Samstag, Juni 28, 2008

Benimm-Einmaleins bei der Deutschen Bahn

Ich bin so ein krasser Hacker, ehrlich. Und heute bin ich über ein Dokument gestoßen, das mit „Deutsche Bahn - Verhaltensregeln für unsere Mitarbeiter“ überschrieben ist! Hier isses!

1. Durchsagen
Betonen Sie Durchsagen so falsch wie möglich; unser „Durchgestylte Eloquenz In Bahnen Ist Lustig“ (DEBIL)-System macht’s möglich. Beginnen Sie jeden Satz mit mittelhoher Stimme und sprechen Sie dann so lange tief, bis Sie bei der letzten betonten Silbe angekommen sind. Lassen Sie dann Ihre Stimme noch einmal kurz nach oben schnellen und – wenn noch Silben folgen – wieder fallen.

Noch einmal deutlich: Es muss sich anhören, als hätten Sie alle das gleiche Behindertenseminar besucht. Das ist Teil unserer Konzernidentität. Ändern Sie nichts daran; sonst treten wir Ihnen in die Eier.

Als kleines Bonbon für Ihre lästigen Fahrgäste können Sie auch zu schnell sprechen, murmeln, nuscheln, an völlig unpassenden Stellen lange Pausen machen oder sinnlos die Durchsagetaste loslassen, drücken und wieder loslassen. Das knackt herrlich in den Abteilen und nervt wie Sau.

2. Englisch

Wir haben auch keinen Bock auf Englisch, aber wegen der Japsen und dem anderen Kroppzeug in unserem aufrechten Vaterland müssen wir. Die raffen Deutsch nämlich nich. Sie müssen da so Englisch, sonst verdienen wir nix an denen. Bock haben wir da auch nich drauf.

Aber: Das zahlen wir den Pissern heim. Sprechen Sie so oft wie möglich total käckes Inglisch. For Rannewejs quasi, öh öh! Und es ist gar nicht so schwer, Ihre natürliche Hemmschwelle für falsche Aussprache (wenn Sie eine haben) zu überwinden.

Hier ein paar Beispiele:

- Zu allererst: Lassen Sie mindestens die Hälfte der auf Deutsch gegebenen Informationen im Englischen weg. Das merkt keiner von denen, und die Ärsche hören eh nicht zu, weil sie ihren Reiseplan schon gedruckt vor sich haben. Glauben Sie uns: Die sind immer total aufgeregt. Die gucken schon, wo Sie gerade einfahren.

- Englisch muss in Deutschland nicht wie in England betont werden. Wir sind in Deutschland und können selbst entscheiden, ob wir klingen wollen wie Siegfried und Roy oder Hans and Franz in den USA. Wer soll denn sonst das Klischee nähren.

- Lassen Sie bei „We will arrive in“ das „in“ weg. Das deutsche „erreichen“ hat keine Präposition; deshalb lassen wir die auch in anderen Sprachen weg. Das ärgert die Schlitzis total, versprochen.

- Auch im Englischen gilt: Alles viel zu schnell aussprechen und nuscheln, wie Ihnen der Schnabel gewachsen ist! Geben Sie sich keine Mühe, zerbrabbeln Sie „Ladies and gentlemen, in a few minutes we will arrive [keine Präposition!] Hannover” schamlos zu: “Ländschälmen, iffju miss wireif Hannover.”

- Deutsche Städtenamen müssen deutsch ausgesprochen werden, vor allem, wenn das Englische eigene Aussprachen hat (z. B. „Koloun“ oder „Börlinn“)! Wir sind in Deutschland; zeigen Sie das dem Ausländerpack! Wem’s nicht passt, der kann ja gehen. Wofür haben wir denn die internationalen Züge!

- Seien Sie uneinheitlich in den Bezeichnungen. Sagen Sie z. B. zu „Gleis“ nach Lust und Laune mal „track“ und mal „platform“. Das hilft vor allem unseren Fahrgästen, die Englisch nicht als Muttersprache haben, ihr Vokabular zu erweitern. Aber im Grunde können wir alle noch dazulernen; also ran an die Wortvielfalt!

3. Kontrolleure

Wir stellen Kontrolleure bevorzugt ein, wenn Sie fett, hässlich und mit Anlauf unfreundlich sind. Arbeitsplätze sind knapp; überlegen Sie es sich!

- Körperfülle signalisiert Zufriedenheit im Job! Würden Sie was zu essen von einer bulimischen Tussi mit Stimmungsschwankungen aus unserem Bordbistro kaufen? Sehen Sie. Tragen Sie Ihre fette Wanne ruhig mit Stolz vor sich her, blockieren Sie mit gutem Gewissen den Durchgang und zeigen Sie mit ihren drei Kinnen, dass Sie auch nichts von diesem neumodischen Ernährungsmist halten! Wir stärken Ihnen den Rücken und zahlen Ihnen vielleicht sogar die Osteopathiebesuche oder die Herztransplantation. Mal sehen.

- Hässlichkeit ist nicht angeboren; sie muss kultiviert werden! Es gibt viel, was Sie dafür tun können. Ungewaschene Haare, unbehandelte Ekzeme im Gesicht und Körpergerüche aller Art von Schweiß bis Kot; die Möglichkeiten sind endlos! Körpergerüche eignen sich übrigens hervorragend, um unangenehme Fragen nerviger Kunden zu vermeiden. Stellen Sie sich vor, ein Fahrgast riecht, dass Sie gerade noch in der Fünf-Minuten-Pause Kot genascht haben; da haben sich alle Aufregungen sofort gelegt. Versprochen.

