Montag, Februar 27, 2006

Endlich wieder da: Einsamkeit!

Ganz offiziell schmerzt es mich, Single zu sein. Kein Umschweifungen, kein Beschönigen und keine Verklausulierungen dieses Mal. Ja, es pisst mich an, Single zu sein. Singledasein liegt mir auf der Seele, schwer wie Felsblöcke, aus denen man die Pyramiden gebaut hat. Ich schiebe es vor mir her, weil ich keine Wahl habe, und leide fast jedes Mal, wenn ich mit meinen geliebten Freunden ausgehe, Paare allesamt, liebenswürdige Menschen, ohne die ich einginge wie meine Palme auf der Fensterbank, der die Heizungsluft offenbar schlecht bekommt.

Karneval ist vorbei, und so, wie schon in den vergangenen Jahren solche Veranstaltungen immer Flecken auf Kleidung hinterlassen, schmutzen sie mein Gemüt ein und brauchen viele Waschgänge, bis die Flecken nicht mehr durchscheinen.

Geplant war ursprünglich, zum Rosenmontagszug nach Köln zu fahren, um mit Tobi, Eva und der ganzen großartigen Freundesblase dem Zug zuzusehen und dabei zünftig die Glocke zu läuten. Mit Alkohol erträgt sich das Geschrei und ewige Umta-umtata besser. Aber ich zweifelte, weil ich wusste, dass es mich dann -- wiedermal -- zur Hohe Pforte ziehen würde, nach dem Zug, zum Zipp's oder in die Richtung. Und ich würde wieder hingehen und Bier saufen und mir das vermeintliche Freiwild ansehen und mir vorgaukeln, dort würde ich denjenigen finden, mit dem ich mein Leben teilen, mit dem ich langfristig etwas aufbauen könnte, das man in Dreigroschenromanen Lebenswerk nennt.

Sogar entsprechende Ausrüstung hatte ich vorbereitet. In Form von Visitenkarten mit meinem Namen, meiner Telefonnummer, Emailadresse, meinem Gayromeo-Nick und einem Bild darauf. Zwei Sorten sogar. Eine Sorte mit einem Foto von mir am Torontoer Strand in Badehose (das sollten die Kontakte der oberflächlicheren Sorte sein) und eine mit einem Ausschnitt aus einem Strauß gelber Rosen vor blauem Hintergrund (die "Herzenskandidaten").
Am Rosa Funken-Ball hatte ich die Karten, obwohl dafür gemacht, nicht dabei, weil ich schlicht falsch gepackt und mein Portemonnaie bei Tobi und Eva gelassen hatte.

Das Lebenswerk erschafft sich mit Szenemenschen sehr unwahrscheinlichwerise, und ich bin mittlerweile auch nicht mehr doof genug, das zu glauben. Natürlich weiß ich kognitiv, dass das Quatsch ist, und so sah ich davon ab, nach Köln zu fahren. Am Zug stehen und Bier saufen -- das sogar in großartiger Freundesrunde -- kann ich auch in Düsseldorf, und sogar Szeneleben habe ich hier, auch direkt am Zug, und an Karneval ist das Nähkörbchen vom Publikum her bunt durchmischt und gut erträglich. Ganz im Gegensatz zur rauchgeschwängerten Luft übrigens, auch wenn viele der dort anzutreffenden Herren sicherlich auch schwanger vom Rauch sind.
Wieso sollte ich nicht in Düsseldorf jemanden kennenlernen? Wäre doch auch viel besser. Wieso sollte man immer in die Ferne schweifen, richtig?

Ich blieb also in Düsseldorf und stand am Nähkörbchen, mit Jürgen und Mümin, Udo und einer Reihe anderer sehr netter Jungs. Alles in Ordnung. Wen kratzt es schon, dass alle Partner haben außer mir, richtig? Egal.
Auch nach dem Zug war's noch in Ordnung. Wir standen in einer bestimmt über einem Dutzend Leute großen Gruppe und schunkelten zu den immer gleichen Liedern. Auch noch alles in Ordnung. Mit etwas Alkohol kann sogar ich so etwas noch ertragen. Den einen im Arm, mit dem anderen schunkeln. Alles in Ordnung.

