Donnerstag, September 15, 2005

Supersparpaket: Wahrnehmung und der eigens angebotene unehrliche Kompromiss, ORDER TODAY!

Es überrascht mich zugegebenermaßen immer wieder, welch breite Kluften sich zwischen Wahrnehmungen unterschiedlicher Personen auftun können.

Anlass zu dieser mit fast beunruhigender Regelmäßigkeit wiederkehrenden Beobachtung gaben mir neulich der Besuch bei einem Freund und die darauf nach ein paar Tagen anschließenden Unterhaltungen. Es war um die Frage gegangen, was am derzeitigen Samstag gemeinsam unternommen werden sollte. Während ich stillschweigend davon ausgegangen war, dass man zusammen die Stadt erkunden würde, weil ich sie bislang nicht gesehen hatte, hatte mein Gegenüber sich auf einen Ausflug in die Berge gefreut.

Als mir klar wurde, dass man unterschiedliche Vorstellungen vom Tag hatte, erklärte ich, wie ich darauf käme, in die Stadt zu gehen. Zum einen natürlich, weil ich Städte -- insbesondere Großstädte -- sehr mag, aber zum anderen schlicht und ergreifend, weil ich die Stadt noch nicht gesehen hatte. Erstes Missverständnis: Man war sich nicht bewusst gewesen, dass ich sie bislang nie gesehen hatte.

So ließ ich mir in einer ruhigen Minute durch den Kopf gehen, dass die Stadt mir nicht wegliefe und ich durchaus von meinen sonstigen Gewohnheiten abweichen könnte. So erklärte ich, ich wollte sehr gern mit ihm in die Berge fahren.

Das zählte aber augenscheinlich nicht mehr. Man nahm offenbar an, ich hätte es vorgeschlagen, obwohl ich das nicht so meinte, und man bestand plötzlich darauf, in die Stadt zu gehen. Man fuhr übrigens im weiteren Verlauf des Tages noch in die Berge, was auch so geplant war. Die Stadt sollte es also demnach nun doch schon vorher sein; denn aus einem mir nicht begreiflichen Grund wurde davon ausgegangen, mein Vorschlag, ohne Stadtbesuch in die Berge zu fahren, sei nicht ehrlich gemeint.

Abgesehen davon, dass mir schwer begreiflich ist, wie man mich für jemanden halten kann (selbst wenn man will), der seine Meinung nicht offen sagt, sah ich mich später -- dann mit einer Reihe anderer Punkte geschmückt, deren Aufzählung vermutlich diesen Rahmen sprengen würde -- mit dem Vorwurf konfrontiert, ich würde mich nicht für ihn interessieren, ich würde stets alles an ihm abfällig bewerten, und meine ironische und zynische Art habe das nur noch unterstrichen. Natürlich wurde MIR von alledem während des gesamten Wochenendes, das nur von Freitag gegen Mitternacht bis Sonntag gegen 14:30 dauerte, weil ich hin- und zurückfahren musste, nichts gesagt, und ich muss am Telefon ziemlich abwesend ausgesehen haben, als man mir davon berichtete.

Wahrnehmung ist etwas ganz Feines. Jeder von uns hat eine auf Lager, und vermutlich wir alle halten unsere eigene für einen ganz besonders guten Jahrgang. Mitunter kuriose Ergebnisse können erzielt werden, wenn zwei unterschiedliche aufeinandertreffen und einander nicht von der unterschiedlichen Farbgebung berichten.

So kommt auch mal ein Kompromiss zu Stande, den ein Teil vorschlägt, weil er davon ausgeht, dass der vom anderen Teil angebotene Kompromiss nicht ehrlich gemeint sei, und vermutlich denkt, ein eigens unehrlich gemeinter Kompromiss sei die bessere Alternative.
Für besonders bemerkenswert halte ich hierbei auch die Beobachtung, an welcher Stelle der Gedanke der Existenz eines unehrlichen Kompromisses zum ersten Mal ins Spiel kommt.

Allerdings fühle ich mich erneut in meiner Wahrnehmung bestärkt, dass voneinander nur gelernt werden kann, wenn man miteinander kommuniziert. Wie genau das geschieht, spielt vermutlich keine wesentliche Rolle, solange die gewählte Sprache sowohl Absender wie Empfänger verstehen.

1 Kommentar:

Unknown hat gesagt…

Um miteinander zu kommunizieren, braucht es Vertrauen. Vertrauen, dass der andere die Wahrheit sagt, und sie in guter Absicht meint. Wer so paranoid ist, dass er jedes Wort negativ auswertet, und das dann nicht einmal kommuniziert (oder sogar anderes hineininterpretiert), dem ist nicht mehr zu helfen.