Sonntag, Januar 11, 2009

Fitnessdeutsch für Tempo-Time!

My fellow non-German-speaking friends, this following article is in German because it won't make sense in English. It is about the German that German fitness instructors in Germany speak in classes. It wouldn't make sense to write about that in English now, would it?



Courtesy of DrJimiGlide

Die Welt weiß es ja schon lang: Amalia und ich gehen ins Fitnessstudio und machen Kurse dort. Also naja, eigentlich gehe vor allem ich hin, und sie kommt hin und wieder mit, wenn ich ihren Sportkram schleppe. Sie hat's ja so schwer im Leben; ich kann's euch sagen.

Jedenfalls ist das ja auch alles toll da; ich strampel mich dort ab in einer Meute von grimmig dreinglotzenden Weibern, deren Fressen mir als Fitnesstrainer ganz sicher tierisch auf den Keks gingen. Außer einer gelegentlichen Tunte mit Störungen im Bewegungsapparat und -- ganz ganz selten -- einem verloren und verlassen wirkenden Hetero, der vermutlich nur dort ist, weil er eine oder mehrere von den Weibsen möbeln möchte, bin ich auch mit den ganzen Mädels allein. Ich frage mich aber wirklich, warum nicht mehr Heteros zum Grasen in so Weiberkurse kommen. Da springt zum Teil echt passables Material rum, und manche scheinen sogar zusammen hängende Sätze fehlerfrei sprechen zu können. Rechtschreibung kann man ja später noch aufhübschen.

Naja, und dann ist da die Trainerin. Bis auf einen Typen, der so Thairobic-Kurse gibt, sind die Trainer echt alle Frauen, obwohl ich mir schon so manches Mal überlegt habe, ob man Metrosexualität nicht manchmal etwas zu weit führt. Wenn Beckham auf Modebewusstsein gebürstet daherkommt, ist das auch dann noch ganz süß, wenn er einen als Mann nicht anspricht. Das Phänomen Frau, bei der mir vor allem Karoflanellhemden, Motorradfahren und Holzhacken einfallen, ist mir zu hoch.

Aber endlich zur Sache (ich bin heute aber auch wieder schnippisch)!

Als Fitnesstrainer muss man im Grunde nicht mehr können als die Übungen, die man mit der Gruppe macht, und von 8 runterzählen. Is nich schwer, oder? Sind wer domma ehrlich. Und doch haben fast alle Trainerinnen große Schwierigkeiten mit etwas, das ich nie als Hürde gesehen hätte.

Mit Deutsch nämlich.

Was haben wir damals über "Imbissdeutsch für Fortgeschrittene" gelacht. "Jaja", sagte sich der Bildungsbürger, "so ist das abgehängte Prekariat." Und mit der meist irgendwann kommenden Abgeklärtheit, der gelegentlich zynische Züge ins Gesicht gemalt sind, belächelt man die Bauarbeiter in der Mühlenbackstube um die Ecke, die wirklich so sprechen.

Und dann begann ich, Fitnesskurse zu machen.

Bis auf eine einzige Trainerin, die bezeichnenderweise nicht mal Deutsche sondern Engländerin ist, kriegt kein einziges von den Trainermädels die paar kümmerlichen Sätze korrekt in den so einfach wie möglich gehaltenen Viervierteltakt reingebölkt. Fitnessdeutsch ist nämlich vor allem eins nicht: Deutsch. Die haben ihr Material nämlich auf Englisch gelernt, wie es scheint. Dummerweise ist Fitnessdeutsch aber noch was ganz anderes nicht: Englisch.

Am ehesten ist es ein Deunglisch der allerschlimmsten Sorte, das eher wie eine Geheimsprache rüberkommt. Es verwendet Ausdrücke, die man zu glauben meint, aber völlig andere Bedeutungen als die Wörter haben, aus denen sie gemacht sind. Sowas wie ein Code für besonders Coole und Fitte. Und dabei ist der Wortschatz von Fitnessdeutsch wirklich unbegreiflich klein.

"More" und "time"

Die beiden Wörter, mit denen der meiste Unfug getrieben wird, sind "more" und "time".

Glaubt ihr nicht? Aufgepasst.

Fast jede Trainerin sagt "noch 8 mehr" bzw. "8 mehr". Extrem selten rutscht mal ein gleichzeitig korrektes und dabei so einfaches "noch acht" heraus. Das englische "eight more" wird schamlos verhunzt, als hätte man nie Deutsch gelernt, und dabei sind alle, die den Fehler machen, Deutsche. Man muss einfach wissen, was gemeint ist. Dummerweise gibt es dabei im Deutschen sogar einen Fall, in dem die "[irgendwas] mehr"-Kombination richtig ist, nämlich bei "viel mehr". "Vier mehr" ("four more") klingt natürlich sehr ähnlich, ist dagegen aber schlicht falsch und besonders doof, weil der Fehler für Deutsche problemlos vermeidbar ist.

