attestieren. Und eins muss man Rauchern auch wirklich lassen: Sie sind sehr tolerant gegenüber allen, die auch so denken wie sie selbst.

Zu alledem kommt es nur wegen der Abhängigkeit der Raucher. Sagen wir es offen: Käme heute jemand mit der Erfindung der Zigarette um die Ecke und wollte Tabakwaren verkaufen, würden alle wegen der gesundheitlichen Schäden einen solchen Radau machen, dass die Sache ganz schnell wieder vom Tisch wäre. Nie im Leben dürfte jemand etwas derart Schädliches verkaufen! Mit einiger Wahrscheinlichkeit bekäme er für so einen Vorschlag auch noch von zwielichtigem Gesindel ein paar Zähne ausgeschlagen oder wahlweise eine Karotte in den Po und einen Apfel in den Mund gesteckt. Oder anders herum; ich kann mir das nie merken.

Aber bei uns war die Nikotinsucht nun einmal vor dem Gesundheitsbewusstsein da. Man tut natürlich überall so, als wäre man um die Gesundheit der Allgemeinheit bemüht. Tatsächlich gibt es aber zwei Gründe, warum das Rauchverbot noch immer nicht absolut und unbeschränkt da ist, obwohl es früher oder später -- bei dem Phlegmatismus unserer Politikerheinis wohl eher viel später -- kommen muss.

Einerseits verdient sich der Staat sich an der Tabaksteuer eine goldene Poperze. Da steht es um die einst ehernen Prinzipien natürlich nicht besonders gut. Oft sind Menschen nur in Bezug auf ihr Ziel unkonstant, beharren aber auf ihren Mitteln. In der Polititk ist einem sogar das egal. Man macht, was immer die meiste Kohle bringt, und solange man möglichst viele Buzzwords wie "Gesundheit" oder "Terror" verwendet, kommt ja bekanntlich jeder Scheiß durchs Gesetzgebungsverfahren. Bild-Leser sind eine große Wählergemeinschaft, und schließlich haben auch viele andere Leser nicht alle Latten am Zaun.

Außerdem aber ist Nikotin ein starkes Suchtmittel, und die Suchtbolzen in der Polititk sind schwerlich davon zu überzeugen, eine Gesetzgebung durchzusetzen, die sie dazu zwänge, das Rauchen sein zu lassen. Das Ergebnis ist klar; nur der Weg dahin muss noch geteert werden.

Besonders die psychische Abhängigkeit bei Zigaretten ist extrem hoch. Fast alle Raucher lügen sich einen zurecht, sie wollten nicht aufhören, aber in Wahrheit sehnt sich kein Raucher nach etwas sehnlicher als danach, endlich die Griffel von dem Scheißzeug lassen zu können. Manch einer betont seinen Genuss beim Rauchen interessanterweise auch dann noch, wenn er bereits eine schwere Krebsoperation hinter sich hat, die eindeutig auf sein Rauchen zurückzuführen war.

Am meisten jedoch regt mich an diesem Thema auf, dass Raucher bei der ganzen Sauerei, die sie anderen antun, auch noch Toleranz von Nichtrauchern fordern. Was für eine grenzenlose Frechheit. Man nimmt in Kauf, dass andere leiden, weil man nicht bereit ist, seinen Suchtarsch hochzukriegen und ein- für allemal aufzuhören. Das wäre nicht so bequem wie, sich schlicht die nächste Kippe anzustecken.

Um das Thema im Umgang mit mir gar nicht erst aufkommen zu lassen, hat mein Chef mich schon am Anfang eingenordet: "Ich rauche, und das bleibt so. Das kann ich Ihnen gleich sagen."
So oder ähnlich war die Formulierung.

Ich halte übrigens die Bezeichnung "blauer Dunst" für Zigarettenqualm für einen üblen Fehlgriff. Blau -- das weiß jeder seit den Science Fiction-Filmen der frühen 80er -- steht für die Guten. Die Bösen schießen immer rote Laserstrahlen. Blau strahlt außerdem Kühlheit aus. Vor allem deswegen soll man nach Feng Shui (das U wird übrigens nicht gesprochen, sondern nur als Rampe für das I verwendet) sein Schlafzimmer auch in blau oder anderen kühlen Farben halten.

Am gar nichtesten geht Rauchen außerdem im Bett, im Auto (oder Zugabteil) und beim Essen.

Merkt euch das.

Und kommt endlich mit einem umfassenden Rauchverbot in ganz Deutschland in der gesamten Öffentlichkeit um die Ecke. Es reicht und nervt langsam. Geld zu scheffeln mit der Sucht von Menschen ist schäbig.