Dienstag, November 27, 2007

Nie wieder Glühwein

Wer kennt den Spruch nicht. Nie wieder dies, nie wieder das. Meist taucht in diesem Satz auch noch Wort auf wie "Tequila", "Eierlikör" oder -- für die ganz Hartgesottenen -- "KoCo" (Asoslang für "Korn-Cola").

In Amalias Fall kam der Spruch gestern Abend mit Glühwein. Mit "Gegen neun" hatte sie angekündigt, dass sie später kommen würde. Ich war nach der Arbeit direkt nach Hause gefahren. Nachdem ich das Wochenende in Amsterdam und die Nacht von Sonntag auf Montag bei meinen zwei Busenfreunden aus Bonn verbracht hatte, war ich ziemlich im Sack, und zu allem Überfluss schlich sich offenbar wieder einmal eine Erkältung an, die ich mit frühem Schlafengehen im Keim ersticken wollte.

Ich erledigte gestern Abend also ein paar Kleinigkeiten im Haushalt. Vor allem Bügeln.

Als Amalia um 21:00 Uhr nicht da war, wunderte ich mich nicht. Sie kann tun, was sie will. Und mit wem. Ich bin ihr Mitbewohner, nicht ihre Mutter. Die schickt nämlich hin und wieder handgeklöppelte Babyschühchen aus Kamerun an werdende Mütter in Deutschland, um das lokale Handwerk zu unterstützen. Und sowas würde ich nie tun. Also Babyschühchen schicken. Kamerunisches Lokalhandwerksgewerbe ist schon okay, soweit ich das von hier aus beurteilen kann. Jedenfalls:

Dass Amalia noch nicht zu Hause war, fand ich auch deswegen gut, weil ich ohnehin noch bügelte und das gern fertig haben wollte, bevor sie kommt. Dann würde sie -- so hatte ich mir das ausgedacht -- bemerken, dass ich alles gebügelt hätte, sogar ihre Blusen. Tjahaa, und außerdem lief eh noch eine Heroes-Folge, die ich gucken wollte. Also alles in Butter.

Der Fairness halber muss ich wohl dazusagen, dass sie auch meine Hemden bügelt, wenn sie mal bügelt. Aber sie hasst Bügeln im Vergleich zu mir, und das merkt man auch am Ergebnis. Aber selbst wenn sie nicht bügeln würde, putzt sie immer noch das Klo, das ich ja auch benutze. Manchmal habe ich die stille Angst, dass deswegen irgendwann eine 1,40 Meter große, aus Ghana stammende (die Klofrauengewerkschaft in Düsseldorf ist in ghanesischer Hand, sagte mir Amalia), lesbische, gehbehinderte Schwarzafrikanerin mit Lispelproblem, künstlicher Hüfte und Glasauge in ihrer Rolle als Gleichstellungs- und Rassismusbeauftragte bei mir auf der Matte steht und mich mit Klagen überzieht, weil in unserer Wohnung die Schwarze das Klo putzt. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte und so weiter, böse Geschichten laufen da.
Aber ich verdränge den Gedanken immer schnell wieder, beruhige mich damit, dass Amalia ja keine Aufenthaltserlaubnis braucht, aus freien Stücken bei mir wohnt und ich immerhin regelmäßig die Küche aufräume.

Hm, aber sie macht wirklich viel im Haushalt. Ich sollte echt aufpassen.

Jedenfalls schloss sie irgendwann gegen Viertel nach neun die Tür auf. Es dauerte ungewöhnlich lang, bis sie es schließlich schaffte. "Ich bin totaal bedrngken", lallte sie schon, als sie etwas unbeholfen durch den Flur torkelte. Als sie nach einer Willkommensumarmung in der Mitte unserer gemeinsamen riesigen Wohnung angekommen war, ließ sie unter einigen Koordinationsschwierigkeiten Tasche und Jacke fallen, würgte noch ein "Ich hab totaaal viel Glühwein getrngkn. Umn jetzt muss ich aufs Klo" heraus und verschwand. Ich kam mir vor wie in einer Will & Grace-Folge.

"Wi waaen auf dem Weihnachtsmarkt und totaaaal viel Glühwein getrunken. Bor nie wieder Glühwein!" Sie glänzte richtig, sogar im indirekten Licht der Tischleuchte, und saß grinsend auf der Couch. "So hast du mich noch nicht gesehen, hm?", fragte sie, fast etwas schüchtern. "Anne hat mich da hingeschleift. Die hat jetzn Dschobb und sofort nachm Kurs mim Saufen angefangen. Bor, ich hab bestimmt zehn Glühwein getrungkng!"

Da sie es nicht kommentierte, ich aber total stolz auf mich war, sprach ich an, dass ich alles gebügelt hätte. Ja, das sei ihr aufgefallen, kam zurück.

Ich drängte ihr etwas Aspirin auf, damit sie heute Morgen überhaupt arbeiten gehen könnte. Sie berichtete von ihrem Abend und ihrem aktuellen Job, der Tatsache, dass sie jetzt eine Woche lang vergeblich gearbeitet hatte, weil die Datei, an der sie arbeitet, übers Wochenende gelöscht worden war, als mich ein Freund anrief. Ich ging ran, obwohl Amalia sichtlich Schwierigkeiten mit alltäglichen Dingen und Koordination hatte.

Es war klar, dass es so kommen würde, aber ich konnte mich kaum auf das Telefonat konzentrieren, weil ich aufpassen musste, dass Amalia klar kam. Ich hatte zwei Aufgaben mit gleich hoher Priorität zu bewältigen, und Telefonieren war so ziemlich anstrengend. Ständig jonglierte ich zwischen Konzentration auf Telefonieren und darauf Achten, dass Amalia sich nichts tut. Der Freund musste auch denken, wir seien jetzt beide durchgeknallt.

Es kam aber doch, wie es kommen musste. Sie setzte sich irgendwann während des Telefonats auf den Rand des hölzernen Wäschekorbes. Der Deckel stand -- ihrer Erwartung zuwider -- offen, weil ich vorher noch Wäsche hineingeworfen hatte. Sie bekundete ihre Überraschung über den offen Deckel mit einem "Uwhaaaaa" und glitt mit ihrem Hintern rückwärts in den Korb, bis nur noch Kopf, Beine und Hände herausschauten.

Hätte ich nicht Angst gehabt, dass sie sich wehgetan hatte, wäre ich vermutlich vor Lachen auf der Stelle umgefallen. Stattdessen bat ich meinen Freund, kurz zu warten, und half ich ihr wieder aus dem Korb; denn ohne Hilfe wäre sie vermutlich über Nacht darin stecken geblieben. Vielleicht hätte sie aber auch einfach noch eine Weile gelacht und wäre dann im Korb eingeschlafen.

Man sagt ja, die meisten Unfälle passieren im Haushalt, aber vorbereitet werden die meisten Unfälle auf dem Weihnachtsmarkt. Das ist ziemlich sicher.

Heute Morgen sagte sie, ich hätte ihre Blusen gut gebügelt.
Gerade noch mal gut gegangen.

Aber vielleicht frage ich Amalia heute Abend noch mal, ob sie sich denn insgesamt wohl bei mir fühlt. Sonst kommt die Gleichstellungslesbe echt noch mal irgendwann.

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