Aber gegen die Sauerei, die mit dem Wort "time" angestellt wird, ist das alles total harmlos. Englischkenntnisler wissen, dass "time" nicht nur "Zeit" heißt, sondern auch für "-mal" verwendet wird, nämlich: "once, twice, three times, four times" usw. für "einmal, zweimal, dreimal, viermal" und eben immer so weiter. Eigentlich nicht schwer.

Mehrere unserer Trainerinnen haben's ganz besonders mit ihrer time. Eine sagt z. B. sehr gern: "Gebt mir noch eine Runde für single time!" Anfangs muss man noch ein großes rotes Fragezeichen über meinem Kopf schweben gesehen haben, aber jetzt weiß ich ganz genau, was sie meint. Im Kurs heißt das: "Eine Runde normales Tempo!" Wenn man das weiß, übersetzt sich eine andere ihrer Stilblüten fast von allein, nämlich: "Noch acht mehr für Tempo-Time!" Ich habe allerdings nie begriffen, woher das "für" kommt.

Eine andere, die mich mal mit "Da ist die Tür" abkanzelte, als ich ihr sagte, mir wäre die Musik im Kurs zu laut, sagt statt "noch viermal" ständig "noch vier Zeiten mehr". Sie kombiniert damit in einem Bruchteil eines vollständigen Satzes gekonnt mehrere Sprachschwächen. Alle Achtung.

Aber für Wiederholungen, Tempo und Bewegungsabläufe gibt es im Fitnesssektor unzählige Codewörter, und jeder Trainer hat seine eigenen. Es ist wie die unterschiedlichen Stile von Frisören; du kannst großes Glück haben oder wegen der Tatsache kotzen, dass du kein Wort verstehst, obwohl du alle Wörter kennst.

Weitere Stilblüten

Lautstärke ist natürlich noch so ne Sache. Musik muss sein, weil sie viel Energie ins Training bringt. Manchmal habe ich mir aber auch Ohrstöpsel herbeigewünscht, und wenn mal wieder das Mikrofon nicht mehr so richtig will oder der Akku leer ist, ist die Trainerin bei dem ganzen Gebolze wirklich schwer zu verstehen. Dann wird's gern mal eng, wenn man die abenteuerlichen Wort- und Satzkreationen nicht schnell genug decodiert bekommt.

Als wäre das alles nicht schon verdreht genug mit dem Fitnessdeutsch, haben manche Trainerinnen noch ganz besondere Schmankerl zu bieten, die glaube ich wirklich aus gruselig mangelndem Sprachtalent herrühren. Eine sagt z. B. statt "Elvis" "Ervis", was ich mir anders nicht erklären kann. Warum eine Trainerin überhaupt "Elvis" sagen sollte, fragt ihr euch? Oh oh oh, da macht aber jemand nicht gern Sport, was? Aber ich will mal nicht so sein.

"Elvis" ist ein Codewort aus dem Aerobic-Training und bezeichnet eine seitliche Schrittfolge, bei der die Knie erst auseinander zeigen, man dann aber das eine nach innen und wieder zurückdreht. Das sieht dann, wenn man's einigermaßen vernünftig macht, aus wie ein Twist. Warum man dann nicht "Twist" sondern "Elvis" dazu sagt, weiß wirklich nur der Geier.

Oder z. B. "Repeater drei". Das bezeichnet eine Schrittfolge, bei der man mit einem Fuß auf den Step steigt und dann das andere Knie dreimal schwungvoll zur Brust zieht. Hier wurde allerdings vergleichsweise kunstvoll mit beiden Sprachen gespielt; ein sprachlicher Picasso unter dem ganzen Vorschulbuntstiftgekrakel!

Ja, und dann gibt es da noch die ganzen sonstigen Sprachbehinderungen und Kleinigkeiten, die im Training tierisch nerven oder zum Lachen bringen können, je nach dem, was für einen Tag man hinter sich hat. Eine Trainerin kann nicht "Stück" sagen, sondern sie zieht bei dem Wort das Ü ungewöhnlich lang und am Ende in die Höhe, um dann am Ende ein geatmetes "ch" hinten dranzuhängen, sodass es wie "Stüükch" klingt.

So hat jede Trainerin ihre Eigenheiten. Am Anfang war ich geschockt, dann mussten Amalia und ich im Kurs eine Weile ständig lachen, dann fand ich's wieder richtig doof, und mittlerweile höre ich das alles kaum noch.

Sie haben mich gekriegt.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Sehr schön beobachtet. Besonders der Ervis hat mir gefallen, weil mir der schon bei meinem damaligen Erdkundelehrer auf den Sack ging. Das passiert halt, wenn man amerikanischer als die USA sein will.
Von der Sorte gibt es noch eins, nämlich North ´n Souf :D