Dann stand irgendwann ein Typ, der mir schon am Donnerstag aufgefallen war, den ich aber nicht angesprochen hatte, weil er mit jemandem da war, der nach seinem Partner aussah, direkt neben Jürgen und sprach mit ihm. Von Jürgen kam ein Blick zu mir. Dann von dem Typen. So ging das ein paar Male hin und her, und ich lächelte vermutlich wie üblich etwas dämlich drein.
Das lief für meinen Geschmack viel zu lange so. Blicke von ihm und mir trafen sich, und es war total offensichtlich, dass keiner von uns wusste, wie er den ersten Schritt tun sollte. Für mich jedenfalls war das offensichtlich.
Mir dauerte dieses Verlegenheitsgedöns irgendwann zu lang, und so ging ich erst zu Jürgen, sagte irgendwas Belangloses und sagte dann Kollege Frischkandidat hallo. R. hieß er. Ob das ein englischer Name sei oder schon deutsch. Deutsch, ah ja, gut. Nett sah er aus. Ein bisschen Gequatsche leitete dann die Übergabe einer der Herzkandidatenkarten ein. Diese doofen Karten sollten also doch noch mal zu etwas gut sein.
Wir sprachen eine Weile miteinander. Ich würde mich freuen, mich mal mit dir in Ruhe zu unterhalten, nicht hier in dem Lärm. Ehrlich. Ja, will er auch. Sagt er. Irgendwas stimmt aber nicht, sagt mir mein Gefühl, kann aber nicht sagen, was das ist. Ich hätte ihn nicht zum Ficken angesprochen, sage ich. Pause. Ob er das gemacht hätte. Nicht unbedingt. M-hm, okay. Nicht unbedingt. Alles klar.


Kleiner Einschub: Das Ruft-er-an-Dilemma

Typische Situation. Ja ja, ich habe Lust, aber das relativiert sich, und man meldet sich vielleicht nicht. Der Alkohol tut sein Werk gut und gewissenhaft. In solchen Situationen habe ich nicht das leiseste Gespür dafür, ob er lügt. Selbst auf Nachfrage lügen einen manche an. Ich fänd's wirklich gut, du würdest nein sagen, wenn du keine Lust hast. Ja doch doch doch, hab ich, ich ruf dich an. Tut er dann (natürlich?) doch nicht. Das ist ja jedermanns gutes Recht. Muss man ja nicht.
So als bliebe es konsequenzenlos, wenn man nicht aufrichtig ist. Augenscheinlich ist das wohl auch so.


Aber zurück.

Ob ich am Donnerstag schon da gewesen sei. Ja, da drüben in der Ecke, ich hätte ihn auch gesehen, aber er hätte mit jemandem da gestanden, der nach seinem Partner aussah. Ach, das war dein Partner. M-hm.

?

Ich fragte noch mal nach. Ja, er hätte einen Partner. Singledasein hätte ja seine Vorteile. Aha.

Das sickerte eine Weile.

Und mit einem Schlag war mir der Spaß am Abend vergangen. Da stand ich da, um mich herum nur Paare oder Frischverliebte, alle Arm in Arm, alle augenscheinlich glücklich und zufrieden, und alles Friedefreudeeierkuchen. Und ich mittendrin.

Zum Kotzen ist es. Es ist primär schmerzhaft und zum Kotzen und erst dann alles andere.

Und ich kann es nicht mehr hören. "Du bist doch so ein lieber/süßer/netter/irgendwas Kerl. Wieso bist du denn Single?"

