Montag, September 25, 2006

Flasche halten und sich benehmen bitte

Man nehme einen ganz normalen Menschen und mache ein Foto von ihm. Nun lasse man alles, wie es war, öffne allerdings seinen Mund ein wenig und mache dann ein weiteres Foto.
Klarer Fall: Der gleiche Typ -- und hier sind auch Frauen nicht ausgenommen -- sieht mit leicht offenem Mund debil aus. Er kann noch so gut aussehen, noch so intelligent wirken, noch so Jeremy Irons-like dichterhaft mit Cashmere-Schal in die Kamera schauen. Mit offenem Mund sieht er -- wie wir alle -- aus, als hätte er nicht alle Latten am Zaun.

Dergleichen gibt es unzählige Dinge, die uns vermutlich nie bewusst werden, die allesamt dazu führen, dass auf uns jemand spontan sympathisch oder unerträglich wirkt.

So gestern bei mir geschehen. Ich fuhr, wie es wohl zukünftig öfter der Fall sein wird, Sonntag abends mit dem Zug von Berlin nach Düsseldorf. Es war ein IC, und ich saß in einem Fünferabteil. Mir gegenüber saß ab Stendal -- mir ist immer noch unerklärlich, wieso dieses Häufchen Landkartenelend überhaupt einen Bahnhof hat -- ein für sein Gewicht deutlich zu kleiner Mann, dessen Gewicht zu schätzen mir ob seiner Körperfülle nicht leicht fiel -- vermutlich so um die 30 -- und der großes Gepäck mitführte. Er wirkte wie ein typischer Nerd. Bierplauze, Nullachtfuffzehn-T-Shirt, geschmackloser und vielleicht imitierter Wappenring, Frisur 4-. Er las allerdings eine Zeitung, nicht die ix.
Aber damit nicht genug. Er holte zudem beizeiten eine Flasche Bier aus seinem offensichtlich nicht sorgsam gewählten Gepäck und begann zu trinken. Aber es war nicht die Tatsache, dass er im Zug Bier trank. Das allein reichte natürlich auch, um ihn noch unsympathischer zu machen, allerdings auch, um die Plauze zu erklären (wie die spätere Riesenkäsepizzatröte und die im zeitlichen Abstand folgende Schokoladentafel).

Sondern es war die Art, wie er aus der Flasche trank. Genauer gesagt: wie er die Flasche hielt.

Nämlich am Hals.

Sieht immer doof aus, versprochen. Vor allem, wenn man den Hals mit der ganzen Hand umfasst. Ist nicht nur unelegant, weil man offenbar den Schwerpunkt der Flasche nicht mitbekommen hat, sondern zudem Schutz vor dem Danebensuppen, weil Daumen und Zeigefinger die Flüssigkeit vom Sabbern auffangen.


Gut war übrigens auch die eine Tante, die bei uns im Nichtraucherwagen am Fenster stand und rauchte und, als ein Typ aus meinem Abteil und ich sie darauf hinwiesen, dass dies ein Nichtraucherwagen sei, und sie baten, doch in diesem Wagen nicht zu rauchen. Es kam das Übliche: "Machen Sie doch die Türe (übrigens ein Wort, an dessen Ende das "e" mir Grauen bereitet) zu!" Ich stand auf und diskutierte mit ihr etwa eine Minute lang. Dann nahm sie einen letzten tiefen Zug und warf dann die Kippe aus dem offenen Fenster. Ich dankte ihr, während sie schon verduftete.

Es geht mir tierisch auf den Zeiger, wenn Leute meinen, sie müssen Regeln nicht akzeptieren. Und dabei ist mir wurscht, ob das Rauchverbotnichtbeachter oder Leute sind, die chronisch zu schnell fahren und jedes Mal einen Riesenterz machen, wenn sie mal geblitzt werden. So als wäre der Staat daran schuld, dass sie geblitzt worden wären; so als hätten sie ein Recht darauf, schneller als die ausgewiesene Geschwindkeit zu fahren.

Außerdem zeigt es, wie wenig Respekt man anderen Menschen entgegenbringt und wie sehr viele Leute das Gefühl haben müssen, immer nur sie würden vom Leben bestraft, alle wären gegen sie, immer sie müssten das Unglück der Welt tragen.

Und dabei ist es auch mir peinlich, gegenüber Menschen auf das Einhalten von Regeln zu pochen, die vermutlich 20 Jahre älter sind als ich.

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