- Höflichkeit wird vor allem beim Zugpersonal ausdrücklich ungern gesehen. Wenn Sie wie z. B. unser Mitarbeiter T. Brauer im ICE 955 von Köln nach Berlin am 20.06.2008 um 18:45 Uhr sind und noch nicht bei uns arbeiten, müssen wir uns kennenlernen! Dann haben Sie es nämlich drauf, nicht nur flotte selbstverliebte Sprüche an Fahrgäste rauszugeben, sondern wenn Sie daraufhin von einem Fahrgast eine Beschwerde über unseren schlechten Service bekommen, weisen Sie ihn darauf hin, schon Dieter Nuhr habe gesagt, was man tun solle, wenn man keine Ahnung hätte. Unsere Kunden wollen gern darauf hingewiesen werden, dass sie Arschlöcher sind und uns tierisch auf den Zeiger gehen.
Wenn Sie wüssten, was in unseren SM-Studios an den Hauptbahnhöfen der ganzen Republik läuft! Eine Beschäftigung in einem dieser Service-Hochburgen winkt nur den allerallerbesten Zugbegleitern! Maßregeln Sie unsere Kunden nach Kräften, zeigen Sie sich unkooperativ, ranzen Sie sie an, wann immer Sie können; dann werden wir Sie schon bald dort als neuen SM-Meister begrüßen dürfen.

4. Ticket-Automaten

Ja, wir haben von Web 2.0, Usability und dem ganzen Kundenservice-Mist gehört. Wissen Sie, was wir davon halten? Einen Scheiß, und das zeigen wir unseren Kunden auch. Am Ticket-Automaten nämlich.

Schauen Sie sich das mal an. Sowas schlecht Bedienbares haben Sie garantiert lang nicht mehr gesehen. Wir haben unsere Menüs absichtlich so gestaltet, dass man sie frühestens erst nach einem halben Dutzend damit gekauften Tickets ohne große Anstrengung bedienen kann. Kundenbindung, Sie verstehen? Die sind dann nämlich so fertig, dass die schon bei dem Gedanken, sich noch mal an ein anderes System gewöhnen zu müssen, sofort einen Anfall kriegen. Natürlich hat es uns Überwindung gekostet, aber das Ergebnis gibt uns Recht.

Zu den Details:

- Mit Stolz können wir verkünden, dass alle Menüs an den Automaten ohne visuelle Hilfsmittel laufen. Keine Hervorhebungen, keine farblichen Markierungen, keine größeren oder kleineren Kästchen. Es sieht alles absolut gleich aus; der Kunde kann in Ruhe raten, wo er als nächstes draufdrücken soll.

- Wir haben die Menüs so strukturiert, dass der Express-Kartenkauf meistens in einer Sackgasse endet und der gehetzte Kunde dann noch einmal den normalen Kartenkauf hinterher machen muss. Wir haben alle wenig Zeit; wieso glauben unsere Kunden eigentlich, dass sie was Besonderes sind?

- Wenn der Kunde mit seiner Bahncard unsere Bonuspunkte sammeln will und dafür die Bahncard in den Leser steckt, haben wir eine Extrahürde eingebaut. Er muss in zufällig ausgewählten Malen die Kartennummer trotzdem noch mal manuell eingeben. Wo kämen wir denn hin, wenn die Pisser die ganzen fetten Boni einfach so – ohne Schweiß – abgreifen könnten.

- Zum Abschluss eines Kartenkaufs muss der Kunde ein Zahlungsmittel wählen, aber wir sagen ihm nur irgendwo ganz klein am Rand des Bildschirms, dass er für EC-Zahlung seine Karte einführen soll. Soll er doch selbst drauf kommen, dass er den Zahlungsmodus nicht wie alles andere vorher am Bildschirm auswählen muss.

5. Pünktlichkeit

Unsere Züge – vor allem die Berufspendelzüge sind mit Absicht fast nie pünktlich. Sind wir doch mal ehrlich: Wo wäre der Spaß, wenn man sich darauf verlassen könnte? Das Leben hätte doch für die schwulen Pendlerpisser nichts mehr zu bieten; in Wahrheit freuen sich doch alle, wenn sich mal wieder vor ne Lok geschmissen hat. Gaffen und so. Das ist eine total willkommene Abwechslung gegenüber den üblichen Kein-Bock-Verspätungen (KBV) und unseren Streitphasen, die wir auch gern mal „Notfallpläne“ (NFP) nennen.

2 Kommentare:

kai hawaii hat gesagt…

http://www.titanic-magazin.de/uploads/pics/0630-bahnfahren.jpg

Jon hat gesagt…

zu der unpünktlichkeit wäre noch zu sagen: wenn ein zug ausfällt, sollte das den wartenden am bahnsteig frühestens fünf minuten nach der geplaten abfahrtszeit mitgeteilt werden, damit sie sich auch ja nicht mehr rechtzeitig eine alternativverbindung suchen können. passiert ständig in essen-werden.
nd zwar mit der S6, die zwischen düsseldorf und essen nur geradeaus fahren KANN. wenn die ausfällt, weiß man das vorher, es sei denn die bahn fällt bei kettwig einfach spontan in den stausee.