Ich weiß es nicht. Ich weiß es einfach nicht, und es schmerzt mich, Single zu sein. Die ganze Riege alter Schmerzen kam in dem Moment wieder hoch. Das alte Schmachten und Einsamsein vergangener Tage, das ich seit einer Weile für verloren und überwunden hielt, brach über mir zusammen, und ich sah Jürgen an. Sagte ihm, R. hätte einen Partner, und darauf hätte ich keinen Bock, wollte jetzt gehen. Er sah mich an: Ich könnte doch woanders stehen, ob ich denn wirklich nach Hause gehen wollte.
Aber ich wollte. Mit einem Schlag war es mir wieder alles zu viel, und ich hasste mich für diese Schmerzen, die ich geheilt wähnte. Wie dämlich ich mir vorkam, wie ein Schuljunge, dem Jürgen es so sehr gegönnt hätte, dass er endlich den lieben Freund kennen lernt, nach dem er sich offensichtlich so sehr sehnt. In diesen Momenten fühle ich mich noch schwächer und verletzlicher, einfach wegen genau dieses Mitgefühls, das Jürgen sicherlich nur gut meint.

Ich hätte bleiben können, aber ich hätte alle diese Menschen, die ich liebe, nicht mehr genießen können, hätte in dem verrauchten Mischmasch aus Mary Roos, De Höhner und der ganzen Schlagertraube, von der ich kaum einen Namen kenne, da gestanden und mich innerlich über alles beschwert, hätte mich schlecht und einsam gefühlt, und keine Berührung wäre mehr schön gewesen, sondern eine Erinnerung an meine Einsamkeit, die ich mir in diesen Momenten hervorragend einbilde.

Ich packte meine Sachen zusammen und ging nach Hause, das bekannte Einsamkeitsgefühl im Gepäck und mir selbst Vorwürfe machend, dass ich mich der Illusion hingegen hatte, ich könnte es meinem Ex gleichtun und an Karneval wieder einen Partner finden. Eigentlich Unsinn, diese Illusion, aber etwas Besseres fällt mir in aller Regel nicht ein. Und es macht schließlich wenig Sinn, dort zu suchen, wo man etwas verloren hat, wenn es dort zu dunkel zum Suchen ist. Wir suchen dann lieber im Lichtkegel der nahe gelegenen Laterne, auch wenn wir es dort gar nicht verloren haben.

In diesem Moment läuft hier "Don't look back" von Bliss, und es taucht die Situation in ein wundervoll hoffnungsvolles warmes Gefühl, wie Erkältungsbadezusatz von Tetesept in der Badewanne.

Und ich weiß einfach nicht mehr, warum ich Single bin. Irgendwann ist mir das Gefühl dafür verloren gegangen, und es ist mir unbegreiflich geworden. So wate ich wiedermal durch diese Schmerzen, die bald wieder Vergangenheit sein werden, und dann werde ich mir wieder bewusst, dass es nur Gedanken sind, die mich runterziehen, die ich mir selbst mache. Dann ist mein buddhistischer Hintergrund wieder da und schützt mich, obwohl ich genau diesen Schutz nicht zu brauchen hoffe.

Aber es schmerzt hin und wieder. So wie jetzt. Egal was ich erzähle.

2 Kommentare:

Unknown hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
Unknown hat gesagt…

Au. Der Eintrag war wirklich herzzereissend. Einsam in der Menge zu sein ist das _Grausamste_.

Ich halt mich von der Szene bis jetzt aus genau diesem Grund fern: _Sex_ ist leicht dort zu bekommen, aber das ist mir aus Selbstschutz zu wenig. Um _mehr_ als das dort zu bekommen, navigiert man auf einem Minenfeld, das schlimmer ist als jemanden ausserhalb der Szene zu finden.

Warum muss es immer Partner-Dasein vs. Single-Dasein geben ? Nähe kann man auch von Freunden erhalten (solange sie selber Single sind). Eventuell kommt dann auch mal mehr heraus, und wenns passt: bleibt es so. Wenn nicht: dann kann man immer noch Freunde sein, denn es gibt genügend Gemeinsamkeiten.
Mit diesem Konzept wird man nicht die ganze Zeit zwischen den beiden drastischen Extremzuständen hin- und hergestossen. Denn das hält der härteste Kerl auf die Dauer nicht aus. Und wird irgendwann zynisch.