Dienstag, Oktober 04, 2005

"Das wandelnde Schloss" besser als "Chihiros Reise ins Zauberland"?

So ganz nachvollziehen kann ich tatsächlich nicht, warum der neue Film aus dem Hause Studio Ghibli höher gelobt wird als "Chihiros Reise ins Zauberland", der vor ein paar Jahren jung wie alt begeisterte. Die Story ist, wenn auch durch den in der Rahmenhandlung stattfindenden Krieg ausgeschmückt, im Vergleich simpel und weniger fantasievoll. Was zuvor ein komplettes Gedankenkonstrukt eines Vergnügungsparks für Götter war, fand seine Gestalt eher in einer "normalen" Welt, in der einfach Zauberer und Hexen ihren Teil einnehmen.

Was ich auch eher ermüdend fand, war das ewige und ziemlich stumpfe Herumreiten auf dem Thema Liebe. Das doch eher mittel interessante und weltzugewandte Mädchen Sophie ist verflucht von der ach so bösen Hexe, die aus Eifersucht verhindern will, dass sie den Zauberer Hauro heiratet -- auch wenn das überhaupt nicht zur Debatte steht. Als alte Frau, die Sophie fortan ist, wird sie Putzfrau in Hauros wandelndem Schloss. Wieso sie dabei zunächst vor Schmerzen kaum aufrecht gehen kann (sie ist ja schon sehr alt), später aber wie vom Teufel geritten die ganze Rotzbude mit dem Wischer auf links zieht, wird dabei eher weniger, eigentlich bis auf einen mir nicht verständlichen kurzen Kommentar gar nicht erklärt.

Dass die Liebe am Ende den Fluch bricht und Sophie dann wieder jung und schön und so weiter wird, ist ja von Anfang an klar, aber zwischendurch scheint ihre wahre Gestalt schon durch, wenn sie schläft oder wenn sie Hauro gerade wieder besonders super findet. Oder er sie. So ganz habe ich das nicht verstanden. Jedenfalls sieht Hauro sie auch mal schlafen, während sie ihre wahre Gestalt hat, aber einer Erklärung bedarf es da natürlich nicht, und kommentieren musste er offensichtlich auch nicht, dass er begreift, was Sache ist.

Hauro ist in Wirklichkeit ein Monster -- m-hmm -- und kann fliegen und so weiter. Bei ihm als Zauberer ja logisch. Er ist ein (oder wird regelmäßig zu einem) Monster, eine Mischung aus Vogel und Igel, irgenwas Fedriges jedenfalls. Und Sophie liebt Hauro natürlich -- picture the details yourself -- trotzdem, lecker Küsschen etc.. Und er gestattet ihr im Gegenzug dann Zutritt zu seinem alten Versteck im Lande Wunderschön am Fluss mit Blümchen. Dort erfährt sie dann auch schließlich sein Geheimnis.

Abgesehen davon, dass ich dieses ganze Kriegsrahmenhandlunggedönse zur Hauptstory etwas unpassend finde, überrascht mich etwas negativ, dass die Charaktere in "Das wandelnde Schloss" schwer Ähnlichkeit mit denen aus Chihiros Reise haben. Einmal sieht der fliegende Hauro aus wie die fliegende fette Yubaba, und man kann von den ewig gleich aussehenden Gesichtern in Mangas ja halten, was man will, aber als Sophie sich die Haare abschneidet, um dem Dämon Calzifer neue Energie zu geben (er hatte um ihre Augen gebeten, aber ihr Zopf war wohl auch genug. ?), sieht sie bis auf die Haarfarbe und -länge genau so aus wie Hauro. Das gehört aber wohl nicht zur Story, ist eher zufällig so.

Was das Bild des Films angeht, hatte ich ein paar Male das Gefühl, bei Heidi gelandet zu sein, die ja auch aus japanischer Produktion stammt. Bewegungen wirken zum Teil etwas lieblos gemacht; ein paar mehr Tween-Frames hätten da nicht geschadet.

Joe Hisaishi hat in diesem Film wiedermal musikalisch eine Meisterleistung abgeliefert. Auch wenn mich dieser Soundtrack nicht so mitgenommen hat wie die anderen, die ich von ihm kenne, hat er mit der wirklich sehr guten Musik unheimlich viel aus den zum Teil scheinbar lieblos gemalten Bildern herausgeholt.

Der Film ist ein "Spaß für die ganze Familie"; jedenfalls wird er so oder ähnlich angepriesen. Das hatte wohl auch eine Mutter mit zwei Kindern zum Anlass genommen, mit ihnen hinzugehen. Das eine Kind war dabei vermutlich noch keine drei Jahre alt und quakte dabei mehr oder weniger unregelmäßig vor sich hin. Das Gequake endete dann in Geschrei gegen 30 Minuten vor Schluss, sodass die arme Mutter dann mit ihm rausgehen musste und erst zum Abspann wieder reinkommen konnte.
Fantasie anregen hin oder her, aber Kinder mit ins Kino zu nehmen, die so klein sind, dass sie keine zwei Stunden ruhig sitzen können, halte ich dann doch eher für unpassend.

Und was übrigens -- Till hatte mich schon einmal darauf hingewiesen -- im Kino GAR nicht geht, sind drei (in Worten: "drei") Spots in der Werbung, in der man als zahlendes Publikum dazu ermahnt wird, auf gar keinen Fall Raubkopien zu machen, zu verbreiten oder überhaupt irgendwas Böses zu machen. Denn Böses ist böse. So.
Nicht genug damit, dass die ganze Film- und Musikindustrie offenbar immer noch nicht begriffen hat, dass sie nicht einfach deswegen Umsätze einbüßt, weil DAS INTERNET jetzt da ist und alle nur noch REIN REIN REIN wollen, sondern einfach die meisten Produktionen scheiße sind; jetzt wird ZAHLENDES Publikum mit Platitüden wie "Raubkopierer sind Verbrecher" und einem Engagement in Bild und Ton (Mutter mit zwei Kindern schreit Papa ein Geburtstagsständchen, bis man am Ende des Spots sieht, dass sie vor einer Gefängnismauer stehen; Kind: "Wie lange bleibt Papa im Gefängnis?", Mutter: "Noch viermal singen." oder so ähnlich) gegen die ach so bösen Raubkopierer aufgehetzt, als würden nicht nach wie vor unsägliche Umsätze mit dem letzten Scheißdreck auf allen erdenklichen Medienträgern erzielt.

Also jedenfalls gefiel mit "Chihiros Reise ins Zauberland" wesentlich besser.

Keine Kommentare: